Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründetheit einer auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO gestützten NZB
Leitsatz (NV)
Wird eine NZB auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO gestützt und betreffen beide geltend gemachten Zulassungsgründe ausschließlich einen Teil der Vorentscheidung, in dem das FG sein Urteil außer auf die mit der NZB angegriffene auf eine weitere -- ebenfalls selbständig tragende -- Begründung abgestellt hat, derentwegen kein Zulassungsgrund vorliegt, so kann die Revision nicht zugelassen werden.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) veranlagte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) -- eine KG -- zur Umsatzsteuer 1974 und 1975. Durch Bescheide vom 29. Juli 1980 hob das FA diese Veranlagungen auf und setzte die Steuer nunmehr gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin (S) fest. Dagegen legten sowohl die Klägerin als auch S Einspruch ein.
Während des Einspruchsverfahrens erlangte das FA Kenntnis vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. Dezember 1980 V R 142/73 (BFHE 132, 497, BStBl II 1981, 408), wonach es für die Unternehmereigenschaft einer Personengesellschaft i. S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) unerheblich ist, ob ihre Gesellschafter Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind. Daraufhin teilte das FA durch Schreiben vom 24. Juli 1981 der Klägerin mit, der Aufhebungsbescheid vom 29. Juli 1980 werde gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) aufgehoben; an seine Stelle träten somit wieder die ursprünglichen Steuerfestsetzungen; dadurch erledigten sich die Einsprüche der Klägerin.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens setzte das FA durch Bescheide vom 18. Dezember 1981 und vom 8. Dezember 1982 die Umsatzsteuer 1974 und 1975 erneut und ohne Änderung fest. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein; sie stellte keinen Antrag gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den Verwaltungsakt vom 24. Juli 1981 durch Urteil vom 10. April 1984 ab. Es führte aus, das FA habe auf den Einspruch der Klägerin den Aufhebungsbescheid vom 29. Juli 1980 gemäß § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 wieder aufheben können.
Auf die Revision der Klägerin hob der erkennende Senat das Urteil auf und wies die Klage zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, weil eine Sachentscheidung nicht habe getroffen werden dürfen, sondern das FG das Klageverfahren mit Rücksicht auf die Bescheide vom 18. Dezember 1981 und vom 8. Dezember 1982 in entsprechender Anwendung des § 74 FGO hätte aussetzen müssen (Senatsurteil vom 15. Februar 1990 V R 124/84, BFH/NV 1990, 722).
Nachdem das FA die Bescheide vom 18. Dezember 1981 und vom 8. Dezember 1982 aufgehoben hatte, wies das FG die Klage durch das von der Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene Urteil erneut ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus: Der Bescheid vom 24. Juli 1981 sei vom FA zu Recht erlassen worden. Damit seien die ursprünglichen gegenüber der Klägerin ergangenen Umsatzsteuerfestsetzungen 1974 und 1975 wieder in Kraft getreten. Wegen der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 24. Juli 1981 (Änderungsbefugnis nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977) werde zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Urteil vom 10. April 1984 Bezug genommen. Daneben könne der Bescheid aber auch auf § 174 Abs. 3 AO 1977 gestützt werden.
Die Klägerin stützt ihre Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist -- ihre Zulässigkeit unterstellt -- unbegründet.
Auf die von der Klägerin behauptete Divergenz und auf die von ihr als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an.
Die Klägerin macht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Auffassung des FG, der angefochtene Bescheid vom 24. Juli 1981 könne auf § 174 Abs. 3 AO 1977 gestützt werden, weiche vom BFH- Urteil vom 1. August 1984 V R 67/82 (BFHE 141, 490, BStBl II 1984, 788) ab; überdies habe die Sache grundsätzliche Bedeutung, da noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob das Tatbestandsmerkmal "bestimmter Sachverhalt" i. S. des § 174 Abs. 3 AO 1977 sowohl Tatsachen als auch Rechtsfragen umfasse.
Beide geltend gemachten Zulassungsgründe betreffen mithin ausschließlich die Anwendung des § 174 Abs. 3 AO 1977 durch das FG. Die Vorentscheidung ist aber nicht nur auf diese Vorschrift gestützt. Vielmehr hat das FG die Klage auch deshalb abgewiesen, weil der angefochtene Bescheid vom 24. Juli 1981 auch auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gestützt werden könne. Dies ergibt sich -- entgegen den diesbezüg lichen Einwendungen der Klägerin -- eindeutig und unmißverständlich aus den Urteilsgründen. Im Hinblick auf diese Begründung, die die Vorentscheidung ebenfalls selbständig trägt, hat die Klägerin aber keine Zulassungsgründe i. S. von § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht.
In einem derartigen Fall kann die Revision nicht zugelassen werden; denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muß hinsichtlich einer jeden Begründung ein Zulassungsgrund vorliegen, wenn das Urteil des FG auf mehrere Gründe gestützt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE, 112, 337, BStBl II 1974, 524; vom 13. November 1991 II B 69/91, BFH/NV 1992, 260; vom 9. Februar 1994 V B 198/93, nicht veröffentlicht; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 11, 23 und 34 m. w. N.).
Fundstellen
Haufe-Index 420037 |
BFH/NV 1995, 976 |
BFH/NV 1995, 977 |