Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteilsbegründung durch Verweisung auf einen Gerichtsbescheid
Leitsatz (NV)
Ein Urteil ist nicht mit Gründen versehen, wenn der Gerichtsbescheid, auf den verwiesen wird, nicht ausreichend begründet ist oder nach Erlaß des Gerichtsbescheids vorgetragene wesentliche neue Gesichtspunkte übergangen worden sind.
Normenkette
FGO § 90a Abs. 4, § 116 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren 1989 und 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger gewährte im Jahr 1988 ein Darlehen nach §17 des Berlinförderungsgesetzes. Zur Refinanzierung nahm er selbst ein Darlehen auf. Der Darlehensvertrag sah keine laufende Tilgung vor. Statt dessen sollte das Refinanzierungsdarlehen zum vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt in voller Höhe getilgt werden. Für die Tilgung schloß der Kläger eine Kapitallebensversicherung mit entsprechender Fälligkeit ab. Die jährlichen Versicherungsbeiträge machte er als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) versagte den Werbungskostenabzug.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 950). Das Finanzgericht (FG) begründete das Urteil nach der Darstellung des Tatbestands nur durch folgende Verweisung: "Wegen der Entscheidungsgründe verweist der Senat auf den in diesem Verfahren ergangenen Gerichtsbescheid."
Mit der Revision machen die Kläger geltend, das Urteil sei nicht mit Gründen versehen. In der mündlichen Verhandlung sei von den Klägern durch Vorlage der Darlehens- und Finanzierungsunterlagen dargelegt worden, daß den Versicherungsbeiträgen die steuerpflichtigen Zinseinkünfte aus dem Berlindarlehen gegenüberstünden und aufgrund des gegebenen Sachzusammenhangs der Werbungskostenabzug gerechtfertigt sei. Dieses Ergebnis der mündlichen Verhandlung habe das FG in den Urteilsgründen würdigen müssen.
Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer der Jahre 1989 und 1991 unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten in Höhe von jeweils ... DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig und daher durch Beschluß zu verwerfen ( §126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs findet abweichend von §115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen hat. Ohne vorherige Zulassung durch das FG oder den BFH ist die Revision daher nur zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. von §116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Ein solcher Verfahrensmangel ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen -- ihre Richtigkeit unterstellt -- einen der in §116 Abs. 1 FGO genannten Mängel ergeben (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH- Entscheidungen vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568; vom 29. Juni 1989 V B 72/89, BFHE 157, 308, BStBl II 1989, 850, und vom 21. September 1994 VIII R 80--82/93, BFH/NV 1995, 416). Im Streitfall ergibt sich aus dem Revisionsvortrag nicht schlüssig, daß der Verfahrensmangel des §116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gegeben ist.
Der Mangel, nicht mit Gründen versehen zu sein, haftet der Vorentscheidung nicht bereits allein deshalb an, weil das Urteil auf den in derselben Sache ergangenen Gerichtsbescheid verwiesen hat. Grundsätzlich ist eine derartige Verweisung nach §90 a Abs. 4 FGO zulässig. Ausnahmen vom Grundsatz könnten gerechtfertigt sein, wenn der Gerichtsbescheid, auf den verwiesen wird, seinerseits keine ausreichende Begründung enthielte oder wenn nach Erlaß des Gerichtsbescheids vorgetragene wesentliche neue Gesichtspunkte begründungslos übergangen worden wären (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 29. Juli 1992 II R 14/92, BFHE 169, 1, BStBl II 1992, 1043; vom 20. Mai 1994 VI R 10/94, BFHE 174, 391, BStBl II 1994, 707, und BFH-Beschluß vom 27. Februar 1996 IV R 41/95, BFH/NV 1996, 623). Indes läßt der Tatsachenvortrag der Kläger solche Umstände nicht erkennen. Insbesondere ist der unsubstantiierte Vortrag zu den Gründen, die in der mündlichen Verhandlung des FG geltend gemacht wurden, ungenügend. Die Revisionsbegründung läßt insoweit nicht schlüssig erkennen, daß wesentlich neue Gesichtspunkte vorgetragen wurden, die eine zusätzliche Begründung über den Gerichtsbescheid hinaus hätten erforderlich machen können.
Fundstellen
Haufe-Index 302842 |
BFH/NV 1998, 1509 |