Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungsanforderungen bei NZB/Kumulative Begründung des FG-Urteils
Leitsatz (NV)
1. Die bloße Behauptung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer nationalen Bestimmung genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Zulassungsgrundes bei einer NZB.
2. Aus dem Vortrag, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall noch nicht entschieden, ergibt sich nicht, dass die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist.
3. Hat das FG sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss hinsichtlich jeder Urteilsbegründung ein Zulassungsgrund dargelegt werden und vorliegen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat keinen Erfolg.
1. Im Hinblick auf die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) trägt die Klägerin vor, die vom Finanzgericht (FG) vorgenommene Auslegung des § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) verstoße ihres Erachtens gegen Art. 14 Abs. 1 und Art. 11 Teil B Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage bzw. gegen die nunmehr geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in den Art. 144, 86 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. Vor diesem Hintergrund sei zu prüfen, ob nach Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft eine Pflicht zur Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bestehe. Es genüge, wenn dargetan werde, dass zu einer Vorlage an den EuGH führende Zweifel an der Gültigkeit einer entscheidungserheblichen Norm bestehen könnten (Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 59, m.w.N.).
Dieses Vorbringen genügt den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO jedoch nicht. Denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, aus welchen Gründen Zweifel an der Vereinbarkeit von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG mit den genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen bestehen sollen. Die bloße Behauptung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer nationalen Bestimmung vermag eine entsprechende substantiierte Darstellung nicht zu ersetzen.
2. Zum behaupteten Erfordernis einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO zur Fortbildung des Rechts führt die Klägerin lediglich aus, dass zu der Rechtsfrage, wie § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG auszulegen sei, offensichtlich bislang keine finanzgerichtliche Rechtsprechung existiere. Andernfalls hätte das FG auf diese Rechtsprechung Bezug genommen. Daher handele es sich um eine ungeklärte Rechtsfrage. Diese entfalte auch eine Breitenwirkung, weil sich im Rahmen der Globalisierung die Einfuhrumsätze deutscher Unternehmen ständig erhöhten.
Auch dieses allgemein gehaltene Vorbringen entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn aus dem Vortrag, der BFH habe über einen vergleichbaren Fall oder über eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden, ergibt sich nicht, dass die zu entscheidende Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 38, 34, m.w.N.).
Mit ihrem Vorbringen, das FG verkenne, dass der erste Bestimmungsort erst der Ort sein könne, an dem die Ware in vertragsgemäßem Zustand ankomme, hat die Klägerin ebenfalls einen Zulassungsgrund nicht schlüssig dargelegt. Denn sie hat nicht dargetan, aus welchen Gründen es auf den vertragsgemäßen Zustand ankommen soll und dass diese Frage in Rechtsprechung oder Schrifttum umstritten und damit klärungsbedürftig sei.
3. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, das FG habe es ihr gegenüber versäumt, das Fehlen von Nachweisen anzusprechen, rügt sie sinngemäß eine Verletzung der Hinweispflicht nach § 76 Abs. 2 FGO. Ein Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ergibt sich daraus jedoch nicht, weil die Klägerin nicht dargelegt hat, inwiefern das FG-Urteil darauf beruht.
Denn sie beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf das Vorbringen, das FG habe es nicht für erforderlich gehalten, sie darauf hinzuweisen, dass trotz der Schreiben der Firma A vom 20. Mai 2003 bzw. 15. Juli 2003 noch nachvollziehbare Belege dafür fehlten, dass die Kosten für die Leistungen in der Bemessungsgrundlage für die Einfuhr enthalten seien. Die Klägerin berücksichtigt jedoch schon nicht, dass das FG den fehlenden formellen Nachweis nur zusätzlich neben der Begründung angeführt hat, bereits die materiellen Voraussetzungen der in § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG enthaltenen Steuerbefreiung seien nicht erfüllt gewesen. Hat das FG sein Urteil kumulativ begründet, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, so muss hinsichtlich jeder Urteilsbegründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667). Dies ist im Streitfall jedoch nicht gegeben. Auch das zusätzliche Vorbringen der Klägerin, das FG habe im Rahmen der materiell-rechtlichen Prüfung der Steuerbefreiung offensichtlich einem Schreiben der Oberfinanzdirektion X Gesetzeskraft beigemessen, vermag insoweit keinen Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zu begründen.
4. Mit ihrem ergänzenden Vortrag, das FG habe das Vorliegen der Voraussetzungen von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG bzw. der dieser nationalen Vorschrift zugrunde liegenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zu Unrecht verneint, rügt die Klägerin die inhaltliche Richtigkeit des FG-Urteils, womit jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 26. November 2008 IX B 141/08, nicht veröffentlicht), zumal auch keine Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler bestehen, der ausnahmsweise eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rechtfertigen könnte.
Fundstellen