Entscheidungsstichwort (Thema)
Freigebige Zuwendung durch die öffentliche Hand
Leitsatz (NV)
1. Die Grundsätze des Haushaltsrechts schließen es nicht von vornherein aus, die Übertragung eines Grundstücks durch die öffentliche Hand im konkreten Fall als freigebige Zuwendung zu beurteilen. Insoweit besteht kein Klärungsbedarf i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
2. Eine freigebige Zuwendung mittels unentgeltlicher Übertragung eines Grundstücks durch die öffentliche Hand kann zu verneinen sein, wenn die öffentliche Hand dadurch eine ansonsten ihr obliegende Aufgabe auf den Übertragungsempfänger abwälzt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 18.06.2003; Aktenzeichen 3 K 711/02) |
Tatbestand
I. Die Stadt B übertrug mit notariellem "Grundstücksüberlassungsvertrag" vom 9. November 1994 dem Kläger und Beschwerdegegner (Kläger), einem Träger der freien Wohlfahrtspflege, ein Grundstück mit aufstehender Kindertagesstätte. Die Übertragung erfolgte "mit Zweckbindung an den als Anlage beigefügten Betreibervertrag", der --ergänzt um "Zuschussvereinbarungen"-- bereits im Dezember 1992 abgeschlossen worden war. Der Kläger verpflichtete sich, bei Wegfall der Zweckbindung das Grundstück zurückzuübertragen. Sodann hieß es, die Grundstücksübertragung erfolge unentgeltlich.
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) sah in dem Rechtsgeschäft einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang, für den die Gegenleistung, nämlich der Wert der Zweckbindung, nicht zu ermitteln sei. Er errechnete für Grunderwerbsteuerzwecke --fälschlich auf den 11. Dezember 1992 anstatt auf den 9. November 1994-- einen Einheitswert von 17 800 DM und setzte die Steuer auf 1 424 DM fest. Dies entsprach 2 v.H. des Vierfachen des Einheitswerts. Dagegen wandte der Kläger ein, der Vorgang sei gemäß § 3 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der bis Ende 1996 geltenden Fassung grunderwerbsteuerfrei, weil es sich um eine freigebige Zuwendung handele.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es war der Ansicht, die Zweckbindung der Grundstücksübertragung stelle keine Gegenleistung dar, und zwar auch keine, die nur mangels Geldwerts nicht berücksichtigt werden könne (§ 7 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --ErbStG--), sondern eine Auflage i.S. des Abs. 4 der Vorschrift. Auch eine teilweise Grunderwerbsteuerpflicht nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG scheide aus. Die Vorschrift sei verfassungskonform in dem Sinne auszulegen gewesen, wie er ab 1997 Gesetzesfassung geworden sei. Danach unterlägen Schenkungen unter einer Auflage der Grunderwerbsteuer hinsichtlich des Werts solcher Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar seien. Im Streitfall käme aber die Auflage angesichts des Satzungszwecks des Klägers diesem selbst zugute und sei daher gemäß § 10 Abs. 9 ErbStG bei der Schenkungsteuer nicht abzugsfähig.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht das FA geltend, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung wegen der Frage zu, ob aus dem Grundsatz des Haushaltsrechts, wonach der Staat kein Recht zu Geschenken habe, folge, dass ansonsten unentgeltliche Grundstücksübertragungen der öffentlichen Hand, die der Erfüllung von Gemeinschaftszwecken dienen, keine freigebigen Zuwendungen sein können. Nach Ansicht des FA müssen derartige Grundstücksübertragungen ebenso beurteilt werden wie die Zuschüsse aus öffentlichen Kassen, die gemäß H 14 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2003 auch nicht freigebig gewährt würden.
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Bei wörtlichem Verständnis der vom FA aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt ihr offensichtlich die grundsätzliche Bedeutung, weil sie ohne weiteres zu verneinen wäre. Zwar trifft zu, dass der Staat nichts zu verschenken hat; dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung (vgl. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Kommentar, § 63 Anm. 4.2). Bei den entsprechenden haushaltsrechtlichen Regelungen wie etwa § 63 Abs. 3 und 5 der Bundeshaushaltsordnung handelt es sich jedoch um staatsinterne Ordnungsvorschriften (so Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 2. Aufl., § 63 BHO Anm. 10), die keinen Einfluss auf die zivilrechtlichen und die daran anknüpfenden steuerrechtlichen Regelungen haben, und zwar auch dann nicht, wenn sich die öffentliche Hand der Handlungsformen des Privatrechts bedient.
2. Versteht man die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage jedoch dahin, dass ungeklärt sei, ob Übertragungsvorgänge der im Streitfall zu beurteilenden Art deshalb keine freigebigen Zuwendungen sein können, weil die mit ihnen verbundenen Auflagen nicht nur den Satzungszwecken des Übertragungsempfängers entsprechen, sondern auch zu den eigenen Aufgaben der beteiligten öffentlichen Hand gehören und daher (auch) in derem Interesse liegen, wäre zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung vorzutragen gewesen, dass die Stadt B bereits zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung die Verantwortung für eine bedarfsgerechte Kindertagesförderung trug. Nach § 3 Abs. 1 des Ersten Ausführungsgesetzes zum Kinder- und Jugendhilfegesetz vom 19. Mai 1992 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Mecklenburg-Vorpommern, S. 270) lag die Verantwortung für eine bedarfsgerechte Kindertagesförderung nämlich noch bei den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Dies waren gemäß § 69 Abs. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) die Kreise und kreisfreien Städte. Kreisangehörige Gemeinden konnten allerdings gemäß § 69 Abs. 5 SGB VIII für ihren Bereich Aufgaben der Jugendhilfe wahrnehmen. Dass die Stadt B dies bezüglich der Kindertagesförderung getan hat, ist jedoch nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1255510 |
BFH/NV 2005, 57 |