Entscheidungsstichwort (Thema)
Fünfjahresfrist nach § 6 Abs. 4 GrEStG bei Erwerb des Anteils an der Gesamthand durch Formwechsel aus einer GmbH
Leitsatz (NV)
Die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf einen Gesamthänder ist nicht zu gewähren, wenn der Gesamthänder seine gesamthänderische Mitberechtigung an dem Grundstück innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerb als Folge eines Formwechsels der Gesamthand aus einer GmbH erworben hat. Die Zeit der Beteiligung an der GmbH kann dem Gesamthänder nicht fiktiv als Beteiligung an der späteren Gesamthand angerechnet werden; die Fünf-Jahres-Frist beginnt erst mit Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6 S. 2, § 6 Abs. 2, 4, § 8 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine Kommanditgesellschaft, ist als Folge einer am 2. Oktober 2000 in das Handelsregister eingetragenen Verschmelzung gemäß § 20 Abs. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) Gesamtrechtsnachfolgerin der S-KG. Zum Vermögen der S-KG gehörten fünf Grundstücke. Persönlich haftende, am Vermögen jeweils nicht beteiligte Gesellschafterin sowohl der Antragstellerin als auch der S-KG war die B-GmbH. Am Vermögen der S-KG allein beteiligte Kommanditistin war die Antragstellerin. Die S-KG hatte durch einen am 21. Dezember 1998 in das Handelsregister eingetragenen Formwechsel aus einer GmbH nach §§ 190 ff., §§ 226 ff. UmwG die Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft (KG) erhalten. Gesellschafter der S-GmbH waren im Zeitpunkt des Formwechsels die Antragstellerin sowie die B-GmbH.
Für den als Folge der Verschmelzung eingetretenen Rechtsträgerwechsel an den zum Vermögen der vormaligen S-KG gehörenden Grundstücken setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) gegen die Antragstellerin durch Bescheid vom 17. Dezember 2001 auf der Grundlage der Grundbesitzwerte der übergegangenen Grundstücke Grunderwerbsteuer in Höhe von 807 044 DM fest.
Mit dem Einspruch machte die Antragstellerin geltend, die Steuer sei nach § 6 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) nicht zu erheben, da sie als alleinige Kommanditistin zu 100 v.H. am Vermögen der S-KG, dem übertragenden Rechtsträger, beteiligt gewesen sei. Anders als in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) bereits in seinem Urteil vom 4. April 2001 II R 57/98 (BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587) entschiedenen Fall stehe hier der Steuervergünstigung nicht die Vorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 entgegen; denn die Übertragung eines ganzen Betriebes widerlege die Steuerumgehungsabsicht und schließe somit den Missbrauch schon "in abstracto" aus. Im Wege einer teleologischen Reduktion sei § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 deshalb auf den Streitfall nicht anzuwenden.
Das FA hat über den Einspruch noch nicht entschieden. Gleichzeitig mit dem Einspruch beantragte die Antragstellerin beim FA, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 23. Januar 2002 ab, weil die Antragstellerin ihre gesamthänderische Mitberechtigung erst in Folge des Formwechsels, also innerhalb der fünfjährigen Ausschlussfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 erworben habe.
Am 5. Februar 2002 stellte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) den Antrag, die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 17. Dezember 2001 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung des Urteils im Hauptsacheverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FG wies den Antrag unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BFH in BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587 als unbegründet zurück und ließ die Beschwerde zu.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weiter. Sie macht geltend, § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 betreffe nicht den Fall des Übergangs von Grundstücken auf eine unverändert allein beteiligte "Holding-Gesamthand". Fraglich sei auch, ob die Übertragung aller Anteile einer grundbesitzenden "Enkelgesellschaft" innerhalb eines Konzerns überhaupt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983 der Steuer unterliege und inwieweit hierauf § 1 Abs. 6 GrEStG 1983 analog anzuwenden sei.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist nicht begründet.
Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides.
1. Der als Folge der Verschmelzung eingetretene Rechtsträgerwechsel an den zum Gesamthandsvermögen des übertragenden Rechtsträgers gehörenden Grundstücken erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1983, wonach der Übergang des Eigentums der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Denn der auf Gesetz, nämlich auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG beruhende Übergang des gesamten Vermögens des übertragenden Rechtsträgers (S-KG) auf den übernehmenden Rechtsträger (Antragstellerin) bedarf weder eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts noch einer Auflassung.
Ernstliche Zweifel an der Tatbestandsmäßigkeit dieses Vorgangs ergeben sich ―entgegen der Auffassung der Antragstellerin― auch nicht daraus, dass die Antragstellerin an der S-KG als Kommanditistin vermögensmäßig zu 100 v.H. beteiligt war und ―aus der Sicht der an der Antragstellerin beteiligten Gesellschafter― schon vor der Verschmelzung eine mehrstufige gesamthänderische Mitberechtigung an den der S-KG gehörenden Grundstücken bestand. Denn die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen den am Erwerbsvorgang Beteiligten ändern nichts daran, dass es sich jeweils um unterschiedliche, selbstständige Rechtsträger im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne handelt. Der Grundstücksübergang zwischen unterschiedlichen Rechtsträgern ist jedoch tatbestandsmäßig; das gilt insbesondere auch beim Übergang von Grundstücken zwischen einer Gesamthand und den an ihr beteiligten Gesamthändern, wie sich als Rückschluss aus den §§ 5 und 6 GrEStG 1983 ergibt.
Das FA hat auch zutreffend gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983 die Steuer nach den Grundbesitzwerten der auf die Antragstellerin übergegangenen Grundstücke bemessen. Eine (teilweise) Nichterhebung der Steuer in analoger Anwendung des § 1 Abs. 6 Satz 2 GrEStG 1983 kommt ernsthaft nicht in Betracht. Denn eine Aufeinanderfolge mehrerer Erwerbsvorgänge, an denen identische Rechtsträger beteiligt sind (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278), ist hier nicht erkennbar. Eine (analoge) Anwendung dieser Vorschrift setzte eine Personenidentität zwischen Gesellschaft und ihren Gesellschaftern voraus, die aber zivil- und grunderwerbsteuerrechtlich gerade nicht besteht.
2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 für den Übergang der Grundstücke von der S-KG auf die Antragstellerin gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1983 nicht zu gewähren ist. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen auch insoweit nicht.
Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand in das Alleineigentum einer an der Gesamthand beteiligten Person wird die Steuer gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht erhoben, soweit der Erwerber am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 GrEStG 1983 gilt Abs. 2 aber insoweit nicht, als der Gesamthänder ―im Falle der Erbfolge sein Rechtsvorgänger― innerhalb von fünf Jahren vor dem Erwerbsvorgang seinen Anteil an der Gesamthand durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat. Diese Voraussetzungen für den Ausschluss der Steuervergünstigung sind im vorliegenden Fall gegeben.
a) Die Antragstellerin hat ihren Kommanditanteil an der S-KG durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben. Hierfür reicht es aus, wenn rechtsgeschäftliches Handeln dazu führt, dass es zu einem Rechtsübergang (Anteilserwerb) kommt bzw. der Rechtsübergang als solcher ein rechtsgeschäftliches Fundament hat (BFH-Urteile vom 29. Januar 1997 II R 15/96, BFHE 181, 524, BStBl II 1997, 296, 298, und in BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587).
Der Erwerb der Beteiligung an der S-KG durch die Antragstellerin im Zuge des Formwechsels aus einer GmbH erfolgte "durch Rechtsgeschäft". Nach den für diesen Vorgang maßgeblichen Regeln (vgl. §§ 228 ff. UmwG) war rechtsgeschäftliche Grundlage der Umwandlung der Umwandlungsbeschluss der Gesellschafterversammlung. Der Beschluss führte als rechtsgeschäftliches Handeln der Gesellschafter der GmbH dazu, dass mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister die Anteilsinhaber der GmbH an der S-KG beteiligt waren (§ 202 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG). Der Umwandlungsbeschluss bewirkte somit den Erwerb der Anteile an der S-KG durch die Antragstellerin und die B-GmbH.
b) Die Antragstellerin hat ihren Anteil an der S-KG nicht vor Beginn des Zeitraums von fünf Jahren vor ihrem Erwerb der der S-KG gehörenden Grundstücke (2. Oktober 2000) erworben. Denn der Erwerb der Anteile an der S-KG wurde erst zum Zeitpunkt der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister am 21. Dezember 1998 wirksam.
Die Zeit ihrer Beteiligung an der S-GmbH kann der Antragstellerin nicht fiktiv als Beteiligung an der späteren S-KG angerechnet werden; die Fünf-Jahres-Frist beginnt erst mit Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister (BFH-Urteil in BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 7. Aufl., § 6 Rz. 22; Franz in Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, 2. Aufl., § 6 Rn. 26; Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl., § 6 Rdnr. 37 a.E.). Zwar besteht zwischen der S-GmbH und der S-KG Rechtsidentität und Kontinuität des Vermögens (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 4. Dezember 1996 II B 116/96, BFHE 181, 349, BStBl II 1997, 661). Das ändert aber nichts daran, dass die an der S-GmbH beteiligten Gesellschafter vor der formwechselnden Umwandlung an deren Vermögen nicht beteiligt waren, denn das Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehört ausschließlich ihr selbst und nicht ihren Gesellschaftern. Fehlt es jedoch ―über einen Zeitraum von fünf Jahren― an einer gesamthänderischen Mitberechtigung an den übergegangenen Grundstücken, die sich im Alleineigentum des erwerbenden Gesamthänders fortsetzt, kann die Vergünstigung nach § 6 Abs. 2 GrEStG 1983 nicht gewährt werden.
c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin führt auch die vom BFH vorgenommene einschränkende Auslegung des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn diese Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400; vom 24. Juni 1969 II 169/64, BFHE 96, 370, und vom 14. Juni 1973 II R 37/72, BFHE 110, 142, BStBl II 1973, 802) beruht auf der Überlegung, dass es sich bei § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 um eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift handelt, mit der Steuerumgehungen durch die Kombination eines ―grundsätzlich nicht steuerbaren (Ausnahme: § 1 Abs. 2 a GrEStG 1983)― Wechsels im Personenstand einer Gesamthand und der nachfolgenden (nach § 6 GrEStG 1983 begünstigten) Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen durch den "neuen" Gesellschafter verhindert werden sollen (BFH-Urteil in BFHE 110, 142, BStBl II 1973, 802). Einer Missbrauchsverhinderung bedarf es jedoch in den Fällen nicht, in denen objektiv eine Steuerumgehung mittels der Möglichkeit des steuerfreien Übergangs von Anteilen an einer Gesamthand ausscheidet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung an dem übergehenden Grundstück der Grunderwerbsteuer unterlag.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht im Streitfall objektiv die Möglichkeit der Steuerumgehung, denn die Antragstellerin hat ihre gesamthänderische Mitberechtigung an den Grundstücken der S-KG durch einen nicht grunderwerbsteuerbaren Vorgang, nämlich den Formwechsel der S-GmbH in die S-KG, erworben (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 349, BStBl II 1997, 661). Die bei Erwerb der Grundstücke durch die S-GmbH gezahlte Grunderwerbsteuer kann hier nicht berücksichtigt werden, weil diese nicht für den Erwerb der gesamthänderischen Mitberechtigung der Antragstellerin, sondern für den Erwerb des Alleineigentums der S-GmbH an den Grundstücken aufgewendet wurde. Dass die Antragstellerin Gesamtrechtsnachfolgerin der S-KG ist, die ihrerseits durch Formwechsel aus der S-GmbH hervorgegangen und mit dieser in jeder Hinsicht als identisch gilt, kann nicht zur Zurechnung der von der S-GmbH für ihren Erwerb gezahlten Grunderwerbsteuer bei der Antragstellerin führen. Denn die sich aus dem Umwandlungsgesetz (§ 202 Abs. 1 Nr. 1) ergebende Identität der beiden Rechtsträger hat lediglich zur Folge, dass die Umwandlung nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Darüber hinaus strahlt sie nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 aus (BFH-Urteil in BFHE 194, 458, BStBl II 2001, 587). Eine solche Zurechnung würde im Übrigen auch die Möglichkeit eröffnen, den nicht befreiten unmittelbaren Erwerb der Antragstellerin von der S-GmbH durch eine vorgeschaltete Umwandlung der S-GmbH auf die S-KG und die anschließende Übertragung des Grundbesitzes auf die Antragstellerin zu umgehen.
Ist jedoch wie im Streitfall objektiv die Möglichkeit der Steuerumgehung gegeben, besteht keine Rechtfertigung für eine den Wortlaut des § 6 Abs. 4 GrEStG 1983 einschränkende Anwendung dieser Vorschrift. Einer Umgehungsabsicht bedarf es nicht (vgl. bereits BFH-Urteil in BFHE 110, 142, BStBl II 1973, 802). Es kommt somit nicht auf die Argumentation der Antragstellerin an, dass der Umstand der Übertragung des gesamten Vermögens der S-KG im Wege der Verschmelzung sowie der lange Zeitraum zwischen dem Formwechsel und dem Grundstücksübergang die Umgehungsabsicht widerlege.
Fundstellen
Haufe-Index 946409 |
BFH/NV 2003, 1090 |
BFH/NV 2003, 1091 |