Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Fristversäumnisse der Fä und Anträge der Fä auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nach den Grundsätzen der FGO ebenso zu behandeln wie bei Steuerpflichtigen.
Normenkette
FGO §§ 56, 120 Abs. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) haben Ende Dezember 1960 ein Mietwohnhaus für 58.422 DM gekauft, an dem sie im August und September 1963 verschiedene Ausbesserungsarbeiten für insgesamt 9.738 DM vornehmen ließen. Das Finanzamt (FA) behandelte diese Aufwendungen als sogenannten anschaffungsnahen Aufwand und wies den dagegen gerichteten Einspruch der Stpfl. als unbegründet zurück. Die Berufung der Stpfl., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage behandelt wurde, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah die streitigen Aufwendungen als sofort abzugsfähige Reparaturkosten an.
Gegen das dem FA am 10. August 1966 zugestellte Urteil des FG legte das FA am 5. September 1966 Revision ein. Die Revisionsbegründung ging erst am 17. Oktober 1966 beim Bundesfinanzhof (BFH) ein. Als dem FA durch ein am 24. Oktober 1966 zugestelltes Schreiben des Senatsvorsitzenden mitgeteilt wurde, daß die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei und die Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anheimgestellt wurde, reichte das FA einen solchen Antrag ein, der am 26. Oktober 1966 beim BFH einging.
Zur Begründung seines Antrags trug das FA vor, es habe von dem FA A die Feststellungsakte der Vorbesitzer des Grundstücks angefordert, um daraus Anhaltspunkte zu gewinnen, ob die Vorbesitzer notwendige Instandhaltungsarbeiten an dem Grundstück unterlassen hätten. Erst nach Erinnerung habe das FA B, an daß das FA A die Anfrage ohne Erteilung einer Abgabenachricht weitergeleitet hatte, mitgeteilt, daß keine Feststellungsakten vorhanden seien. Da dieses Schreiben erst am 30. September 1966 eingegangen sei, habe die Revisionsbegründung erst nach dem 3. Oktober 1966 abgefaßt werden können.
Entscheidungsgründe
Die Revision war als unzulässig zu verwerfen. Die Revision war nach § 120 Abs. 1 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils des FG zu begründen, wie im Beschluß des Senats VI R 201/66 vom 20. September 1966 (BFH 86, 813, BStBl III 1967, 4) dargelegt ist. Die Revisionsbegründung hätte also bis zum 10. Oktober 1966 dem BFH vorliegen müssen. Da sie erst am 17. Oktober 1966 eingegangen ist, war die Revision nach § 120 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 FGO als unzulässig zu verwerfen, sofern nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
Der darauf gerichtete fristgerecht gestellte Antrag des FA ist jedoch nicht begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 56 FGO nur zu gewähren, wenn das FA ohne sein Verschulden gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Das ist aber nicht der Fall. Das FA hätte, als es am 3. Oktober 1966 erfuhr, daß es zur Begründung seiner Revision nicht auf die Steuerakten der Vorbesitzer zurückgreifen konnte, nach § 120 Abs. 1 letzter Satz FGO eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragen können, die wahrscheinlich auch gewährt worden wäre, da der BFH Fristverlängerungsanträgen, die einigermaßen begründet erscheinen, im allgemeinen entspricht. Wenn das FA die Stellung eines solchen Antrags unterließ und seine Revisionsbegründung mit etwa einer Woche Verspätung einreichte, so liegt kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Wenn bei Fristversäumnissen der Steuerpflichtigen entsprechend den Vorschriften der FGO ein strenger Standpunkt eingenommen wird, muß dies auch gegenüber den Finanzverwaltungsbehörden geschehen, die im steuergerichtlichen Verfahren grundsätzlich dieselbe Rechtsstellung haben wie die Steuerpflichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 424213 |
BStBl III 1967, 291 |
BFHE 1967, 75 |
BFHE 88, 75 |