Leitsatz (amtlich)
Die Einigung der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens nach Erledigung der Hauptsache kann nicht als Anhalt für die Kostenentscheidung dienen, wenn und soweit die Kostenverteilung, auf die sich die Beteiligten geeinigt haben, dem Verfahrensrecht widerspricht.
Normenkette
FGO § 138 Abs. 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Steuerpflichtiger) hatte gegen die Einkommensteuerbescheide 1954 und 1955 Einspruch eingelegt und Klage erhoben. Vor dem FG erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Daraufhin entschied das FG durch Beschluß, daß die Kosten des Verfahrens zu 1/3 der Steuerpflichtige und zu 2/3 der Beschwerdegegner (das FA) zu tragen haben, ferner, daß die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war.
Zur Begründung der Kostenentscheidung hat das FG ausgeführt, nach dem Ergebnis der außergerichtlichen Erledigung habe die Klage zu 2/3 Erfolg gehabt. Hiernach und unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage erscheine es billig, dem Steuerpflichtigen 1/3 und dem FA 2/3 der Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Beschluß des FG wurde dem Steuerpflichtigen zu Händen seines Bevollmächtigten am 29. Mai 1969 zugestellt.
Gegen den Beschluß des FG hat der Steuerpflichtige am 30. Juli 1969 Beschwerde eingelegt. Er weist zunächst darauf hin, daß die Beschwerdefrist von zwei Wochen nicht in Lauf gesetzt worden sei, weil dem Beschluß keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt worden sei. Dazu legt er eine eidesstattliche Versicherung des Urlaubsvertreters seines Prozeßbevollmächtigten vor, nach der der angefochtene Beschluß ohne Rechtsmittelbelehrung zugegangen sei.
In der Sache selbst wendet sich der Steuerpflichtige gegen die Kostenverteilung im angefochtenen Beschluß des FG. Er führt aus, die Beteiligten hätten sich dahin geeinigt, daß die Kosten wie folgt zu tragen seien: Von den Kosten des Verfahrens, das das Streitjahr 1954 betreffe, der Steuerpflichtige 20 v. H. und das FA 80 v. H., von den Kosten des Verfahrens, das das Streitjahr 1955 betreffe, das FA 100 v. H.
Der Steuerpflichtige beantragt, den Beschluß des FG dahin abzuändern, daß der Steuerpflichtige von den Kosten des Einkommensteuerverfahrens 1954 1/5, das FA 4/5 und von den Kosten des Einkommensteuerverfahrens 1955 das FA die gesamten Kosten zu tragen haben.
Das FA schließt sich diesem Antrag an.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, die mehreren Klagebegehren, die der Steuerpflichtige mit seiner Klage verfolgt habe, seien für die Zwecke der Streitwertfestsetzung und der Kostenverteilung zusammenzurechnen. Die Einigung der Beteiligten über die Kosten sei unzulässig, weil sie im Ergebnis einer Trennung des Verfahrens gleichkomme und zu einer insgesamt unzutreffenden Festsetzung der Gebühren führen würde.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig (§ 128 Abs. 1 FGO). Die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 129 Abs. 1 FGO) wurde mangels Rechtsmittelbelehrung nicht in Lauf gesetzt (§ 55 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FGO). Der angefochtene Beschluß enthält die Bemerkung "Rechtsmittelbelehrung: Siehe Beilage". Diese "Beilage" war nach der eidesstattlichen Versicherung des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen in der Postsendung des FG, mit der der angefochtene Beschluß zugestellt wurde, nicht enthalten.
Die Beschwerde ist nicht begründet. In der FGO ist eine Einigung der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens nicht vorgesehen. Die Einigung kann aber als Anhalt für die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache nach § 138 Abs. 1 FGO dienen (Beschluß des BFH VI R 35/67 vom 23. Februar 1968, BFH 91, 403, BStBl II 1968, 352). Das kann aber dann nicht gelten, wenn die Kostenverteilung, auf die sich die Beteiligten geeinigt haben, dem Verfahrensrecht widerspricht. Das ist hier der Fall. Erhebt ein Steuerpflichtiger Klage gegen mehrere Steuerbescheide, so sind zur Bildung des Streitwerts die streitigen Steuerbeträge zusammenzurechnen (§ 155 FGO, § 5 ZPO; BFH-Urteil II R 71/67 vom 14. Januar 1969, BFH 95, 227, BStBl II 1969, 408). Dementsprechend ist in diesem Fall auch über die Kosten des Verfahrens einheitlich zu entscheiden. Eine Trennung nach den einzelnen Steuerbescheiden kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Denn die mehreren Klagegegenstände sind in einem Verfahren zusammengefaßt (§ 73 Abs. 1 Satz 2 FGO). Über die Kosten dieses einheitlichen Verfahrens und nicht über die Kosten der einzelnen Klagegegenstände ist nach §§ 135 ff. FGO zu entscheiden.
Gegen diesen Grundsatz verstößt im Streitfall die Einigung der Beteiligten über die Kosten des Verfahrens, da sie die Kosten des Verfahrens über das Streitjahr 1954 und die Kosten des Verfahrens über das Streitjahr 1955 trennt. Die Einigung kann daher nicht Grundlage für die Kostenentscheidung des Gerichts nach § 138 Abs. 1 FGO sein.
Der Steuerpflichtige selbst ist in seinem Schriftsatz vom 20. Mai 1969 im Verfahren vor dem FG von richtigen Grundsätzen ausgegangen und hat bei der Berechnung des Streitwerts und bei der Kostenverteilung die streitigen Steuerbeträge der Jahre 1954 und 1955 zusammengerechnet. Er ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß das FA 2/3 und der Steuerpflichtige 1/3 der Kosten des Verfahrens zu tragen hätten. Die Berechnung, auf die sich der Steuerpflichtige im einzelnen stützt und von der offenbar auch das FG ausgegangen ist, leidet zwar an dem Mangel, daß von den Einkommensteuerbeträgen 1954 und 1955 lt. Einkommensteuerbescheid vom 11. Oktober 1961 ausgegangen ist, statt von den Einkommensteuerbeträgen 1954 und 1955 lt. Einspruchsentscheidung vom 8. Juli 1963. Die Unterschiede sind jedoch gering, so daß es im Ergebnis bei der vom FG vorgenommenen Kostenverteilung verbleiben kann.
Fundstellen
Haufe-Index 68756 |
BStBl II 1970, 431 |