Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahmeklage: Zuständigkeit des BFH, Vertretungszwang, Rechtsbehelfsbelehrung, Verweisung an das FG
Leitsatz (NV)
- Für Klagen auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ist das Revisionsgericht nur dann zuständig, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund der §§ 579, 580 Nr. 4 oder 5 ZPO angefochten wird. Einem Revisionsurteil steht ein Beschluss gleich, durch den eine Revision oder eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen worden ist.
- Über die Möglichkeit einer Wiederaufnahmeklage als außerordentlichem Rechtsbehelf braucht das Finanzgericht keine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 55 Abs. 1 FGO zu erteilen.
- Eine Verweisung des Wiederaufnahmeverfahrens an das FG, soweit es sich gegen das Urteil des FG richtet, setzt ein beim BFH wirksam, nämlich durch eine postulationsfähige Person, eingeleitetes Verfahren voraus.
Normenkette
FGO § 55 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 62a, 70, 134; GVG § 17a Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 579, 580 Nrn. 4-5, § 584
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Wiederaufnahmeklage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller), der durch seinen Vater vertreten wurde, als unzulässig abgewiesen und dem Urteil eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung beigefügt. Die Revision ließ das FG nicht zu. Mit nicht eigenhändig unterschriebenem Schriftsatz vom 24. Februar 2003, der beim Bundesfinanzhof (BFH) am 26. Februar 2003 eingegangen ist, erhob der Bevollmächtigte Nichtigkeitsklage beim BFH gegen das Urteil des FG. Auf die rechtlichen Hinweise der Vorsitzenden des Senats mit Schreiben vom 6. März 2003 teilte der Bevollmächtigte mit, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei unumgänglich.
Entscheidungsgründe
II. Der Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig, weil der Antrag nicht durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person gestellt worden ist.
1. Nach § 134 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 584 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist für eine Klage auf Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nur dann das Revisionsgericht zuständig, wenn ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aufgrund der §§ 579, 580 Nr. 4, 5 ZPO angefochten wird. Im Sinne dieser Regelung steht auch ein Beschluss, durch den eine Revision oder eine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wurde, einem Revisionsurteil gleich (BFH-Beschluss vom 25. November 1999 I K 1/98, BFH/NV 2000, 730).
Im Streitfall sind die finanzgerichtlichen Verfahren, deren Wiederaufnahme der Antragsteller betreibt, durch Beschlüsse des BFH rechtskräftig abgeschlossen worden.
Nach § 62a FGO muss sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugte Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Dieser Vertretungszwang gilt grundsätzlich für sämtliche Verfahren vor dem BFH, also auch für Wiederaufnahmeklagen bzw. -anträge (BFH-Beschluss vom 23. Mai 1996 III K 21/96, BFH/NV 1996, 925).
Im Streitfall hat der Vater für den Antragsteller die Nichtigkeitsklage erhoben, obwohl er offensichtlich nicht zu den in § 62a FGO aufgeführten Berufsträgern gehört. Der Senat hat aus diesem Grunde bereits die gegen das Urteil des FG Münster vom 21. Juni 2001 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Unbeschadet weiterer zur Unzulässigkeit führender Gründe ist die Wiederaufnahmeklage bzw. der Wiederaufnahmeantrag bereits wegen fehlender Postulationsfähigkeit des Bevollmächtigten unwirksam (BFH-Beschluss vom 12. Januar 1998 X B 193/97, BFH/NV 1998, 736).
2. Wird gegen ein Urteil des FG Wiederaufnahmeklage erhoben, so ist nach § 134 FGO i.V.m. § 584 ZPO ausschließlich das FG zuständig (Beschluss des BFH in BFH/NV 2000, 730). Über die Möglichkeit einer Wiederaufnahmeklage als außerordentlichem Rechtsbehelf braucht das FG gemäß § 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO keine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen (Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 55 Rz. 19). Auf die Zuständigkeit des FG ist der Bevollmächtigte ausdrücklich mit Schreiben der Vorsitzenden des Senats vom 6. März 2003 hingewiesen worden.
Eine Verweisung des Rechtsstreits an das FG entsprechend § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 1 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, soweit sich das Wiederaufnahmeverfahren gegen das Urteil des FG richtet, kommt indes nicht in Betracht, weil eine solche Entscheidung ein beim BFH wirksam ―durch einen nach § 62a FGO zur Vertretung vor dem BFH Berechtigten― eingeleitetes Verfahren voraussetzt (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2000 VII S 25/00, BFH/NV 2001, 56, 57, m.w.N.).
3. Das Wiederaufnahmebegehren kann schließlich auch nicht als das gegen das Urteil des FG ―wie die Rechtsmittelbelehrung des FG zutreffend ausführt― allenfalls statthafte Rechtsmittel einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ausgelegt werden.
Der Bevollmächtigte hat trotz der Belehrung der Vorsitzenden des Senats im Schreiben vom 6. März 2003 ausdrücklich auf der Erhebung einer Wiederaufnahmeklage bestanden.
Im Übrigen wäre eine solche Beschwerde ebenfalls nach § 62a Satz 2 FGO unzulässig.
4. Über das Wiederaufnahmebegehren ist durch Beschluss zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, unter 7. der Gründe).
Fundstellen
Haufe-Index 982837 |
BFH/NV 2003, 1436 |