Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers bei Einschaltung einer Steuerberatungsgesellschaft
Leitsatz (NV)
Allein der Umstand, dass eine Gesellschaft von einer Steuerberatungsgesellschaft mangelhaft beraten worden ist, entlastet den Geschäftsführer nicht vom Vorwurf grobfahrlässiger Nichtabführung von Umsatzsteuer, wenn er sich nicht in einem diesen Vorwurf ausschließenden Maße aktiv darum bemüht hat, sich über seine umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten zu informieren.
Normenkette
AO 1977 §§ 71, 191; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 155; ZPO § 295; UStG §§ 16, 18; UStDV 1993 § 57 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 18.03.2005; Aktenzeichen 1 K 620/02 H(U)) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war ―die überwiegende Zeit zusammen mit Herrn W.― bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens im August 1995 Geschäftsführer der B.V., einer Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts. Für die Ausführung eines Bauwerkvertrages über die Errichtung von 204 schlüsselfertigen Wohnungen in Deutschland erteilte die B.V. der Auftraggeberin, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ab 1993 Abschlagsrechnungen nach Baufortschritt mit offen ausgewiesener inländischer Umsatzsteuer. Diese bezahlte die Bruttorechnungsbeträge an die B.V. Die B.V. reichte in Deutschland weder Umsatzsteuer-Voranmeldungen noch -Jahreserklärungen ein und führte die berechneten Umsatzsteuerbeträge auch nicht an den deutschen Fiskus ab.
Zwischen Antragstellung und Konkurseröffnung teilte die B.V. dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) diesen Sachverhalt mit, verwies aber darauf, als ausländischer Unternehmer nicht zu Anmeldungen und Abführung der Umsatzsteuer in Deutschland verpflichtet zu sein.
Auf an den Konkursverwalter der B.V. gerichtete Umsatzsteuerbescheide erfolgten keine Zahlungen. Mit Haftungsbescheid vom 9. Dezember 1999 nahm das FA den Kläger für rückständige Umsatzsteuer 1994 und 1995 gemäß §§ 71, 191 der Abgabenordnung (AO 1977) in Haftung.
Einspruch und Klage blieben dem Grunde nach erfolglos. Das Finanzgericht (FG) nahm, insoweit den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung folgend, grob fahrlässige Pflichtverletzungen des Klägers an, weil ihm ―ausweislich eines Schreibens an das FA kurz vor Konkurseröffnung― die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer grundsätzlich bekannt gewesen sei. Dass die für die B.V. tätige Wirtschaftsprüfergesellschaft nicht auf etwaige umsatzsteuerliche Probleme hingewiesen habe, reiche zu seiner Entschuldigung nicht aus.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger, das FG habe die ―die grobe Fahrlässigkeit der Nichtabführung der Umsatzsteuern durch den Kläger ausschließende― Rolle der die B.V. gerade in grenzüberschreitenden Angelegenheiten beratenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und deren Versagen bei der Ausübung ihrer vertraglichen Aufgaben nicht hinreichend aufgeklärt.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Der Kläger hat den vermeintlichen Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO― i.V.m. § 76 Abs. 1 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt.
Wird die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das FG gerügt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist genau anzugeben, welche konkreten Tatsachen das FG von sich aus hätte aufklären sollen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhaltes auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Februar 2005 III B 90/04, BFH/NV 2005, 1329). Wird gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantrag von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, muss ebenfalls dargelegt werden, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen; außerdem ist darzulegen, dass und aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 70).
Der Verfahrensfehler mangelhafter Sachaufklärung ist außerdem nur dann ordnungsgemäß dargelegt, wenn zusätzlich vorgetragen wird, dass die mangelhafte Sachaufklärung in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.). Da der im finanzgerichtlichen Verfahren geltende Untersuchungsgrundsatz eine Verfahrensvorschrift ist, auf deren Einhaltung ein Beteiligter ausdrücklich oder durch Unterlassen einer Rüge verzichten kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), hat die Unterlassung der rechtzeitigen Rüge den endgültigen Rügeverlust ―z.B. auch zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde― zur Folge (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Das FG hat seine Entscheidung letztlich darauf gestützt, dass der Kläger als verantwortlicher Geschäftsführer die Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten nicht mit dem Hinweis auf mangelhafte Beratung der für die B.V. tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft entschuldigen könne. Der Kläger habe sich nicht in einem den Vorwurf groben Verschuldens ausschließenden Maße aktiv darum bemüht, sich über seine umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten zu informieren. Dazu bringt der Kläger mit der Beschwerde nur vor, die "Komplexität der steuerlichen Materie sowie die Tatsache, dass auf der einen Seite ein ausländisches Unternehmen, dessen maßgebliche Akteure über keine umfassende Bildung im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr verfügten, und auf der anderen Seite eine der größten europäischen Steuerberatungsgesellschaften stand", hätte das FG "zu weiteren Nachfragen über die Rolle der Beratungsgesellschaft bei diesem Besteuerungsverfahren veranlassen müssen". Wäre dies geschehen, "hätten die Kläger aus ihrem Gedächtnis geschildert, dass zum Beispiel die Mitarbeiter der (Beratungsgesellschaft) mindestens zwei- bis dreimal pro Woche zur Aktualisierung der Buchführung vor Ort in dem Geschäft der B.V. waren, dass in regelmäßigen Abständen von einer bis zu zwei Wochen Besprechungen mit dem Teamleiter stattfanden und dass auch in den streitgegenständlichen Zeiträumen die umsatzsteuerliche Problematik ein Gegenstand der Diskussion war. Hierfür gibt es auch Zeugen".
Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung überhaupt zu seiner Exkulpation vorgetragen und Beweis angeboten hat. Da das FG mit dem Vorbringen des überwiegenden Verschuldens der Beratergesellschaft nicht befasst worden ist, ist der Kläger im Beschwerdeverfahren mit diesem Vortrag ausgeschlossen. Abgesehen davon ist auch jetzt nicht substantiiert dargelegt, weshalb ein mögliches Verschulden der Beratungsgesellschaft das FA hindern könnte, den Kläger wegen grob fahrlässiger Nichtabführung von Umsatzsteuer zur Haftung heranzuziehen. Zwar kann dem Geschäftsführer einer GmbH als Haftungsschuldner ein Verschulden des steuerlichen Beraters der GmbH bei der Fertigung von Steuererklärungen nicht zugerechnet werden (vgl. dazu Senatsurteil vom 30. August 1994 VII R 101/92, BFHE 175, 509, BStBl II 1995, 278). Es ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich der Kläger im Streitfall der Beratergesellschaft zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten gegenüber dem FA bedient hat; allein die Diskussion der umsatzsteuerlichen Problematik mit den mit der Buchführung der B.V. betrauten Beratern entlastet den Geschäftsführer schon deshalb nicht, weil dem Kläger nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen des FG die Pflicht zur Abführung der Umsatzsteuer grundsätzlich bekannt war.
2. Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ―wie in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gefordert― dargelegt. Er verweist auf seine Ausführungen im Klageverfahren, dass "unterschiedliche Auffassungen über die Anwendung und Auslegung der in sich widersprüchlichen Regelung des § 57 UStDV bestehen". Das reicht nicht aus, um die Bedeutung einer Rechtsfrage ―über den Einzelfall hinaus― für die Rechtsklarheit, die Rechtseinheitlichkeit und/oder die Rechtsentwicklung darzulegen. Er hätte insbesondere ausführen müssen, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage umstritten ist und damit Klärungsbedarf besteht. Eine Bezugnahme auf frühere Ausführungen im Klageverfahren wird dem Zweck des Begründungszwangs nicht gerecht, den BFH davon zu entlasten, selbst die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache anhand der Akten ermitteln zu müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 26. Januar 1995 III B 52/93, BFH/NV 1995, 709, m.w.N.).
Abgesehen davon sind dem vom Kläger in Bezug genommenen Schriftsatz keine Rechtsfragen zu entnehmen, die sich nicht bereits aus dem Gesetz selbst beantworten. Da nach den mit Verfahrensrügen nicht angefochtenen Feststellungen des FG für die B.V. offensichtlich war, dass die GbR das Abzugsverfahren nicht durchgeführt hatte, war die Besteuerung des Umsatzes gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 nach den allgemeinen Regelungen der §§ 16 und 18 des Umsatzsteuergesetzes durchzuführen. Für die Annahme, dass eine Aufforderung des FA zur Abgabe der Voranmeldung geboten gewesen sei, gibt das Gesetz keinen Anhaltspunkt.
Fundstellen
BFH/NV 2006, 1439 |
NWB 2008, 954 |