Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff des Milcherzeugers i. S. der Vorschriften über die Milchabgabe
Leitsatz (NV)
Milcherzeuger i. S. der Vorschriften über die Milchabgabe kann nur derjenige sein, der den milcherzeugenden Betrieb oder die Produktionsmittel in eigener Verantwortung leitet und bewirtschaftet. Wenn die Milch auf dem Hof einer best. Person erzeugt wird, kann sie allenfalls dann von einer anderen Person erzeugt angesehen werden, wenn eine klare und zweifelsfreie Trennung von Betrieb, Ablieferung und Abrechnung gewährleistet ist.
Normenkette
MGVO § 3; EWGV 804/68 Art. 5c Abs. 1; EWGV 857/84 Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Buchst. c, d
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist Milcherzeuger. Er begehrt die Aussetzung der Vollziehung der Berechnung der Milchabgabe i. S. des Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 (VO Nr. 804/68) des Rates vom 27. Juni 1968 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 148/13; Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung - VSF - M 0219) für den Zwölfmonatszeitraum 1988/89 und hinsichtlich bereits einbehaltener Milchabgabe deren Aufhebung.
Im Zwölfmonatszeitraum 1988/89 betrug die dem Antragsteller zustehende Anlieferungs-Referenzmenge i. S. des § 3 der Milch - Garantiemengen - Verordnung (MGVO) . . . kg. Im Dezember 1988 gründete der Antragsteller gemeinsam mit dem Landwirt Z eine GmbH zur Erzeugung und Vermarktung von Milch. Im Gesellschaftsvertrag wurde u. a. vereinbart: Z stellt der Gesellschaft ein Milchkontingent zur Verfügung, erhält dafür eine Vergütung von . . . DM pro kg/Jahr und liefert das Heu, welches er auf seiner Fläche von . . . ha produziert. Klarstellend erklärten der Antragsteller und Z vor dem Finanzgericht (FG), dieser Gesellschaftsvertrag sei dahin zu verstehen, daß Z seinen gesamten Betrieb der Gesellschaft zur Nutzung und Futtergewinnung zur Verfügung stelle. Der Antragsteller wurde zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt.
Im Januar 1989 erteilte die zuständige Landwirtschaftskammer eine Bescheinigung über den Übergang einer Referenzmenge von Z auf die neu gegründete GmbH in Höhe von . . . kg. Als am . . . Januar 1989 die Referenzmenge des Antragstellers erschöpft war, pachtete die GmbH von ihm am gleichen Tag einen Boxenlaufstall mit den darin stehenden Milchkühen. Gleichzeitig schloß der Antragsteller mit der GmbH einen Arbeitsvertrag. Dabei wurde u. a. vereinbart, daß der Antragsteller nicht verpflichtet sei, für die GmbH zu arbeiten, wenn diese ihr Milchkontingent ausgeschöpft habe. Daraufhin lieferte der Antragsteller für die GmbH Milch in Anrechnung auf das der GmbH übertragene Kontingent, und zwar an den Käufer (Molkerei), den er auch selbst beliefert hatte. Der Pachtvertrag zwischen der GmbH und dem Antragsteller endete im März 1989 mit einer Anlieferung für die GmbH in Höhe von . . . kg.
Im April 1989 teilte die Molkerei dem Antragsteller mit, daß die gesamte erzeugte Milchmenge ihm zuzurechnen sei. Am . . . April 1989 berechnete die Molkerei in der Abrechnung des Zwölfmonatszeitraums 1988/89 die noch zu zahlende Milchabgabe auf . . . DM; dabei berücksichtigte sie sämtliche Anlieferungen einschließlich jener für die GmbH in Höhe von insgesamt . . . kg und die Referenzmenge des Antragstellers in Höhe von . . . kg.
Der Antragsteller legte Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung, die der Bekalgte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA -) ablehnte. Der entsprechende Antrag beim FG hatte keinen Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung wie folgt:
Es bestünden keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Antragsteller schulde die Abgabe für die gesamte in seinem Betrieb erzeugte Milch. Er allein sei Milcherzeuger nach Art. 12 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (VO Nr. 857/84) des Rates vom 31. März 1984 (AblEG L 90/13; VSF M 7050). Die GmbH sei kein Milcherzeuger. Ihr Betrieb sei nicht der Landwirtschaft zuzurechnen. Es fehle die für eine landwirtschaftliche Betriebsleitung nötige, auf Dauer angelegte Milcherzeugung unter Nutzung von der Milcherzeugung dienenden Flächen.
Das FG hat die Beschwerde ausdrücklich zugelassen.
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend:
Der GmbH stünden ganzjährig die landwirtschaftlichen Nutzflächen von Z zur Milcherzeugung zur Verfügung. Eine Erklärung vom . . . Januar 1989, die das verdeutliche, werde beigefügt. Die Voraussetzung, daß die Milcherzeugung auf Dauer angelegt sein müsse, sei erfüllt, da die GmbH für die Dauer gegründet worden sei. Es müsse nicht unbedingt ganzjährig Milch erzeugt werden. Außerdem sei die GmbH schon allein deshalb als Milcherzeuger i. S. des Art. 12 Buchst. c VO Nr. 857/84 anzusehen, weil ihr die Übertragungsbescheinigung der Landwirtschaftskammer erteilt worden sei.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist zulässig. Wie der Senat mit Beschluß vom 16. Juli 1985 VII B 53/85 (BFHE 143, 523, BStBl II 1985, 553) entschieden hat, kann der Milcherzeuger die Festsetzung der Milchabgabe, die in der Anmeldung der Molkerei nach § 11 Abs. 3 MGVO zu sehen ist, anfechten und die Aussetzung der Vollziehung beantragen.
Der Aussetzungsantrag ist aber nicht begründet. Nach der im vorliegenden Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung gelangt der Senat zum Ergebnis, daß keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts vorliegen. Der Antrag könnte nur dann Erfolg haben, wenn die Milchanlieferungen ab . . . Januar 1989 nicht dem Antragsteller zugrechnet werden müßten, weil nicht dieser, sondern die GmbH Erzeuger dieser Milch war. Das FG ist jedoch zu Recht zum Ergebnis gelangt, daß insoweit der Antragsteller selbst als Erzeuger anzusehen ist.
Die Milchabgabe wird vom Milcherzeuger erhoben (§ 3 MGVO; vgl. auch Art. 5 c Abs. 1 VO Nr. 804/68 und Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 857/84). Wer Erzeuger ist, ergibt sich aus Art. 12 Buchst. c und d VO Nr. 857/84. Danach kommt nur demjenigen die Erzeugereigenschaft zu, der den milcherzeugenden Betrieb oder die Produktionsmittel in eigener Verantwortung leitet und bewirtschaftet. Hintergrund dieser engen Verknüpfung von Milcherzeugung und Betrieb ist das für die Durchführung der Milch-Garantiemengenregelung zwingende Erfordernis einer eindeutigen personellen Zuordnung der in einem Betrieb erzeugten Milchmenge. Denn die Feststellung der Höhe der Milchabgabe hängt entscheidend von der genauen Kenntnis davon ab, welcher Person die Ablieferung zugerechnet werden muß. Daher kann, wenn - wie hier - die Milch auf dem Hof einer bestimmten Person erzeugt wird, diese Milch allenfalls dann als von einer anderen Person erzeugt angesehen werden, wenn eine klare und zweifelsfreie Trennung von Betrieb, Ablieferung und Abrechnung gewährleistet ist. Das ist hier aber nicht der Fall.
Die Milchmenge, die Gegenstand des angefochtenen Bescheids ist, stammt von den dem Antragsteller gehörenden, in seinem Boxenlaufstall stehenden Milchkühen. Rein äußerlich hat sich daran auch nach dem . . . Januar 1989 nichts geändert. Ab diesem Zeitpunkt - zu dem die dem Antragsteller zustehende Referenzmenge aufgrund seiner bisherigen Milchanlieferungen erschöpft war - lieferte aber der Antragsteller die Milch im Namen der GmbH an die Molkerei. Grundlage für die Änderung der Zuordnung der Anlieferung war der Gründungsvertrag der GmbH und die Tatsache, daß der Antragsteller am . . . Januar 1989 seinen Boxenlaufstall mit Kühen der GmbH verpachtet hatte. Diese Umstände können bei summarischer Prüfung jedoch nicht dahin gewertet werden, daß durch sie mit der erforderlichen Deutlichkeit die Betriebe voneinander getrennt sowie die Leitung und Bewirtschaftung der auf dem Hof des Antragstellers befindlichen Produktionseinheiten auf die GmbH übertragen worden sind.
Unter dem Gesichtspunkt der Leitung der Produktionseinheiten i. S. von Art. 12 Buchst. c VO Nr. 857/84 muß gefordert werden, daß deren Nutzung vollständig auf die GmbH übergegangen und dem landwirtschaftlichen Betrieb der GmbH angegliedert worden ist. Unter dem Gesichtspunkt der Bewirtschaftung der Produktionseinheiten i. S. des Art. 12 Buchst. d VO Nr. 857/84 ist zu verlangen, daß die Betriebe bzw. Produktionseinheiten einerseits des Antragstellers, andererseits der GmbH getrennt gehalten und die erzeugten Mengen jedenfalls in einer Weise festgestellt werden können, welche den auf jede Person anfallenden Anteil exakt wiedergibt. Diese Anforderngen sind dann nicht erfüllt, wenn wie im vorliegenden Fall es letztlich in der Entscheidungsfreiheit des verantwortlich Handelnden, hier des Antragstellers, stehen soll, für welchen Zeitraum die ohne äußere Veränderungen weiter produzierte Milch einem anderen Erzeuger zugerechnet werden soll.
Da schon aus diesem Grund kein ernstlicher Zweifel daran besteht, daß der Antragsteller als Erzeuger der gesamten dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Milchlieferung anzusehen ist, bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob die GmbH überhaupt einen Betrieb i. S. des Art. 12 Buchst. d VO Nr. 857/84 besaß, ob ggf. dieser Betrieb dem im Milchquotensystem festgeschriebenen Prinzip der Bodenbindung entsprach (vgl. Art. 7 VO Nr. 857/84 und Absatz 9 der Erwägungsgründe der Verordnung (EWG) Nr. 1546/88 der Kommission vom 3. Juni 1988, ABlEG L 139/12, VSF M 7052), ob durch Vereinbarungen nach der Art der hier vom Antragsteller getroffenen überhaupt die Erzeugereigenschaft rechtlich wirksam übertragen werden kann und ob darin nicht eine unzulässige Umgehung der Vorschriften zur Übertragung von Referenzmengen gesehen werden muß.
Auf die von der Landwirtschaftskammer erteilte Bescheinigung zur Übertragung der Referenzmenge des Z auf die GmbH kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Diese Bescheinigung hat nicht etwa mit bindender Wirkung festgelegt, welche Person Erzeuger der fraglichen Milchmenge ist. Dazu wäre die Landwirtschaftskammer auch nicht berechtigt gewesen. Überdies hat der Direktor der Landwirtschaftskammer in seinem Schreiben vom . . . an das Zollfahndungsamt erklärt, er habe bei der Beantragung der Bescheinigung den Antragsteller, seinen Rechtsbeistand und Z nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es nach der MGVO nicht erlaubt sei, auf einem Betrieb mehrere Milcherzeuger unterzubringen und von dort aus die jeweils zugeteilte Referenzmenge zu liefern.
Da das Aussetzungsverfahren summarischen Charakter hat und eilbedürftig ist, ist der Senat nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht verpflichtet (EuGH-Urteil vom 24. Mai 1977 Rs. 107/76, EuGHE 1977, 957).
Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, so ist die Aussetzung selbst dann zu versagen, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 108, mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -). Da diese Voraussetzung hier gegeben ist, bedarf es keiner Prüfung der Frage, ob der Antragsteller in ausreichender Weise glaubhaft gemacht hat, daß die Vollziehung für ihn zu einer unbilligen Härte führen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 417186 |
BFH/NV 1991, 565 |