Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Glaubhaftmachung rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsbehelfs
Leitsatz (NV)
- Ein Freistempelaufdruck des Bevollmächtigten auf dem Briefumschlag reicht zum Nachweis einer rechtzeitigen Aufgabe des fristwahrenden Schriftsatzes zur Post nicht aus.
- Zur Postausgangskontrolle ist nicht nur die Einrichtung eines Postausgangsbuches erforderlich; die Eintragungen darin müssen auch so genau sein, dass nachvollzogen werden kann, wann welcher Vorgang das Büro verlassen hat und für wen die Sendung bestimmt war.
- Wird im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsgesuch die fristgerechte Absendung eines Schriftsatzes behauptet, so ist zur Glaubhaftmachung des Vorbringens, dass der Schriftsatz von einer Hilfskraft des Bevollmächtigten zur Post gebracht worden ist, die Vorlage einer detaillierten eidesstattlichen Versicherung der Hilfskraft erforderlich. Die Benennung dieser Person als Zeuge reicht nicht aus.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Beschwerde ist verspätet eingelegt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist kann im Hinblick auf das der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zuzurechnende Verschulden ihrer Prozessvertreterin nicht gewährt werden.
1. Die Beschwerde ist nicht innerhalb der gesetzlichen, nicht verlängerbaren Beschwerdefrist beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt worden. Gemäß § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) beim BFH einzulegen. Das angefochtene Urteil ist dem damaligen Prozessvertreter der Klägerin am 8. August 2001 zugestellt worden. Die Monatsfrist endete danach mit Ablauf des 10. (Montag) September 2001 (vgl. § 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―). Die Beschwerde ist jedoch erst am Donnerstag, den 13. September 2001, ausweislich des Eingangsstempels beim BFH eingegangen und damit ―unstreitig― nicht innerhalb der Beschwerdefrist.
2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte nicht gewährt werden, weil die Klägerin die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen sollen ―insbesondere die Absendung der Beschwerdeschrift bereits am 5. September 2001― nicht glaubhaft gemacht hat.
Nach § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag muss binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Klägerin ist durch das Schreiben des damaligen Vorsitzenden des erkennenden Senats des BFH auf diese Rechtslage hingewiesen worden. Sie hat daraufhin zwar Tatsachen vorgetragen, die geeignet sind, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1995 VIII R 76/93, BFH/NV 1995, 989, m.w.N.). Die Klägerin hat jedoch diese Tatsachen, insbesondere die Absendung der Beschwerdeschrift am 5. September 2001, nicht glaubhaft gemacht. Der Tag der Aufgabe zur Post lässt sich nicht aus einem Poststempel entnehmen, weil der Briefumschlag, in dem sich die Revisionsschrift befunden hat, keinen Poststempel aufweist; denn der Briefumschlag ist mit einem Freistempel der Prozessvertreterin versehen worden. Dieser enthält zwar das Datum 5. September 2001. Das genügt jedoch nicht zur Glaubhaftmachung dafür, dass der Brief auch an diesem Tage zur Post gegeben worden ist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 28. Februar 1985 VIII R 261/84, BFH/NV 1986, 30, und vom 4. August 1997 I B 22/97, nicht veröffentlicht - juris). Es entspricht der Lebenserfahrung, dass hin und wieder fertig frankierte Briefe versehentlich nicht oder erst später abgesandt werden.
Auch die Behauptung, die Beschwerdeschrift sei lt. Postausgangsbuch am 5. September 2001 an den BFH in München abgesandt worden, stellt für sich allein keine Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung der Revision dar. Dem in Fotokopie vorgelegten Auszug aus dem Postausgangsbuch kann nicht entnommen werden, dass der an den BFH abgesandte Brief tatsächlich die Beschwerdeschrift der Klägerin enthielt. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass unter dem Datum des 5. September 2001 ein Portobetrag von 1,53 (EUR ?) für eine Sendung an den BFH eingetragen wurde (zu den Eintragungen im Postausgangsbuch vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2001 XI B 69/00, BFH/NV 2002, 9, m.w.N.).
Auch wenn man die insoweit ungenauen Angaben der Prozessbevollmächtigten dahin gehend versteht, dass die bei ihr angestellte Frau X die Beschwerdeschrift zur Post gebracht haben soll, reicht es zur Glaubhaftmachung dieses Vorbringens nicht aus, die genannte Person lediglich als Zeugin zu benennen. Vielmehr hätte es insoweit der Vorlage eines präsenten Beweismittels, also einer detaillierten eidesstattlichen Versicherung von Frau X, bedurft (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. April 1988 X R 90/87, BFH/NV 1989, 110, sowie vom 9. März 1993 VI R 60/90, BFH/NV 1993, 616).
Im Übrigen kann auf eine Glaubhaftmachung auch deshalb nicht verzichtet werden, weil eine Postbeförderungsdauer vom 5. bis 13. September auch unter Berücksichtigung immer wieder vorkommender Verzögerungen in der Postbeförderung ungewöhnlich erscheint.
Fundstellen
Haufe-Index 732045 |
AO-StB 2002, 212 |