Leitsatz (amtlich)
1. Eine gegen eine GmbH verhängte Geldstrafe nach § 890 ZPO a. F. wegen Zuwiderhandlung gegen ein durch einstweilige Verfügung gemäß §§ 1, 13, 25 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb angeordnetes Verbot sowie eine gegen die GmbH verhängte Geldbuße wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3. Januar 1966 (BGBl I, 37) sind als Betriebsausgaben abziehbar.
2. Die mit den genannten Verfahren zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten sind als Betriebsausgaben abziehbar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12; KStG § 6 Abs. 1, § 12
Verfahrensgang
Gründe
A.
Vorlagebeschluß des I. Senats, Sachverhalt
I. Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat durch Beschluß vom 28. April 1982 I R 89/77 (BFHE 135, 531, BStBl II 1982, 556) dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu Nr. 1 und gemäß § 11 Abs. 4 FGO zu Nr. 2 folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Sind eine gegen eine GmbH verhängte Geldstrafe gemäß § 890 der Zivilprozeßordnung (ZPO) a. F. sowie eine gegen die GmbH verhängte Geldbuße wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 3. Januar 1966 (BGBl I, 37) als Betriebsausgaben abzugsfähig?
2. Sind die mit den genannten Verfahren zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten als Betriebsausgaben abzugsfähig?
II. Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, stellt ... her.
a) Durch einstweilige Verfügung des Landgerichts (LG) Köln vom 10. Mai 1971 wurde ihr gemäß §§ 1, 13, 25 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verboten, bestimmte Werbeproben kostenlos zu verteilen. Wegen fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot wurde die Klägerin nach § 890 ZPO in der bis zum 1. Januar 1975 geltenden Fassung - a. F. - durch Beschluß des LG Köln vom 5. Januar 1972, der rechtskräftig wurde, zu einer Geldstrafe von 10 000 DM verurteilt. Sie hatte die Kosten des Bestrafungsverfahrens zu tragen. Die Gerichts- und Anwaltskosten betrugen 3 514,10 DM.
b) Durch Beschluß vom 12. Juli 1971 setzte das Bundeskartellamt gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 GWB - jetzt § 38 Abs. 1 Nr. 11 GWB - i. V. m. §§ 26, 33 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i. d. F. des Gesetzes von 24. Mai 1968 - OWiG - (BGBl I, 481) - jetzt §§ 30, 130 Abs. 1 und 2 OWiG - wegen unzulässiger Preisempfehlungen gegen die Klägerin eine Geldbuße von 3 000 DM fest. Auf den Einspruch hin setzte das Kammergericht (Kartellsenat) durch Beschluß vom 14. Januar 1972 die Geldbuße in gleicher Höhe fest. Die Klägerin hatte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskosten betrugen 460 DM und die Anwaltskosten 6 200 DM.
c) Die Klägerin zog in ihrer Körperschaftsteuererklärung 1972 bei der Ermittlung des Gewinns die Geldstrafe, die Geldbuße und die Verfahrenskosten als Betriebsausgaben ab.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den Abzug dieser Aufwendungen als Betriebsausgaben nicht an.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat sich zur Begründung seiner Entscheidung auf die bisherige Rechtsprechung des BFH gestützt.
2. Die Klägerin hat gegen das Urteil des FG Revision eingelegt, die das FG zugelassen hatte. Sie rügt Verletzung des materiellen Rechts und führt aus, das FG habe den Begriff der Betriebsausgaben verkannt. Die Geldstrafe, die Geldbuße und die Verfahrenskosten seien durch den Betrieb veranlaßt gewesen und daher Betriebsausgaben. Um Betriebsausgaben vom Abzug auszuschließen, bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage, die weder im Körperschaftsteuergesetz (KStG) noch im Einkommensteuergesetz (EStG) enthalten sei.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und den Körperschaftsteuerbescheid 1972 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer nach Abzug der Geldstrafe, der Geldbuße und der Verfahrenskosten als Betriebsausgaben herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und hat sich gegen den Abzug der Geldstrafe und der Geldbuße als Betriebsausgaben ausgesprochen.
3. Der I. Senat will der Revision stattgeben.
Er hält die Geldstrafe, die Geldbuße und die Verfahrenskosten für abziehbare Betriebsausgaben und ist der Ansicht, daß an der entgegengesetzten Rechtsprechung des BFH nicht festgehalten werden könne.
Mit dieser Auffassung setzt sich der I. Senat des BFH nach seiner Meinung in Widerspruch zu den Urteilen des IV. Senats des BFH vom 18. Mai 1972 IV R 122/68 (BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623) und vom 18. Dezember 1975 IV R 12/72, BFHE 118, 307, BStBl II 1976, 370). Der IV. Senat hat auf Anfrage erklärt, daß er der Abweichung nicht zustimme. Daher sieht sich der I. Senat veranlaßt, nach § 11 Abs. 3 FGO eine Entscheidung des Großen Senats herbeizuführen.
Die mit der Verhängung der Geldstrafe und der Geldbuße zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten sind nach Ansicht des I. Senats ebenfalls abziehbare Betriebsausgaben. Der IV. Senat ist mit dem Abzug dieser Kosten einverstanden. Gleichwohl hat der I. Senat dem Großen Senat die Rechtsfrage Nr. 2 gemäß § 11 Abs. 4 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung vorgelegt, weil der Abzug der Verfahrenskosten nach der bisherigen Rechtsprechung vom Abzug der Geldstrafen und Geldbußen abhängig gemacht worden sei.
4. Zum Vorlagebeschluß des I. Senats haben sich der BMF und die Klägerin geäußert.
a) Der BMF begründet seine Auffassung, Geldstrafen und Geldbußen seien nichtabziehbare Betriebsausgaben, im wesentlichen wie folgt:
Wenngleich die betriebliche Veranlassung von Geldstrafen und Geldbußen nicht allgemein ausgeschlossen werden könne, sei deren Abzug als Betriebsausgaben gleichwohl nicht zuzulassen. Dies folge aus der Bedeutung der Sanktion im Rahmen einer Rechtsordnung. Sanktionen würden ihre Bedeutung als Abschreckung und Sühne einbüßen, wenn sie gleichzeitig steuerkürzend anerkannt und damit im Verständnis des Bürgers "begünstigt" würden. Der Staat würde sich damit zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen. Dem sich aus dem Strafrecht ergebenden Abzugsverbot sei der Vorrang vor den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften einzuräumen.
Ein Abzug der Geldstrafen und Geldbußen verstoße auch gegen den Gleichheitssatz. Die Unternehmer, gegen die Geldstrafen oder Geldbußen verhängt würden, dürften nicht besser behandelt werden als Unternehmer, die sich an das Gesetz hielten, und auch nicht besser als Personen, deren Straftat nicht betrieblich veranlaßt sei.
Dies gelte auch, wenn Adressat der Sanktion eine juristische Person sei. Zweck der Geldbuße gegen eine juristische Person sei es, juristische Personen und natürliche Personen sanktionsmäßig gleichzubehandeln.
Auf die Verfahrenskosten träfen dagegen diese Gründe gegen die Abziehbarkeit nicht zu.
b) Die Klägerin geht mit der Begründung des Vorlagebeschlusses einig und bemerkt ergänzend:
Die Einheit der Rechtsordnung könne im Rahmen einer systematischen oder teleologischen Auslegung von Gesetzen eine gewisse Rolle spielen, biete jedoch keine Ermächtigung zur Schaffung neuer ungeschriebener Steuertatbestände oder zu deren Verschärfung außerhalb der Auslegung des Gesetzeswortlauts.
Gegen die Stellungnahme des BMF wendet die Klägerin ein, die Abziehbarkeit von Geldstrafen und Geldbußen bewirke keine Strafminderung, vielmehr ziehe die Nichtabziehbarkeit von Geldstrafen und Geldbußen eine unangemessene und von den die Strafen und Geldbußen festsetzenden Stellen nicht gewollte Strafverschärfung nach sich. Denn die Strafe und die Geldbuße blieben die gleichen und müßten in vollem Umfang bezahlt werden. Ihre Abziehbarkeit führe lediglich dazu, daß abgeflossene Mittel, wie es das Nettoprinzip gebiete, nicht der Besteuerung unterworfen würden. Andernfalls würden Gewinne, die gar nicht vorhanden seien, der Besteuerung unterworfen. Bei Geldbußen gegen Kapitalgesellschaften komme hinzu, daß ihre Nichtabziehbarkeit zu einer Erhöhung der Körperschaftsteuer und damit zu einer Minderung des ausschüttbaren Gewinns führe, was eine zusätzliche Bestrafung der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft zur Folge habe. Seit dem Inkrafttreten des KStG 1977, 1981 führe die Nichtabziehbarkeit der Geldbußen außerdem zu einer Verminderung von "EK 56" mit der Folge, daß Körperschaftsteuerminderungen von 56 v. H. auf 36 v. H. verlorengingen (§§ 27 bis 31 KStG 1977, 1981).
5. Der Große Senat hat den Bundesminister der Justiz (BMJ) um eine Stellungnahme zu Fragen gebeten, welche die Unterscheidung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit sowie zwischen Geldstrafe und Geldbuße und die Bemessung der Geldstrafe und der Geldbuße betreffen. Soweit die Stellungnahme für die Entscheidung des Großen Senats erheblich ist, wird in den Gründen auf sie Bezug genommen.
B. Verfahrensfragen
I. Entsendungsberechtigung
Durch gesonderten Beschluß vom 21. Februar 1983 GrS 2/82 hat der Große Senat in seiner Stammbesetzung (§ 11 Abs. 2 Satz 1 FGO) entschieden, daß im vorliegenden Verfahren der I. Senat, der IV. Senat und der VI. Senat des BFH je einen weiteren Richter zu den Sitzungen des Großen Senats entsenden können. Diese Senate haben von ihrem Entsendungsrecht Gebrauch gemacht.
II. Zulässigkeit der Vorlage
In seiner erweiterten Besetzung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FGO) entscheidet der Große Senat über die Zulässigkeit der Vorlage (BFH-Beschluß vom 30. November 1981 GrS 1/80, BFHE 134, 525, BStBl II 1982, 217 unter B. II.).
Die Vorlage ist, was die Rechtsfrage Nr. 1 betrifft, nach § 11 Nr. 3 FGO, was die Rechtsfrage Nr. 2 betrifft, nach § 11 Abs. 4 FGO zulässig. Zur Begründung wird auf die Gründe des Vorlagebeschlusses Bezug genommen.
C. Entscheidung des Großen Senats über die vorgelegten Rechtsfragen
I. Geldbußen
1. Entwicklung der Rechtsprechung
a) Reichsfinanzhof (RFH) bis zum Jahre 1939
Bis zum Jahre 1939 unterschied der RFH grundsätzlich zwischen Geldstrafen wegen krimineller Straftaten und Geldstrafen oder Geldbußen für Verstöße gegen Ordnungswidrigkeiten oder besondere Betriebsvorschriften. Die Geldstrafen wegen krimineller Straftaten erkannte der RFH als Betriebsausgaben nicht an, auch wenn die Straftaten im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb des Täters standen. Denn maßgebend für die kriminelle Geldstrafe sei die innere Einstellung des Täters, sein schuldhafter Wille, nicht dagegen der Umstand, daß die Straftat in Ausübung eines Gewerbes begangen worden sei. Der enge Zusammenhang der kriminellen Geldstrafe mit der Person des Bestraften überwiege den Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb; die Geldstrafe und ihre Bezahlung fielen damit in die Privatsphäre des Bestraften.
Geldstrafen und Geldbußen für Verstöße gegen Ordnungswidrigkeiten und besondere Betriebsvorschriften waren dagegen nach der Rechtsprechung des RFH bis zum Jahre 1939 abziehbare Betriebsausgaben. Denn ihre Eigenart bestehe darin, daß sie weniger in der Verletzung oder Gefährdung bestimmter Rechtsgüter als vielmehr im reinen Ungehorsam gegen Verbote und Gebote bestünden und sich daher mehr als bloße "Ordnungswidrigkeiten" denn als kriminelle Handlungen darstellten (Urteile vom 31. Oktober 1928 VI A 1147/28, RStBl 1929, 83; vom 20. August 1930 VI A 1386/30, RStBl 1931, 103; vom 20. Januar 1937 VI A 22/37, RStBl 1937, 427; vom 17. August 1938 VI 440/38, RStBl 1939, 229).
b) RFH seit dem Jahre 1939
Im Jahre 1939 änderte der RFH seine Rechtsprechung. Vorausgegangen waren ein unveröffentlichter Erlaß des Reichsministers der Finanzen (RdF) vom 29. November 1937 (s. RStBl 1939, 229, Spalte 1 Fußnote) und ein veröffentlichter Erlaß des RdF vom 4. Februar 1939 (RStBl 1939, 251), in denen angeordnet worden war, daß Ordnungsstrafen künftig nicht mehr abziehbar sein sollten. Der RFH entschied zunächst für den Bereich der Einkommensteuer, dann für den Bereich der Körperschaftsteuer und für den Bereich des Bewertungsgesetzes (BewG), daß Ordnungsstrafen wegen Verfehlungen gegen Wirtschaftsgesetze (in den damaligen Streitfällen: Zuwiderhandlungen gegen die Preisvorschriften) bei der Ermittlung des Gewinns und des Betriebsvermögens nicht abziehbar sind (Urteile vom 8. März 1939 VI 175/39, RFHE 46, 236, RStBl 1939, 507; vom 28. März 1939 I 27/39, RFHE 46, 270, RStBl 1939, 628, und vom 16. Oktober 1941 III 142/41, RFHE 51, 45, RStBl 1941, 973). Zur Begründung berief sich der RFH auf die Entwicklung der Verhältnisse (§ 1 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Die allgemeine Auffassung sei eine andere geworden. Die Ordnungsstrafen, die wegen solcher Verfehlungen verhängt würden, seien stets den gerichtlichen Strafen gleichzusetzen, ihre Verhängung oder Bezahlung könne i. S. des § 12 EStG als betriebsfremder Vorgang nicht den der Einkommensteuer unterliegenden Gewinn des Gewerbebetriebs mindern.
c) Bundesfinanzhof
Der Oberste Finanzgerichtshof (OFH) und der BFH haben an der geänderten Rechtsprechung des RFH festgehalten (OFH-Urteil vom 24. Oktober 1947 IV 12/47 S, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1947, Teil II Spalte 65, BFHE 54, 215; BFH-Urteile vom 21. Juli 1955 IV 373/54 U, BFHE 61, 361, BStBl III 1955, 338; vom 6. November 1968 I R 12/66, BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74; vom 10. September 1957 I 322/56 S, BFHE 65, 471, BStBl III 1957, 415; vom 25. August 1961 VI 99/59 S, BFHE 73, 591, BStBl III 1961, 482; vom 28. Oktober 1977 VI R 194/74, insoweit nicht veröffentlicht; sowie Urteile in BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623, und in BFHE 118, 307, BStBl II 1976, 370).
Der OFH hat die Auffassung zurückgewiesen, der Wandel in der Rechtsprechung des RFH beruhe auf nationalsozialistischem Gedankengut.
In den Entscheidungen des BFH trat allmählich der Gedanke zurück, Geldstrafen und Geldbußen seien deshalb keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten, weil sie nicht in den betrieblichen oder beruflichen Bereich, sondern in den privaten Bereich des Täters fielen. In den Vordergrund trat die Auffassung, wegen der Einheit der Rechtsordnung erscheine es nicht vertretbar, Strafen und mit diesen zusammenhängende Kosten durch Zulassung der steuerlichen Abziehbarkeit teilweise auf die Allgemeinheit zu überwälzen (Beschluß des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105). Ob diese Auffassung bezüglich der Geldstrafen richtig sei, hat der VI. Senat des BFH in seiner Entscheidung über die Abziehbarkeit der Aufwendungen für die Strafverteidigungskosten ausdrücklich offengelassen (Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, BFHE 135, 449, BStBl II 1982, 467).
2. Bezüglich der Geldbußen hält der Große Senat an der bisherigen Rechtsprechung nicht fest.
a) Geldbußen als Betriebsausgaben
Geldbußen nach den Vorschriften des OWiG, auch Geldbußen gegen juristische Personen als Nebenfolge einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit nach § 26 OWiG i. d. F. des Gesetzes vom 24. Mai 1968 - jetzt § 30 OWiG -, um die es sich im Streitfall handelt, sind Betriebsausgaben, wenn die Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb begangen wurde.
aa) Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Die Aufwendungen sind durch den Betrieb veranlaßt, wenn sie objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (vgl. BFHE 135, 449, BStBl II 1982, 467 für die berufliche Veranlassung von Werbungskosten). Die im vorliegenden Verfahren dem Großen Senat vorgelegte Rechtsfrage Nr. 1 hat Geldbußen wegen unzulässiger Preisempfehlungen zum Gegenstand. Hier liegen der objektive und subjektive Zusammenhang mit dem Betrieb der Klägerin offen zutage.
bb) Der Große Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob Straftaten und dafür verhängte Geldstrafen in den Bereich der Lebensführung fallen und deshalb keine Betriebsausgaben sind, wie der RFH entschieden hat (s. oben I. 1. a, b). Denn auf Ordnungswidrigkeiten und dafür verhängte Geldbußen trifft diese Auffassung nicht zu. Das OWiG hat das Ordnungsrecht vom Kriminalunrecht getrennt. Diese Trennung beruht auf der Erwägung, daß Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ihrem Wesen nach verschieden sind. Der BMJ hat in seiner Stellungnahme vom 20. Juli 1983 unter Bezug auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) ausgeführt, der Geldbuße fehle das mit der Kriminalstrafe notwendigerweise verbundene Unwerturteil und damit der Ernst des staatlichen Strafens. Der Zweck der Geldbuße sei es nicht, eine Tat zu sühnen mit dem Ziel, einen Ausgleich für sozialethische Schuld herbeizuführen. Sie sei vielmehr in erster Linie darauf gerichtet, eine bestimmte Ordnung durchzusetzen und aufrechtzuerhalten. Bei der Ordnungswidrigkeit, die im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb begangen wird, überwiegt daher im allgemeinen die Beziehung zum Betrieb, bei der Straftat, die im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb begangen wird, überwiegt im allgemeinen die Beziehung zur Person des Täters.
Die Abgrenzung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ist auf der Ebene der Strafrechtswissenschaft noch nicht vollständig gelungen (vgl. Maurach/Zipf, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl., S. 13 ff.). So wird z. B. erörtert, ob nicht Verstöße gegen das Kartellrecht, die nach geltendem Recht Ordnungswidrigkeiten sind, in Wahrheit Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind (vgl. Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Bd. I S. 643). Steindorff hat in einer Studie, die er im Auftrag des BMJ ausgearbeitet hat, empfohlen, davon abzusehen, Kartellunrecht zu kriminellem Unrecht zu machen (Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht - ZHR - 138 - 1974, 504).
Bei der Schwierigkeit der Frage, wie Straftaten und Ordnungswidrigkeiten voneinander abgegrenzt werden sollen, kann es nicht Aufgabe des Steuerrechts sein, diese Abgrenzung abweichend vom geltenden Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht vorzunehmen. Das Steuerrecht ist vielmehr an die Abgrenzung in diesen beiden Rechtsgebieten gebunden.
b) Der Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben ist nicht ausgeschlossen
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind nach den Vorschriften des EStG und des KStG nicht die Erträge, sondern der Gewinn als Saldo zwischen den Aufwendungen und Erträgen; er ist bei Kaufleuten durch Vermögensvergleich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung unter Beachtung der steuerrechtlichen Vorschriften zu ermitteln (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 bis 7 EStG, § 6 Abs. 1 KStG, § 8 Abs. 1 KStG 1977, 1981). Betriebsausgaben mindern daher den Gewinn, es sei denn, daß das Gesetz einzelne Betriebsausgaben vom Abzug ausschließt.
aa) Die Vorschriften der Steuergesetze enthalten kein Abzugsverbot für Geldbußen
Geldbußen sind in dem Katalog der nichtabziehbaren Ausgaben in § 12 KStG, § 10 KStG 1977, 1981 nicht enthalten.
Ihr Abzug ist in den Fällen, die der Große Senat zu beurteilen hat, auch nicht ausgeschlossen durch § 3 c EStG, § 13 KStG, § 8 Abs. 1 KStG 1977, 1981. Denn die Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten der in den vorgelegten Rechtsfragen genannten Art stehen nicht mit steuerfreien Einnahmen in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang. Die Mehrung des Gewinns durch ordnungswidriges Handeln unterliegt der Besteuerung (§ 5 Abs. 2 StAnpG, § 40 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
§ 4 Abs. 5 EStG, der auch im Körperschaftsteuerrecht gilt (§ 6 Abs. 1 KStG, § 8 Abs. 1 KStG 1977, 1981), enthält ebenfalls kein Abzugsverbot für Geldbußen.
Schließlich kann auch aus § 12 EStG kein Abzugsverbot hergeleitet werden. Abgesehen davon, daß die vorgelegten Rechtsfragen körperschaftsteuerpflichtige Gebilde betreffen und § 12 EStG im Körperschaftsteuerrecht nicht gilt (vgl. § 15 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung - KStDV - 1964, Abschn. 26 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1977), sind es allenfalls Geldstrafen wegen Straftaten, aber nicht Geldbußen für Ordnungswidrigkeiten, welche die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren.
Ob Geldbußen wegen Steuerordnungswidrigkeiten (§§ 403f. der Reichsabgabenordnung - AO -, § 377 AO 1977) nicht abziehbar sind, etwa weil die Steuern, die sie betreffen, ebenfalls nicht abziehbar sind (§ 12 Nr. 3 EStG, § 12 Nr. 2 KStG, § 10 Nr. 2 KStG 1977, 1981), kann auf sich beruhen, da derartige Geldbußen nicht Gegenstand der vorgelegten Rechtsfragen sind.
bb) Auch die Vorschriften des OWiG und des Strafgesetzbuches (StGB) enthalten kein Abzugsverbot für Geldbußen
(1) Aus § 257 StGB (Begünstigung) und § 258 StGB (Strafvereitelung) kann ein Abzugsverbot für Geldbußen nicht hergeleitet werden. Einmal ist es fraglich, ob eine Abziehbarkeit der Geldbußen als Sicherung der Vorteile der Tat anzusehen ist (§ 257 StGB) und einer Zahlung der Geldbuße durch einen Dritten gleichkommt (§ 258 Abs. 2 StGB). Außerdem gelten diese Vorschriften nur, wenn die Vortat eine Straftat ist; sie gelten nicht, wenn die Vortat eine Ordnungswidrigkeit ist (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB; Lackner, Strafgesetzbuch, 15. Aufl., § 257 Anm. 2; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 21. Aufl., § 257 Tz. 4).
(2) Auch das sog. "Netto-Prinzip" für die Bemessung einer Geldstrafe, das in § 40 Abs. 2 StGB seinen Ausdruck gefunden hat, enthält nicht das Verbot, Geldbußen bei der Ermittlung des Gewinns abzuziehen.
Das Netto-Prinzip im Strafrecht besagt, daß die Geldstrafe nach dem Nettoeinkommen des Täters zu bemessen ist. Bei der Berechnung dieses Nettoeinkommens sind die Steuern abzuziehen (Lackner, a. a. O., § 40 Anm. 6a; Schönke/Schröder, a. a. O., § 40 Tz. 9).
Der Große Senat kann offenlassen, ob aus dem Abzug der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer bei der Ermittlung des Nettoeinkommens zur Bemessung der Geldstrafe folgt, daß die Geldstrafe, falls sie eine Betriebsausgabe wäre (s. dazu oben I, 2a) bb)), bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns nicht abgezogen werden darf (Tanzer, Die gewinnmindernde Abzugsfähigkeit von Geldstrafen im Abgabenrecht, Wien 1983, 105 ff.). Denn das Netto-Prinzip gilt nicht oder nur eingeschränkt für die Bemessung der Geldbuße.
Nach § 17 Abs. 4 OWiG - im Streitjahr § 13 Abs. 4 OWiG - soll die Geldbuße "den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat", übersteigen. Nach § 38 Abs. 4 GWB kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 1 Mio. DM - im Streitjahr bis zu 100 000 DM -, über diesen Betrag hinaus "bis zur dreifachen Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlangten - im Streitjahr: erzielten - Mehrerlöses" geahndet werden.
Bei der Ermittlung des "wirtschaftlichen Vorteils" (§ 17 Abs. 4 OWiG) sowie bei der Ermittlung des "Mehrerlöses" (§ 38 Abs. 4 GWB) ist die Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, die auf den wirtschaftlichen Vorteil und auf den Mehrerlös entfällt, nicht abzuziehen (Beschluß des Bundeskartellamts vom 28. Dezember 1971 B 3 - 463210 - A 63/71 "Linoleum", Wirtschaft- und Wettbewerb - WuW - 1972, 254; Urteil des Kammergerichts vom 28. November 1972 Kart. 4/72 "Linoleum", WuW 1973, 273; BGH-Beschluß von 19. September 1974 KRB 2/74, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1975, 269; Beschluß des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29. Mai 1980 3 Ob Owi 174/79, Der Betrieb - DB - 1980, 2081). Der BGH hat klar unterschieden zwischen Abzug der Steuern bei Ermittlung des Mehrerlöses nach § 38 Abs. 4 GWB und Abzug der Steuern bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach § 13 Abs. 3 Satz 2 OWiG - jetzt § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG -. Nicht bei der Ermittlung des Mehrerlöses nach § 38 Abs. 4 GWB, sondern nur bei Berücksichtigung der "wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters", die nach § 13 Abs. 3 Satz 2 OWiG - jetzt § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG - "in Betracht" kommen, billigt der BGH einen Abzug der Steuern. Dieser Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters hat, wie sich auch aus dem Urteil des Kammergerichts in WuW 1973, 273, 287 ergibt, nur eine gewisse Kontrollfunktion.
Der "wirtschaftliche Vorteil" nach § 17 Abs. 4 OWiG und der "Mehrerlös" nach § 38 Abs. 4 GWB rücken damit in die Nähe zu dem durch eine Straftat erlangten "Vermögensvorteil", dessen Verfall nach §§ 73, 73a StGB angeordnet werden kann (vgl. auch § 30 Abs. 5 OWiG) und bei dessen Ermittlung die Einkommensteuer ebenfalls nicht abzuziehen ist (BGH-Urteil vom 18. Dezember 1981 2 StR 121/81, Juristenzeitung - JZ - 1982, 216).
(3) Durch die Abziehbarkeit der Geldbuße bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns wird allerdings die Härte der Geldbuße erheblich gemildert. Die Vermögensminderung des Täters durch Geldbuße und Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ist, wenn die Geldbuße bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens abziehbar ist, geringer, als wenn sie nicht abziehbar ist. Dieses Ergebnis kann durch eine Erhöhung der Geldbuße nur in beschränktem Umfang vermieden werden, weil jede Erhöhung der Geldbuße auch den Steuervorteil erhöht und die Höchstgrenzen für die Geldbuße zu beachten sind.
Die Milderung der Härte durch Abziehbarkeit der Geldbuße bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns ist steuerrechtlich und strafrechtlich unterschiedlich zu würdigen.
Steuerrechtlich ist der Abzug der Geldbuße bei der Ermittlung des Gewinns eine notwendige Folge des steuerrechtlichen Netto-Prinzips. Der Steuerpflichtige erfüllt durch Zahlung der Geldbuße den Tatbestand einer Betriebsausgabe. Diese ist bei der Ermittlung des Gewinns abzuziehen. Das BVerfG hat das steuerrechtliche Netto-Prinzip, das ein Ausfluß der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist (Tipke, Steuerrecht, 9. Aufl., S. 151 f.), grundsätzlich anerkannt, dem Gesetzgeber aber zugestanden, einzelne Betriebsausgaben vom Abzug auszuschließen (Beschluß vom 7. November 1972 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103, Betriebs-Berater - BB - 1973, 321). Von dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber bei Geldbußen keinen Gebrauch gemacht. Aus dem steuerrechtlichen Schuldverhältnis heraus besteht auch kein Anlaß, Geldbußen vom Abzug als Betriebsausgaben auszuschließen.
Anders verhält es sich bei einer strafrechtlichen Würdigung. Wie der BMJ in seinem Schreiben vom 20. Juli 1983 ausgeführt hat, dient die Geldbuße, auch die Geldbuße gegen juristische Personen und Personenvereinigungen als Nebenfolge einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, nicht nur der Gewinnabschöpfung, sondern auch dem Zweck, ein unlauteres Gewinnstreben angemessen zu bekämpfen. Dieser Zweck würde nach Auffassung des BMJ verfehlt werden, wenn die Geldbuße bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Einkommens abziehbar wäre.
Diese Überlegungen könnten es gebieten, Geldbußen allgemein oder in bestimmten Bereichen vom Abzug als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns auszuschließen. Das Abwägen zwischen dem steuerrechtlichen Netto-Prinzip, das die Abziehbarkeit der Geldbußen als Betriebsausgaben gebietet, und dem strafrechtlichen Zweck der Geldbuße, ein unlauteres Gewinnstreben präventiv zu bekämpfen, das die Nichtabziehbarkeit der Geldbuße als Betriebsausgabe nahelegt, ist jedoch Sache des Gesetzgebers und nicht Sache des Richters.
cc) Verfassungsrechtliche Grundsätze verbieten den Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben nicht
Unter zwei Gesichtspunkten wird geltend gemacht, der Abzug der Geldbußen als Betriebsausgaben verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -). Einmal wird die Auffassung vertreten, bei einer Abziehbarkeit der Geldbußen werde der Unternehmer, der gegen ein Gesetz verstoße, besser behandelt als der Unternehmer, der sich gesetzestreu verhalte. Ferner wird geltend gemacht, bei einer Abziehbarkeit der Geldbußen würden die Personen, bei denen die Geldbußen durch eine Einkunftsart veranlaßt seien, besser behandelt als die Personen, bei denen es an dieser Veranlassung fehle.
Beide Einwendungen gegen die Abziehbarkeit von Geldbußen als Betriebsausgaben sind nicht stichhaltig.
(1) Richtig ist, daß unter sonst gleichen Umständen der Unternehmer, der in Ausübung seines Gewerbes eine Ordnungswidrigkeit begeht und dafür eine Geldbuße zu zahlen hat, bei einer Abziehbarkeit dieser Geldbuße weniger Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer schuldet als der Unternehmer, der sich gesetzestreu verhält. Aber durch die Abziehbarkeit der Geldbuße wird hier nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches ungleich behandelt. Der Unternehmer, der eine Geldbuße zu zahlen hat, erzielt wegen des Abzugs der Geldbuße als Betriebsausgabe einen niedrigeren Gewinn als der gesetzestreue Unternehmer. Die beiden Unternehmer mögen gleichhohe Erträge erzielt haben, aber sie haben nicht gleichhohe Aufwendungen gehabt.
(2) Richtig ist auch, daß eine Person, deren ordnungswidriges Handeln durch eine Einkunftsart veranlaßt ist, durch die Abziehbarkeit der Geldbuße den Vorteil der Minderung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer hat, den eine Person, bei der es an einer Veranlassung durch eine Einkunftsart fehlt, nicht hat. Aber auch hier wird nicht Gleiches ungleich, sondern Ungleiches ungleich behandelt. Die beiden Personen unterscheiden sich in der Veranlassung der Geldbuße. Wenn das Gesetz in § 4 Abs. 4 EStG (§ 9 EStG) allgemein die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben (oder Werbungskosten) daran knüpft, daß die Aufwendungen durch eine Einkunftsart veranlaßt sind, kann die Abziehbarkeit der durch eine Einkunftsart veranlaßten Geldbuße bei Nichtabziehbarkeit der nicht durch eine Einkunftsart veranlaßten Geldbuße kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz sein, es sei denn, man wollte die Auffassung vertreten, die unterschiedliche Behandlung der durch eine Einkunftsart veranlaßten Aufwendungen gegenüber anderen Aufwendungen verstoße selbst gegen den Gleichheitssatz.
dd) Der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung rechtfertigt kein Verbot des Abzugs von Geldbußen als Betriebsausgaben
Neben der Verweisung auf das Strafrecht (dazu oben Nr. I 2 b) bb)) wird mit dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung geltend gemacht, es erscheine nicht vertretbar, Strafen und Geldbußen durch Zulassen der steuerlichen Abziehbarkeit teilweise auf die Allgemeinheit zu überwälzen (BFHE 124, 43, 51, BStBl II 1978, 105). Diese Überlegung erweist sich bei näherer Prüfung als nicht geeignet, die Nichtabziehbarkeit von Geldbußen zu begründen. Von einem "Überwälzen auf die Allgemeinheit" könnte man nur dann sprechen, wenn durch den Abzug der Betriebsausgaben ein bestehender Steueranspruch des Staates gekürzt würde. Das ist nicht der Fall; der Abzug der Betriebsausgaben dient der Feststellung des Steueranspruchs, er begrenzt ihn unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Der Abzug der Betriebsausgaben ist daher kein "Steuervorteil", wie ihn der BMJ im Schreiben vom 20. Juli 1983 (S. 11) nennt, sondern eine notwendige Folge des steuerrechtlichen Netto-Prinzips.
ee) Keine Lücke im Gesetz
Ein Abzugsverbot für Geldbußen ist nicht im Plan des Gesetzes erkennbar, so daß keine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt (vgl. Woerner in Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, Köln, 1982, 23 ff.). Soweit das Gesetz einzelne Betriebsausgaben vom Abzug ausschließt, läßt es nicht erkennen, daß darunter auch Geldbußen fallen sollen. Außerdem enthält das Gesetz Vorschriften, die gegen ein Abzugsverbot sprechen. Nach § 5 Abs. 2 StAnpG, § 40 AO 1977 wird auch ein Gewinn besteuert, der aus einem gesetz- oder sittenwidrigen Handeln entspringt. Das Steuerrecht erweist sich insoweit als wertneutral. Dann erscheint es nicht "planwidrig", die Aufwendungen, welche ebenfalls eine Folge des gesetz- oder sittenwidrigen Handelns sind - und damit auch die Zahlung von Geldbußen -, bei der Ermittlung des steuerrechtlichen Gewinns abzuziehen.
Bei dieser Sachlage ist es ausgeschlossen, daß der Richter im Wege einer Lückenausfüllung zu einem Verbot des Abzugs von Geldbußen als Betriebsausgaben gelangt.
II. Geldstrafen nach § 890 ZPO a. F.
Die Geldstrafe nach § 890 ZPO a. F. - jetzt: Das Ordnungsgeld nach § 890 ZPO - wegen Zuwiderhandlung gegen eine rechtskräftig festgestellte zivilrechtliche Verpflichtung zu einem Tun oder zu einem Unterlassen enthält "strafrechtliche Elemente" und setzt deshalb ein Verschulden voraus (BVerfG-Beschlüsse vom 25. Oktober 1966 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323 zu § 890 ZPO a. F., und vom 14. Juli 1981 1 BvR 575/80, BVerfGE 58, 159 zu § 890 ZPO n. F.). Andererseits fehlt dieser Zuwiderhandlung die Eigenschaft eines kriminellen Unrechts. Sie steht damit den Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten näher als den Geldstrafen wegen Straftaten, zumal auch die Geldbußen "strafrechtliche Elemente" enthalten und deshalb ebenfalls ein Verschulden des Täters voraussetzen (§ 10 OWiG). Daher ist die ihretwegen verhängte Geldstrafe (nunmehr Ordnungsgeld) unter den gleichen Voraussetzungen und aus den gleichen Gründen abziehbare Betriebsausgabe, wie dies für die Geldbußen dargelegt ist.
III. Gerichts- und Anwaltskosten
Der VI. Senat des BFH hat mit Zustimmung des I. Senats und des IV. Senats entschieden, daß Aufwendungen für die Strafverteidigung abziehbare Werbungskosten sein können (BFHE 135, 449, BStBl. II 1982, 467). Der Große Senat teilt diese Auffassung; sie gilt in gleicher Weise für die Abziehbarkeit der Anwaltskosten als Betriebsausgaben und für den Abzug der Gerichtskosten als Betriebsausgaben. Die Gerichtskosten sind der Teil der Kosten, der als Abgabe für die Inanspruchnahme des Gerichts erhoben wird (Eberl in Eckert/Böttcher, Steuerberatergebührenverordnung, S. 599). Sie können daher nicht den Geldstrafen oder Geldbußen gleichgestellt werden.
IV. Der Große Senat entscheidet damit wie folgt:
1. Eine gegen eine GmbH verhängte Geldstrafe nach § 890 ZPO a. F. wegen Zuwiderhandlung gegen ein durch einstweilige Verfügung gemäß §§ 1, 13, 25 UWG angeordnetes Verbot sowie eine gegen die GmbH verhängte Geldbuße wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 Satz 2 GWB sind als Betriebsausgaben abziehbar.
2. Die mit den genannten Verfahren zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten sind als Betriebsausgaben abziehbar.
Fundstellen
Haufe-Index 74776 |
BStBl II 1984, 160 |
BFHE 140, 50 |
BFHE 1984, 50 |
ZIP 1984, 365 |