Entscheidungsstichwort (Thema)
Kaufmännischer Geschäftsbetrieb; ungewisser Handelsregistereintrag
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob eine Person als Immobilienhändler die Voraussetzungen des §2 HGB (buchführungspflichtiger Sollkaufmann) erfüllt, ist nicht von allgemeinem Interesse; denn die Beurteilung, ob ein gewerbliches Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist in erster Linie eine Frage des Einzelfalles, wobei immer auf das Gesamtbild des Betriebes abzustellen ist.
2. Der Frage, ob das Verfahren auszusetzen ist, bis über die Handelsregistereintragung entschieden ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie offensichtlich zu verneinen ist. Darüber, ob die Voraussetzungen des §140 AO 1977 i.V.m. §2 HGB vorliegen, ist im Finanzrechtsweg zu entscheiden.
Normenkette
HGB § 2; AO § 140 Abs. 1; FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt seit 1988 einen gewerblichen Grundstückshandel. Er ermittelte seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben. Nach einer Außenprüfung im Jahre 1993 ging der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) davon aus, daß der Kläger ab 1988 zur Buchführung verpflichtet gewesen sei.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nach §140 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. §2 des Handelsgesetzbuches (HGB) zur Buchführung und damit zur Gewinnermittlung nach §§4 Abs. 1, 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verpflichtet. Der von ihm betriebene Grundstückshandel erfordere nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb. Er sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Sollkaufmann anzusehen; dies ergebe sich zum einen aus der beachtlichen Höhe der von ihm in den Streitjahren bewirkten Umsätze (1989: 5,83 Mio. DM -- drei Objekte; 1990: 12,02 Mio. DM -- fünf Objekte und 1991: 8,86 Mio. DM -- sieben Objekte), zum anderen aus der Vielzahl von Krediten, die er in den Streitjahren in Anspruch genommen habe (zum 1. Januar 1989: rd. 9,8 Mio. DM, 1. Januar 1990: rd. 9,1 Mio. DM und 1. Januar 1991: rd. 6,7 Mio. DM); dabei habe er bei vier verschiedenen Bankhäusern 19 Konten unterhalten. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf die ihm übermittelte Stellungnahme der Industrie- und Handelskammer (IHK) berufen, wonach er zwar eintragungsberechtigt, aber wohl nicht eintragungsverpflichtet sei. Es sei daraus nicht ersichtlich, welche Informationen der IHK zur Verfügung gestanden hätten.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er begehrt Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und rechtserheblicher Verfahrensmängel. Er macht geltend, die Entscheidung der Rechtsfrage, von welcher Größenordnung (Geschäftsumfang) ein gewerblicher Grundstückshändler Sollkaufmann nach §2 HGB sei, dessen Tätigkeit nach Art und Umfang also einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere, und der damit gemäß §140 AO 1977 i.V.m. §262 HGB zur Buchführung und Bilanzierung verpflichtet sei, berühre das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung und Entwicklung des Rechts. Bisher habe der Bundesfinanzhof (BFH) und auch die Zivilgerichte nicht entschieden, wann der gewerbliche Grundstückshandel nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Ein Bedürfnis hierfür sei gegeben; denn ein Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen könne aufgrund der unterschiedlichen Struktur nicht gezogen werden. Selbst im Handelsrecht bestünden, wie sich aus der Stellungnahme der IHK ergebe, innerhalb der gleichen Branchen divergierende Auffassungen über die für die Einstufung als Sollkaufmann maßgebenden Kriterien. Schließlich dürfte sich auch die Frage erheben, ob nicht vorrangig auf handelsrechtlichem Gebiet im Verfahren über die Handelsregistereintragung über die Rechtsfrage zu entscheiden wäre. Darüber hinaus habe das FG den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Der Stellungnahme der IHK sei keinerlei Beweiswert zuerkannt worden. Zur Klärung der Auffassung der IHK wäre es geboten gewesen, von ihr ein Gutachten über seine (des Klägers) Sollkaufmannseigenschaft einzuholen. In der mündlichen Verhandlung seien keine entsprechenden Beweisanträge gestellt worden, weil noch eine tatsächliche Verständigung mit dem FA angestrebt worden sei. Nachdem es hierzu nicht gekommen sei, hätte das FG entweder von Amts wegen weiter ermitteln oder nochmals in die Beweisaufnahme eintreten müssen. Die Mängel ließen den Schluß zu, daß es bei einer ausreichenden Sachaufklärung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann offen lassen, ob die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rz. 62). Die Beschwerde ist insoweit jedenfalls unbegründet. Zwar hat der BFH über einen Sachverhalt der streitigen Art bisher noch nicht entschieden. Das gibt der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung. Diese ist anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605).
Daß der Sollkaufmann i.S. des §2 HGB gemäß §140 AO 1977 buchführungspflichtig ist, bedarf keiner Klärung, weil sich dies unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Aber auch eine Entscheidung der Frage, ob der Kläger als Immobilienhändler die Voraussetzungen des §2 HGB erfüllt, ist nicht von allgemeinem Interesse; denn die Beurteilung, ob ein gewerbliches Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist in erster Linie eine Frage des Einzelfalles, wobei immer auf das Gesamtbild des Betriebes abzustellen ist (vgl. Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., §2 Rdnr. 9).
Darüber hinaus ist auch die Klärungsfähigkeit der Frage, wann der gewerbliche Grundstückshandel nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, zweifelhaft; die vom FG vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände ist im wesentlichen Tatsachenfeststellung, an die der BFH gemäß §118 Abs. 2 FGO gebunden ist.
Der Frage, ob das Verfahren auszusetzen ist, bis über die Handelsregistereintragung entschieden ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie offensichtlich zu verneinen ist. Darüber, ob die Voraussetzungen des §140 AO 1977 i.V.m. §2 HGB vorliegen, ist im Finanzrechtsweg zu entscheiden.
Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist schon deshalb nicht ordnungsgemäß erhoben, weil der Kläger nicht dargelegt hat, weshalb das FG von Amts wegen zur Einholung der Stellungnahme der IHK verpflichtet gewesen wäre. Das FG hat ausweislich der Entscheidungsgründe die Beteiligten darauf hingewiesen, daß es von sich aus keine umfassende gutachterliche Stellungnahme der IHK einholen werde, und der Kläger hat trotzdem keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt.
Die Entscheidung ergeht im übrigen gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen