Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB im zweiten Rechtsgang; keine Verpflichtung des FG zur Vernehmung eines im Ausland lebenden Zeugen
Leitsatz (NV)
1. In einer im zweiten Rechtsgang erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) ist die Bezugnahme auf die NZB im ersten Rechtsgang unzulässig, wenn die seinerzeit erhobenen Rügen auf der gleichzeitigen Rüge eines Verfahrensmangels aufbauten und der (angebliche) Verfahrensmangel im zweiten Rechtsgang ausgeräumt worden ist.
2. Kann ein im Ausland lebender Zeuge nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem FG gestellt werden, so muß das FG nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheiden, ob es den Zeugen im Ausland vernehmen läßt oder unter Verzicht auf das Beweismittel nach §90 Abs. 2 AO i. V. m. §76 FGO verfährt.
3. Rügt der Kläger im zweiten Rechtsgang mit der NZB eine Sachverhaltswürdigung des FG unter dem Gesichtspunkt der mangelhaften Sachaufklärung, so kann im NZB- Verfahren nicht geprüft werden, ob das Vorgehen des FG gegen die Bindung an die im ersten Rechtsgang ergangene zurückverweisende Entscheidung des BFH verstößt.
Normenkette
AO 1977 § 90 Abs. 2; FGO §§ 76, 126 Abs. 5; ZPO §§ 363-364
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine in Liquidation befindliche GmbH, betrieb in den Streitjahren (1977 bis 1979) einen Handel mit ... anlagen. Ihr geschäftsführender Gesellschafter war X, den das Finanzgericht (FG) zum erstinstanzlichen Verfahren beigeladen hat.
X hatte seit 1964 als Einzelunternehmer von asiatischen Herstellern ... anlagen bezogen und im Inland weiterveräußert. Bei seinen Lieferanten handelte es sich u. a. um in Taiwan und in Hongkong ansässige Unternehmen, die jeweils von dem in Taipeh (Taiwan) ansässigen T geleitet wurden und die betreffenden Waren unter Einschaltung der Speditionsfirma H ins Inland lieferten.
Die Klägerin setzte nach ihrer Gründung zunächst den von dem Einzelunternehmen betriebenen Handel unverändert fort. Im weiteren Verlauf wurden jedoch zunächst die Firma I und später die Firma M in den Rechnungs- und Zahlungsverkehr einbezogen, und zwar dergestalt, daß I und M die für die Klägerin bestimmten Anlagen bei den asiatischen Herstellern ankauften und sodann an die Klägerin weiterveräußerten. Die tatsächliche Lieferung der von der Klägerin erworbenen Artikel erfolgte weiterhin unmittelbar -- also ohne Einschaltung von I und M -- an sie.
Sowohl bei I als auch bei M handelte es sich um Gesellschaften italienischen Rechts, die jeweils unter einer Anschrift in C firmierten. C ist eine italienische Exklave, die von Schweizer Staatsgebiet umschlossen ist und nicht zum Zollgebiet der Europäischen Union (seinerzeit: Europäischen Gemeinschaft) gehört. Ertragsteuern werden dort weder bei natürlichen noch bei juristischen Personen erhoben. Die Anschrift beider Gesellschaften ist identisch mit derjenigen einer der Gründungsgesellschafterinnen der I.
Zu den Gesellschaftsverhältnissen der I haben die italienischen Behörden im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens mitgeteilt, daß diese im Juni 1977 mit einem Gesellschaftskapital von 800 000 Lire (umgerechnet ca. 1600 DM) gegründet worden ist. Gesellschafterinnen waren zunächst die in der Schweiz ansässige Z als persönlich haftende Gesellschafterin mit einem Kapitalanteil von 100 000 Lire und P mit einem Kapitalanteil von 700 000 Lire. Frau Z hatte am Gründungstag der Gesellschaft eine "Sondervollmacht"auf X -- den Gesellschafter der Klägerin -- ausgestellt, die diesen zur Vertretung der I berechtigte; unter welchen Umständen es zur Ausstellung der Vollmachtsurkunde gekommen ist und ob die Vollmacht nach italienischem Recht wirksam war, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ferner teilten die italienischen Behörden mit, daß
-- ein Tätigkeitsbeginn der I nie angemeldet worden sei,
-- I unter ihrer postalischen Anschrift "keinen Zustellungsort" habe,
-- I bei den zuständigen Handelsregistern nicht angemeldet sei und
-- Frau P den italienischen Dienststellen gegenüber angegeben habe, I habe nie eine Tätigkeit ausgeübt und besitze nur einen Gesellschaftsvertrag.
Anläßlich einer Zollprüfung bei der Klägerin und einer Einzelfirma des X schöpfte die Zollbehörde den Verdacht, daß die Einschaltung der I in das Vertragsverhältnis dem Ziel gedient habe, Gewinne der Klägerin ins Ausland zu verschieben. I kalkuliere willkürlich mit völlig unterschiedlichen Aufschlägen. Zudem deckten die Verkaufspreise der Klägerin kaum die Unkosten. Auf eine entsprechende Mitteilung der Zollbehörde hin kam es zunächst zu einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung und später zu einer Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin, bei denen zwar verschiedene Buchführungs- und sonstige formale Mängel aufgedeckt, "beweisbare tatsächliche Anhaltspunkte für ein steuerliches Fehlverhalten" jedoch nicht festgestellt wurden. Ein Steuerstrafverfahren wurde demgemäß seinerzeit nicht eröffnet.
In den Jahren 1982 bis 1984 führte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, die sich unter anderem auf die Streitjahre erstreckte. Die Prüfer gelangten zu dem Ergebnis, daß die Firmen I und M wirtschaftlich funktionslos gewesen seien und ihre Zwischenschaltung nur dazu gedient habe, durch Ausstellung überhöhter Zwischenrechnungen Gewinne von Deutschland nach C zu verlagern. Diese Vorgehensweise sei mißbräuchlich i. S. des §42 der Abgabenordnung (AO 1977) und führe zu verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) zugunsten des X, der die Firmen I und M beherrscht habe. Das FA folgte dieser Einschätzung und erließ entsprechend geänderte Körperschaftsteuerbescheide, Gewerbesteuer-Meßbescheide und Feststellungsbescheide gemäß §47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg.
Die daraufhin erhobene Klage hat das FG im ersten Rechtsgang abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hin hat der Senat das klageabweisende Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das FG zurückverwiesen. Sein Urteil ist in BFH/NV 1996, 383 veröffentlicht.
Im zweiten Rechtsgang hat sich das FG wegen der nunmehr beabsichtigten Vernehmung des T zunächst an die Klägerin gewandt. Diese teilte dem FG mit Schriftsatz vom 13. Februar 1996 mit, T werde in der Zeit vom 28. Februar 1996 bis zum 1. März 1996, 14.00 Uhr, in Deutschland weilen und dem FG Gelegenheit geben, ihn zu dieser Zeit zu vernehmen. Daraufhin faßte das FG einen Beweisbeschluß, in dem die Beweisaufnahme dem Berichterstatter übertragen wurde. Dieser setzte den Beweistermin auf den 29. Februar 1996 fest, stimmte diesen Termin mit den Beteiligten ab und bestellte Dolmetscher und Übersetzer für Chinesisch, Italienisch und Englisch.
Durch Telefax vom 28. Februar 1996, 12.49 Uhr, teilte die Klägerin dem FG mit, daß T seine Reisepläne geändert habe und nicht in dem anberaumten Termin vernommen werden könne. Wann er eintreffen werde, sei unbekannt; sie -- die Klägerin -- sei jedoch weiterhin bemüht, ihn kurzfristig als Zeugen zu stellen. Der Beweistermin wurde daraufhin abgesetzt.
Am 11. März 1996 ging beim FG ein vom 8. März 1996 datierendes Schreiben der Klägerin ein, in dem diese ausführte, daß T sich am 2. und 3. März in Deutschland aufgehalten habe und sodann aus zwingenden Gründen sofort habe weiterreisen müssen. Er habe erklärt, es sei nicht absehbar, wann er wieder nach Deutschland kommen werde. Deshalb habe sie -- die Klägerin -- ihn veranlaßt, vor einem Notar eine eidesstattliche Erklärung zu den aufklärungsbedürftigen Umständen abzugeben. Diese Erklärung, in der T die Darstellung der Klägerin inhaltlich bestätigt hat, wurde in der Folge zu den Akten des FG gereicht.
Das FG hat daraufhin Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Im Zusammenhang mit der Ladung hat es die Klägerin unter Hinweis auf die vom Senat gemachten Vorgaben aufgefordert,
-- sämtliche Zeugen mit Namen und ladungsfähigen Anschriften zu benennen und hinsichtlich der im Ausland wohnenden Zeugen mitzuteilen, ob sie zu dem festgesetzten Termin erscheinen würden, sowie
-- sämtliche einschlägigen Urkunden im Original vorzulegen;
hierfür wurde eine Frist gemäß §79 b der Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzt. Innerhalb dieser Frist hat die Klägerin mitgeteilt, daß Frau Z und eine weitere Auskunftsperson verstorben seien und Frau P mit unbekanntem Ziel verzogen sei. Zugleich hat sie verschiedene Original-Urkunden vorgelegt. Weitere Urkunden konnten nicht im Original vorgelegt werden, was teilweise darauf zurückzuführen ist, daß sich die betreffenden Originale beim Hauptzollamt (HZA) befanden und dort nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen vernichtet worden sind.
In der mündlichen Verhandlung hat das FG die seinerzeit für das FA tätigen Betriebsprüfer sowie einen Zollbeamten als Zeugen vernommen. Einen Antrag der Klägerin, zusätzlich den damaligen Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle zu vernehmen, hat es abgelehnt. Zur Frage der Vernehmung des T ergibt sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung folgendes:
Das FG und die Beteiligten waren darüber einig, daß T auf absehbare Zeit nicht unmittelbar vom FG vernommen werden könne. Die Klägerin übergab Unterlagen, aus denen sich ihrer Darstellung nach ergab, daß T sogleich in die USA habe weiterreisen müssen. Ferner erklärte sie, daß T im Ausland vernommen werden müsse, falls seine vor dem Notar abgegebene Erklärung nicht zum Nachweis der Richtigkeit ihres Vortrags ausreiche. Sie bot an, dem FG ausländische Anschriften des T mitzuteilen und Mitteilungen des FG an T weiterzuleiten. Daraufhin verkündete das FG den Beschluß, daß der Beweisbeschluß betreffend die Vernehmung des T durch den Berichterstatter aufgehoben werde. Schließlich wies der Vorsitzende darauf hin, daß für den Fall einer Vernehmung des T im Ausland ein neuer Beweisbeschluß ergehen müsse. Weitere Erklärungen der Beteiligten zu diesem Thema erfolgten nicht.
Das FG wies die Klage im zweiten Rechtsgang erneut ab und ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend.
Das FA ist der Nichtzulassungsbeschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil an einem der von der Klägerin gerügten Verfahrensmängel leidet:
1. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützt wird, ist sie unzulässig. Die Klägerin hat nicht in hinreichender Form dargelegt, welche im Streitfall aufgetretenen und entscheidungserheblichen Rechtsfragen sie für grundsätzlich bedeutsam hält:
a) In der Beschwerdeschrift ist zu diesem Zulassungsgrund zum einen ausgeführt, "die Ausführungen in der seinerzeitigen NZB vom 14. Mai 1993" hätten grundsätzliche Bedeutung, wobei in der genannten Nichtzulassungsbeschwerde "vor allem" Ausführungen zum "steuerlichen Verwertungsverbot" gemacht worden seien. Diese Darlegung soll ersichtlich besagen, daß die Klägerin auf ihre im ersten Rechtsgang erhobene Nichtzulassungsbeschwerde Bezug nehme und sich hierbei insbesondere auf die dort angestellten Überlegungen zum Bestehen eines Verwertungsverbots berufe.
Es mag dahingestellt bleiben, ob eine derartige Bezugnahme im Nichtzulassungsbeschwerde-Verfahren überhaupt dem Grunde nach zulässig ist, wenn -- wie im Streitfall -- die in Bezug genommene Nichtzulassungsbeschwerde von einem anderen als dem jetzt auftretenden Prozeßbevollmächtigten verfaßt worden ist. Gegen die Statthaftigkeit eines solchen Vorgehens könnte immerhin sprechen, daß nach Sinn und Zweck der Vorschriften über die Postulationsfähigkeit im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) eine postulationsfähige Person selbst die Verantwortung über das von ihr Vorgetragene übernehmen muß (BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 35/96, BFH/NV 1998, 332) und deshalb die Bezugnahme auf den Vortrag eines anderen (postulationsfähigen) Bevollmächtigten grundsätzlich unzureichend ist. Selbst wenn man dies in der hier vorliegenden Konstellation aber anders sehen wollte, wird der Vortrag der Klägerin den zu stellenden Anforderungen jedoch nicht gerecht.
Die von ihr in Bezug genommene Beschwerdeschrift vom 14. Mai 1993 enthält zwar Ausführungen dazu, daß das FG das Bestehen eines Verwertungsverbots zu Unrecht verneint habe und daß die damit aufgeworfene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei. Diese Darlegung beruht jedoch auf der weiteren Rüge der Klägerin, das FG habe aufgrund von Verfahrensfehlern übersehen, daß das FA bereits während der Betriebsprüfung den Verdacht einer Steuerstraftat gehegt habe und nicht eine Betriebsprüfung nach §§193 bis 203 AO 1977, sondern eine Steuerfahndungsprüfung hätte durchführen müssen. Hierzu hat das FG indessen in dem jetzt angefochtenen Urteil eingehend dargelegt, daß nach seiner Überzeugung bei Beginn der Betriebsprüfung der Verdacht einer Steuerstraftat noch nicht bestanden habe; er sei vielmehr erst im Laufe des Jahres 1983 aufgetreten, woraufhin noch im selben Jahr ein Steuerstrafverfahren eingeleitet worden sei. Diese Feststellung des FG ist nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat bindend (§118 Abs. 2 FGO). Legt man sie zugrunde, so kommt es auf die Frage nach dem Bestehen eines Verwertungsverbots im Fall der "verdeckten Fahndungsprüfung" nicht an, da eine solche im Streitfall tatsächlich nicht stattgefunden hat. Jene von der Klägerin für rechtsgrundsätzlich erachtete Frage wäre mithin in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, was einer Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung entgegensteht.
b) In der Beschwerdeschrift ist weiter ausgeführt, die "Grundsätzlichkeit der Überprüfung durch den BFH" ergebe sich "bereits aus der nicht richtigen Darlegung des Tatbestandes in dem FG-Urteil". Hiermit wird eine grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits schon deshalb nicht dargelegt, weil nicht erkennbar ist, inwieweit tatsächliche Feststellungen zu einem konkreten Sachverhalt eine Rechtsfrage aufwerfen könnten, die das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dessen bedürfte es indessen für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Auflage, §115 Rz. 7, m. w. N.), weshalb im Streitfall eine Zulassung der Revision auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erfolgen kann.
2. Einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel sieht die Klägerin zunächst darin, daß das FG es zu Unrecht unterlassen habe, T im Ausland vernehmen zu lassen; hierdurch habe es sich über eine Auflage in dem zurückverweisenden Urteil des BFH hinweggesetzt. Diese Rüge ist nicht begründet:
a) Der Senat hat in seinem zurückverweisenden Urteil dem FG aufgegeben, sich um eine Vernehmung des T zu bemühen. Dem ist das FG in der Weise nachgekommen, daß es nach Absprache mit den Beteiligten einen Beweistermin anberaumt hat, in dem nach Auskunft der Klägerin T vernommen werden konnte.
Der in diesem Zusammenhang erfolgte Vorhalt der Klägerin, das FG habe sie nicht rechtzeitig über die Bestellung eines Dolmetschers für Italienisch benachrichtigt und deshalb das Scheitern der Beweiserhebung selbst zu verantworten, geht fehl. Zum einen trägt die Klägerin selbst vor, daß T ohne ihr Zutun seine Reisepläne geändert hatte, erst am 2. März 1996 -- also nach dem vorgesehenen Terminstag -- in Deutschland eingereist und bereits am 3. März 1996 wieder abgereist ist; unter diesen Umständen ist nicht erkennbar, daß und aus welchem Grund eine frühzeitigere Benachrichtigung von der Bestellung eines Italienisch-Dolmetschers eine Vernehmung des T doch noch ermöglicht hätte. Zum anderen war das FG ohnehin nicht verpflichtet, der Klägerin oder dem Zeugen T vorab eine entsprechende Anzeige zu machen: Es mußte zwar dafür Sorge tragen, daß in der mündlichen Verhandlung ein geeigneter Dolmetscher zur Verfügung stand; einer vorherigen Benachrichtigung der Beteiligten oder des Zeugen über die Person oder die Qualifikation des Dolmetschers bedurfte es jedoch nicht. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, weshalb die sachgerechte Vernehmung des aus China stammenden und Englisch sprechenden Zeugen ausgerechnet die Einschaltung eines Italienisch-Dolmetschers zwingend erfordert hätte; eine solche Verfahrensweise hat der Senat auch nicht etwa, wie die Klägerin anzunehmen scheint, dem FG zur Auflage gemacht. Im Ergebnis ist deshalb der Vorwurf, daß das FG das Ausbleiben des Zeugen T zu vertreten habe, jedenfalls verfehlt.
b) In dem hiernach sachgerecht vorbereiteten Beweistermin hätte T, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nicht vernommen werden können. Ebenso hat die Klägerin dem FG nicht einen anderen Termin benannt, zu dem T für eine Vernehmung zur Verfügung gestanden hätte. Im Gegenteil waren ausweislich des Terminsprotokolls die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 5. November 1996 darüber einig, daß T auf absehbare Zeit nicht vor dem FG erscheinen werde. Bei dieser Sachlage war das FG berechtigt, auf eine Vernehmung des T zu verzichten und den Rechtsstreit ohne Berücksichtigung dieses Beweismittels zu entscheiden:
aa) Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß ein im Ausland ansässiger Zeuge nicht von Amts wegen geladen, sondern gemäß §76 Abs. 1 Satz 4 FGO i. V. m. §90 Abs. 2 AO 1977 zur Sitzung des FG gestellt werden muß (Senatsurteil vom 1. Juli 1987 I R 284--286/83, BFH/NV 1988, 12; BFH-Beschluß vom 21. April 1995 VIII B 133/94, BFH/NV 1995, 954). Dazu war die Klägerin indessen nach eigener Aussage auf unbestimmte Zeit nicht in der Lage. Da sie mithin ihrer erhöhten Mitwirkungspflicht nicht nachkommen konnte, durfte das FG ohne eine Berücksichtigung dieses Beweismittels den ihm vorliegenden Sachverhalt nach freier Überzeugung (§96 Abs. 1 FGO) würdigen. Genau so ist es verfahren, so daß ein Verfahrensfehler in Gestalt der Übergehung eines Beweisantrags im Streitfall nicht festgestellt werden kann.
bb) Zu einer abweichenden Beurteilung führt nicht der Hinweis der Klägerin, das FG habe die Möglichkeit gehabt, T im Ausland vernehmen zu lassen (§155 FGO i. V. m. §§363, 364 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --). Die Vernehmung eines Zeugen im Ausland ist zwar prozeßrechtlich zulässig; das heißt jedoch nicht, daß sie bei Nichtverfügbarkeit eines Zeugen im Inland ohne weiteres geboten ist. Das FG muß vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob es von dieser Möglichkeit Gebrauch machen oder von einer solchen Vorgehensweise Abstand nehmen will (BFH- Beschlüsse vom 21. Mai 1992 VIII B 76/91, BFH/NV 1993, 32, 33; vom 16. September 1993 IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449, 450 f.). Nur eine solche Prüfung hat der Senat in seinem zurückverweisenden Urteil dem FG denn auch aufgegeben.
Das FG hat diese Prüfung vorgenommen und hierzu in seinem Urteil ausgeführt, daß eine Vernehmung des T im Ausland praktisch kaum durchführbar sei und zudem den Grundsätzen über die Gestellung eines ausländischen Zeugen widersprechen würde. Diese Begründung ist zwar nicht sehr eingehend; sie läßt jedoch hinreichend erkennen, daß das FG die Möglichkeit einer Beweisaufnahme im Ausland erworben und aus welchen Gründen es sie im Ergebnis verworfen hat. Zudem ist angesichts der Komplexität des Beweisthemas und der Tatsache, daß T ggf. mit einer Vielzahl von Detailfragen hätte konfrontiert und ihm eine Vielzahl von Urkunden hätte vorgehalten werden müssen, namentlich der Hinweis auf die Schwierigkeiten der Durchführung einer Beweisaufnahme im Ausland, nicht von der Hand zu weisen. Demgemäß ist die Entscheidung des FG, auf eine Vernehmung des T insgesamt zu verzichten, auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden.
3. Ebenso kann ein Verfahrensfehler nicht -- wie die Klägerin meint -- darin gesehen werden, daß das FG die Frage nach den hinter I und M stehenden Personen nicht hinreichend aufgeklärt habe und sich hierzu "in Vermutungen ergehe". Denn diese Rüge richtet sich in der Sache gegen die Beweiswürdigung durch das FG, die im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden kann:
a) Das FG ist in seinem Urteil ausdrücklich davon ausgegangen, daß I und M nicht von der Klägerin beherrscht worden seien. Es hat jedoch sodann ausgeführt, daß bei Fehlen einer Beherrschung die Gewinnverlagerung in Steueroasen "nach allgemeinen Grundsätzen" als Gestaltungsmißbrauch zu beurteilen sei. Ein solcher Mißbrauch liege im Streitfall deshalb vor, weil die Firmen in C "zu dem Zweck gegründet" worden seien, "vornehmlich der Klägerin Gewinnverlagerungen in das steuerbegünstigte Ausland zu ermöglichen". Ein Interesse des T an einer solchen Gewinnverlagerung sei nicht erkennbar; insbesondere habe die in einer schriftlichen Erklärung des T enthaltene Erläuterung, daß die Gründung von I und M mit Schwierigkeiten bei der Devisenausfuhr aus Taiwan zusammengehangen habe, mangels Erreichbarkeit des T nicht verläßlich überprüft werden können. Daher müsse angenommen werden, daß T sich allenfalls als Strohmann für die Klägerin zur Verfügung gestellt habe. Selbst wenn die von ihm abgegebenen Erklärungen inhaltlich zuträfen, seien deshalb die bei I und M ausgewiesenen Gewinnspannen der Klägerin zuzurechnen; das gelte auch "in jenen Fällen, in denen (T) als Alleininhaber der ... Firmen auftrat". Das FG hat die vom FA vorgenommene Gewinnzurechnung mithin im Ergebnis deshalb für zutreffend erachtet, weil nach seiner Überzeugung die von I und M getätigten Geschäfte -- unbeschadet einer etwa gegebenen formalen Inhaberschaft des T -- wirtschaftlich dem X zugute gekommen sind.
b) Die Überzeugung des FG, daß faktisch X die hiner I und M stehende Person gewesen sei, kann die Klägerin nicht im Wege der Verfahrensrüge angreifen. Denn es handelt sich hierbei um das Ergebnis einer Beweiswürdigung, deren Unrichtigkeit nicht einen Verfahrensmangel, sondern allenfalls einen Fehler bei der Anwendung materiellen Rechts begründet (BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1997 VIII B 18/97, BFH/NV 1998, 859, 860; vom 10. September 1997 X B 5/97, BFH/NV 1998, 466; Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 28, m. w. N.). Abgesehen davon, daß die Beweiswürdigung durch das FG ohnehin nur eingeschränkt überprüfbar ist (Gräber/Ruban, a. a. O.), können deshalb Einwendungen gegen ihre Richtigkeit jedenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers führen (BFH-Beschluß vom 11. November 1997 X B 233/96, BFH/NV 1998, 605).
c) In verfahrensrechtlicher Hinsicht könnte die Sachbehandlung durch das FG allerdings insoweit bedenklich sein, als in der angefochtenen Entscheidung möglicherweise die Bindungswirkung des vorangegangenen zurückverweisenden Revisionsurteils (§126 Abs. 5 FGO) nicht hinreichend beachtet worden ist. In jenem Urteil hat der Senat nämlich eine Gewinnerhöhung zu Lasten der Klägerin ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß I und M entweder von der Klägerin selbst oder von einer ihr nahestehenden Person gesteuert worden seien und die Möglichkeit einer dem T zuzurechnenden Gewinnverlagerung mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könne. Anderenfalls müsse aus Gründen der objektiven Beweislast (Feststellungslast) die Entscheidung zugunsten der Klägerin und zu Lasten des FA ausgehen (Urteil in BFH/NV 1996, 383, 385). Hierin liegt dem Grunde nach eine abschließende Beurteilung der materiell-rechtlichen Problematik und insbesondere der Beweislastverteilung, die zwar seinerzeit gegenüber den erörterten Verfahrensfragen (Erforderlichkeit weiterer Sachaufklärung) nachrangig war, gleichwohl aber nach gefestigter Rechtsprechung des BFH an der Bindungswirkung des Revisionsurteils teilnimmt (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §126 Rz. 16 m. w. N.). Mit ihr ist die Handhabung des FG, das seine Entscheidung zu Lasten der Klägerin auf die Nichterweislichkeit eines Interesses des T an der Zwischenschaltung von I und M gestützt hat, nur bedingt vereinbar.
Doch muß diese Problematik im Streitfall nicht abschließend erörtert werden. Denn ein etwaiger Verstoß des FG gegen §126 Abs. 5 FGO wäre zwar ein Verfahrensmangel i. S. des §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 30, m. w. N.). Diesen Mangel könnte der Senat aber nicht von Amts wegen, sondern nur auf eine entsprechende -- ordnungsgemäß erhobene -- Rüge hin beachten (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Februar 1991 II B 85/90, BFH/NV 1992, 43). An einer solchen fehlt es im Streitfall, da die Klägerin das Fehlen von Feststellungen zur Beherrschung der ausländischen Gesellschaften nicht unter dem Aspekt der Bindungswirkung des Revisionsurteils, sondern lediglich als Mangel der Sachaufklärung gerügt hat. Hierdurch wird die Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts begrenzt; es ist nicht möglich, die eindeutig mit anderer Zielrichtung erhobene Rüge der Klägerin entsprechend umzudeuten oder die Prüfung im Beschwerdeverfahren auf den von der Klägerin nicht angesprochenen Gesichtspunkt der Bindungswirkung zu erstrecken. Deshalb können im Streitfall die Ausführungen des FG zur beweisrechtlichen Situation nur am Maßstab der Sachaufklärungspflicht gemessen werden, und ein Verstoß hiergegen liegt jedenfalls nicht vor.
4. Die übrigen Angriffe der Klägerin richten sich im wesentlichen gegen die Beweiswürdigung durch das FG und vermögen deshalb einen Verfahrensmangel nicht zu begründen. Das gilt insbesondere für die Ausführungen der Klägerin zur Höhe der ihr zugerechneten Gewinne. Die Rüge schließlich, es hätten weitere Zeugen vernommen werden müssen, ist hinsichtlich der Zeugen A und B nicht ordnungsgemäß erhoben worden und hinsichtlich des Zeugen E -- ihre Zulässigkeit unterstellt -- jedenfalls unbegründet. Von weiteren Ausführungen zu diesen beiden Themenkreisen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Fundstellen
Haufe-Index 154267 |
BFH/NV 1999, 506 |