Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht: Überlassung der Akten in Wohnräume
Leitsatz (NV)
1. Ist das finanzgerichtliche Verfahren, in dem Akteneinsicht begehrt wird, durch eine Entscheidung in der Sache bereits abgeschlossen, ist die Beschwerde gegen den die Akteneinsicht versagenden Beschluss unzulässig.
2. Im finanzgerichtlichen Verfahren kommt die Überlassung der Akten in die Wohn- und Geschäftsräume eines Prozessbevollmächtigten nur ausnahmsweise in Betracht; nichts anderes gilt für die Überlassung der Akten in die privaten Wohnräume eines nicht durch Bevollmächtigte vertretenen Beteiligten.
Normenkette
FGO § 78 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1
Verfahrensgang
FG München (Beschluss vom 07.06.2004; Aktenzeichen 2 V 4693/03, 2 V 4817/03, 2 K 3650/03) |
Gründe
Die Beschwerde wegen Nichtgewährung von Akteneinsicht ist zwar statthaft (§ 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), sie ist jedoch teilweise unzulässig und teilweise nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, soweit sie sich gegen die Ablehnung der Akteneinsicht in den Verfahren 2 V 4693/03 wegen Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1989 bis 1995, Vermögensteuer 1989 bis 1996, Zinsen und Säumniszuschlägen) und 2 V 4817/03 wegen Erlasses einer einstweiligen Anordnung (Vollstreckung) richtet. Denn diese beiden Verfahren sind durch gerichtliche Beschlüsse vom 7. Juni 2004 beendet. Ziel einer Beschwerde gegen die Verweigerung oder die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht durch das Finanzgericht (FG) kann nur sein, das FG anzuweisen, die Akteneinsicht in der beantragten Art zu gewähren. Eine solche Anweisung geht jedoch ins Leere, wenn das finanzgerichtliche Verfahren durch eine Entscheidung in der Sache bereits abgeschlossen ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. August 1998 X B 4/98, BFH/NV 1999, 209).
2. Soweit das FG die Übersendung der Akten in dem noch nicht entschiedenen Hauptsacheverfahren 2 K 3650/03 (wegen Einkommensteuer 1989 bis 2000 und 2002 sowie Vermögensteuer auf den 1. Januar 1989 bis 1. Januar 1996) abgelehnt hat, ist die Beschwerde unbegründet. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Anspruch auf die beantragte Übersendung der Akten an ihre Wohnanschrift.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Nach ständiger Rechtsprechung kommt im finanzgerichtlichen Verfahren die Überlassung der Akten in die Wohn- oder Geschäftsräume eines Prozessbevollmächtigten nur ausnahmsweise in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 1. August 2002 VII B 65/02, BFH/NV 2003, 59, und vom 19. November 2002 V B 166/01, BFH/NV 2003, 484); nichts anderes gilt für die Überlassung der Akten in die privaten Wohnräume eines nicht durch Bevollmächtigte vertretenen Beteiligten.
Die Entscheidung darüber, wo Akteneinsicht gewährt wird, ist eine Ermessensentscheidung. Dabei sind die gegen eine Aktenübersendung sprechenden Interessen (insbesondere Vermeidung von Aktenverlusten, Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Dritten, jederzeitige Verfügbarkeit der Akten) gegenüber den Interessen des Beteiligten oder des Prozessbevollmächtigten an der Übersendung abzuwägen. Die Abwägung hat vor dem Hintergrund der gesetzlichen Grundentscheidung zu erfolgen, wonach die Einsichtnahme der Akten bei Gericht die Regel sein soll. Ausnahmen hiervon sind deshalb auf eng begrenzte Sonderfälle beschränkt (BFH-Beschlüsse vom 29. April 1987 VIII B 4/87, BFH/NV 1987, 796, und vom 23. Juli 2003 VII B 188/03, BFH/NV 2003, 1595, m.w.N.).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG ausgegangen; seine Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Besondere Umstände, die es ausnahmsweise rechtfertigen könnten, der Klägerin die Akten zur Einsicht zu überlassen, hat das FG schon in tatsächlicher Hinsicht nicht feststellen können. Es steht insbesondere nicht fest, dass die Klägerin krankheits- oder behinderungsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, die Akten bei dem nächstgelegenen Amtsgericht einzusehen, an das die Akten versandt waren. Weitere Gründe, aus denen sich die Unzumutbarkeit der Akteneinsicht bei Gericht ergeben könnte, sind weder dargelegt noch aus den Akten ersichtlich. Die Klägerin hat solche Gründe auch im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht.
Aber selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass die Akteneinsicht bei Gericht für sie mit besonderen Mühen verbunden wäre, käme eine Versendung der Akten in die Wohnung der Klägerin nicht in Betracht. Zu Recht hat das FG bei der Ausübung seines Ermessens auch berücksichtigt, dass die rechtzeitige und vollständige Rückgabe der Akten im Interesse der gebotenen Verfahrensbeschleunigung im Streitfall hoch zu bewerten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1401881 |
BFH/NV 2005, 1820 |