Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsbescheid; Anrechnung fehlgeschlagener pauschalierter Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers
Leitsatz (NV)
1. Im Fall einer sog. fehlgeschlagenen Lohnsteuer-Pauschalierung hat die pauschale Lohnsteuer keine Abgeltungswirkung; der dem Arbeitnehmer ausgezahlte Arbeitslohn ist in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen.
2. Der Arbeitnehmer ist auch in diesem Fall nicht Schuldner der pauschalen Lohnsteuer; die abgeführte pauschale Lohnsteuer kann auf seine Einkommensteuerschuld nicht angerechnet werden.
Normenkette
AO 1977 § 218 Abs. 2; EStG § 40 Abs. 3, § 40a Abs. 2, 5; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen VI 175/2004) |
Tatbestand
I. Im Rahmen einer Fahndungsprüfung wurde festgestellt, dass die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) im Jahr 1996 neben dem mit der Einkommensteuererklärung angegebenen Bruttoarbeitslohn weitere 9 838 DM für eine nebenberufliche Tätigkeit in bar erhalten hatte, die von ihrem Arbeitgeber gemäß § 40a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal versteuert worden waren, obwohl die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Pauschalbesteuerung nicht vorgelegen hatten. Der Einkommensteuerbescheid 1996 wurde daraufhin geändert, indem die Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend erhöht wurden. In der Anrechnungsverfügung berücksichtigte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) weiterhin nur die mit der Lohnsteuerkarte bescheinigten Beträge. Den Antrag der Klägerin, die von ihrem Arbeitgeber auf die nebenberuflichen Einnahmen geleistete Pauschalsteuer auf ihre Einkommensteuerschuld anzurechnen, lehnte das FA mit Abrechnungsbescheid vom 23. Mai 2002 ab; der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das FG urteilte, dass die vom Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte pauschale Lohnsteuer nach § 40a Abs. 5 i.V.m. § 40 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anzurechnen sei, und zwar auch dann nicht, wenn die Pauschalierung mangels der hierfür erforderlichen Voraussetzungen fehlgeschlagen sei. Während der Arbeitnehmer der Schuldner der Einkommen- und Lohnsteuer sei, sei der Arbeitgeber der Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Im Streitfall habe daher der Arbeitgeber der Klägerin seine eigene Steuerschuld und nicht diejenige der Klägerin beglichen. Eine Befreiung der Klägerin von ihrer Einkommensteuerschuld hätte diese Zahlung nur bewirken können, wenn die Pauschalierungsvoraussetzungen erfüllt gewesen wären.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, welche sie auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) stützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, da die Zulassungsgründe zum Teil nicht schlüssig dargelegt sind, wie es § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erfordert, jedenfalls aber nicht vorliegen.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da sich die für den Streitfall maßgeblichen Rechtsfragen in Anbetracht der einschlägigen Vorschriften nur so beantworten lassen, wie es das FG getan hat und wie sie auch vom Bundesfinanzhof (BFH) bereits in dieser Weise beantwortet worden sind.
Nach der Grundregelung der Lohnsteuerpauschalierung in § 40 Abs. 3 EStG, die über die Verweisung in § 40a Abs. 5 EStG auch für den (vermeintlichen) Pauschalierungsfall des Streitfalls gemäß § 40a Abs. 2 EStG gilt, hat der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen und ist deren Schuldner (§ 40 Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG). Es handelt sich zwar um eine vom Arbeitnehmer abgeleitete Steuer, welche durch die Tatbestandsverwirklichung durch den Arbeitnehmer --nämlich den Umstand, dass ihm Arbeitslohn zugeflossen ist-- entsteht, gleichwohl wird sie vom Arbeitgeber übernommen und verfahrenstechnisch vom Arbeitgeber erhoben; der Arbeitgeber ist in formeller Hinsicht alleiniger Steuerschuldner (K. Wagner in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 40 EStG Anm. 51 f.; BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 VI R 47/93, BFHE 174, 363, BStBl II 1994, 715) und auch nicht etwa Gesamtschuldner neben dem Arbeitnehmer (K. Wagner in HHR, § 40 EStG Anm. 54). Dementsprechend bleiben nach § 40 Abs. 3 Satz 3 EStG der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuer-Jahresausgleich außer Ansatz.
Diese Rechtsfolgen des § 40 Abs. 3 EStG treten indes nur ein, wenn die Pauschalierung dem Gesetz entsprochen hat. Nur wenn der Lohn dem Gesetz entsprechend pauschal besteuert worden ist, wird die Vorauszahlungspflicht des Arbeitnehmers dadurch ersetzt, dass sie vom Arbeitgeber als neuem Steuerschuldner zu erfüllen ist, und nur in diesem Fall bleiben Arbeitslohn und pauschale Lohnsteuer bei einer Einkommensteuerveranlagung außer Ansatz. Im Fall einer sog. fehlgeschlagenen Pauschalierung, wenn also --wie es für den Fall der Klägerin unstreitig ist-- die Voraussetzungen für eine Lohnsteuer-Pauschalierung nicht vorgelegen haben, hat die pauschale Lohnsteuer hingegen keine Abgeltungswirkung. Bei einer fehlgeschlagenen Pauschalierung ist deshalb der dem Arbeitnehmer ausgezahlte Arbeitslohn in dessen Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen (K. Wagner in HHR, § 40 EStG Anm. 57; BFH-Urteil vom 13. Januar 1989 VI R 66/87, BFHE 156, 412, BStBl II 1989, 1030; BFH-Beschluss vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309).
Nicht einheitlich beurteilt wird zwar die Frage, ob das Veranlagungsfinanzamt in Fällen dieser Art den pauschal besteuerten Arbeitslohn in die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers einbeziehen kann, ohne dass zuvor die Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers geändert wurde (bejahend: BFH-Urteil vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; K. Wagner in HHR, § 40 EStG Anm. 57; verneinend: Trzaskalik in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 40 Rdnr. D 7; Blümich/Heuermann, EStG, § 40 Rz. 124 ff.). Für den Streitfall hat diese Frage jedoch keine Bedeutung, da der für die nebenberufliche Tätigkeit der Klägerin gezahlte Arbeitslohn von 9 838 DM mit dem geänderten Einkommensteuerbescheid 1996 bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt wurde und Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit der Steuerfestsetzung im Abrechnungsverfahren nicht geltend gemacht werden können (vgl. Senatsurteile vom 22. Juli 1986 VII R 10/82, BFHE 147, 117, BStBl II 1986, 776; vom 28. April 1992 VII R 33/91, BFHE 168, 206, BStBl II 1992, 781).
Einheitlich wird jedenfalls die Auffassung vertreten, dass im Fall einer fehlgeschlagenen Pauschalierung der Lohnsteuer der Arbeitgeber nicht Schuldner der pauschalen Lohnsteuer werden kann (BFH-Urteil vom 5. November 1993 VI R 16/93, BFHE 173, 192, BStBl II 1994, 557), diese also zu Unrecht vom Arbeitgeber erhoben worden ist und allein der Arbeitgeber --nach entsprechender Änderung der zugrunde liegenden Steuerfestsetzung-- einen Erstattungsanspruch hat (Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl., § 40 Rz. 22, § 40a Rz. 1; Trzaskalik, a.a.O., § 40 Rdnr. A 49; K. Wagner in HHR, § 40 EStG Anm. 54; Blümich/ Heuermann, a.a.O., § 40 EStG Rz. 122; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 40 Rn. 25).
Findet daher die Rückabwicklung der fehlgeschlagenen Lohnsteuer-Pauschalierung allein im Verhältnis des Arbeitgebers zum jeweiligen Betriebsstättenfinanzamt statt, kommt eine Anrechnung der zu Unrecht entrichteten Beträge auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers nicht in Betracht. Soweit § 40 Abs. 3 Satz 4 EStG anordnet, dass die pauschale Lohnsteuer auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers nicht anzurechnen ist, gilt dies somit --wie das FG zutreffend entschieden hat-- auch bei einer fehlgeschlagenen Pauschalierung.
Demgegenüber zeigt die Beschwerde mit ihren grundsätzlichen Ausführungen zur Rechtsnatur der Lohnsteuer und zu ihrer Anrechnung auf die Einkommensteuer keine für den Streitfall relevanten klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Ungeachtet der gesetzlichen Regelungen, wonach gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer, hingegen gemäß § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer ist, vertritt die Beschwerde die Ansicht, dass die pauschale Lohnsteuer mit der Lohnsteuer identisch sei, dass die Rechtsstellung des Arbeitgebers als Schuldner der pauschalen Lohnsteuer nur erhebungstechnischer Art sei und dass deshalb die für die Lohnsteuer geltende Regelung des § 42d Abs. 3 Satz 4 EStG, wonach der Arbeitnehmer bei vom Arbeitgeber vorschriftsmäßig einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer nicht mehr in Anspruch genommen werden könne, auch im Fall einer fehlgeschlagenen Lohnsteuer-Pauschalierung gelten müsse. Soweit die Beschwerde diese Ansicht vertritt und meint, dass bei einer fehlgeschlagenen Pauschalierung wegen der Einbeziehung des gezahlten Arbeitslohns in die Einkommensteuerveranlagung nunmehr auch die vom Arbeitgeber übernommene pauschale Lohnsteuer auf die Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers anrechenbar sein müsse, zeigt sie jedoch nicht auf, dass es sich hierbei um in der Rechtsprechung und/oder Literatur vertretene bzw. umstrittene Rechtsauffassungen handelt oder aus welchem Grund sonst diese Fragen einer grundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen.
Dass der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) vorliegt, wird mit der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Insoweit sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1507147 |
BFH/NV 2006, 1292 |