Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Rüge der Divergenz und von Verfahrensmängeln
Leitsatz (NV)
1. Zieht der Kläger anhand fallbezogener Aussagen ohne Benennung abstrakter Rechtssätze vom FG abweichende Schlußfolgerungen und wendet er sich gegen dessen nach seiner Ansicht unzutreffende Sachverhaltswürdigung sowie insbesondere gegen die in der Umsetzung der -- zur Überlassung für eine Erfindung angemeldeter Schutzrechte als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung -- zitierten BFH-Rechtsprechung fehlerhafte Rechtsanwendung, rügt er lediglich die inhaltliche Richtigkeit des Urteils; die behauptete Divergenz wird damit nicht bezeichnet.
2. Die hinreichende Bezeichnung von Verfahrensmängeln (hier: unterlassene Beweiserhebung, Verletzung der Sachaufklärungspflicht, Nichtberücksichtigung von Aktenteilen) setzt u.a. -- unter Beachtung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG -- Ausführungen zur Erheblichkeit des (jeweiligen) Verfahrensmangels voraus.
3. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit durch bloßes Unterlassen der rechtzeitigen Rüge verloren.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 155; ZPO § 295; GewStG § 2 Abs. 1, § 7; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben, teils weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der nach §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Weise dargetan wurden, teils weil sie nicht gegeben sind.
1. a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat die Abweichung (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) des finanzgerichtlichen Urteils von zwei Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht hinreichend "bezeichnet". Hierzu ist darzutun, daß das Finanzgericht (FG) seiner Entscheidung -- zumindest konkludent -- einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von einem tragenden abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des BFH abweicht. In der Beschwerdebegründung müssen die abstrakten Rechtssätze des FG- Urteils und die divergierende(n) Entscheidung(en) des BFH so herausgearbeitet und einander gegenübergestellt werden, daß die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. August 1995 I B 62/95, BFH/NV 1996, 226; vom 16. September 1996 VIII B 135- 136/95, BFH/NV 1997, 298; vom 1. Oktober 1997 X B 89/96, BFH/NV 1998, 473). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Die vom Kläger den BFH-Urteilen vom 26. Januar 1989 IV R 151/86 (BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455) und vom 26. August 1993 I R 86/92 (BFHE 172, 341, BStBl II 1994, 168) zugeschriebenen Rechtssätze lassen sich den zitierten Entscheidungen nicht entnehmen. Zum einen handelt es sich nicht um abstrakte Rechtssätze, sondern um fallbezogene Aussagen; zum anderen sind die erwähnten Aussagen des BFH auch nicht tragend.
Der Kläger zieht insoweit letztlich andere, von denen des FG abweichende Schlußfolgerung und wendet sich damit gegen die nach seiner Ansicht unzutreffende Sachverhaltswürdigung sowie insbesondere gegen die in der Umsetzung der zitierten BFH- Rechtsprechung fehlerhafte Rechtsanwendung. Damit rügt er jedoch lediglich die inhaltliche Richtigkeit des Urteils, die behauptete Divergenz wird nicht bezeichnet (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137; vom 22. Januar 1997 X B 128/96, BFH/NV 1997, 371).
b) Soweit der Kläger eine Abweichung des finanzgerichtlichen Urteils vom BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82 (BFHE 154, 539) rügt, liegt eine Divergenz nicht vor. Zwar hat der BFH in BFHE 154, 539 die pachtweise Überlassung eines nicht patentfähigen Verfahrens, das auch von anderen Unternehmen angewendet wurde, nicht als wesentliche Betriebsgrundlage angesehen. Demgegenüber überließ der Kläger nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, bindenden Feststellungen des FG (vgl. §118 Abs. 2 FGO) die für die Erfindung angemeldeten Schutzrechte im Rahmen eines Nutzungsüberlassungsvertrages der GmbH "zur Verwertung in eigener Produktion". Daß die Schutzrechte auch anderweitig durch (ggf. unbefugte) Dritte angewendet wurden oder aufgrund von "Vorveröffentlichungen" die Möglichkeit dazu bestand, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Damit standen die Schutzrechte jedenfalls tatsächlich uneingeschränkt der GmbH zur Verfügung und konnten auch als ungeschützte Rechte (vgl. BFH in BFHE 172, 341, BStBl II 1994, 168 für den Fall eines umfänglichen Weiterverwertungsrechts) deren wesentliche Betriebsgrundlage sein (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1988 III R 258/84, BFH/NV 1989, 321, 322, rechte Spalte).
2. Der Kläger hat die Verfahrensmängel (nicht erhobener Beweis, Verletzung der Sachaufklärungspflicht, Nichtberücksichtigung von Aktenbestandteilen) nicht hinreichend "bezeichnet".
a) Wird als Verfahrensmangel ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§76 Abs. 1 FGO) mit der Begründung gerügt, das FG habe einen Beweisantrag übergangen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH genaue Angaben bzw. schlüssige Ausführungen zu bestimmten Punkten erforderlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. August 1996 VIII B 74/95, BFH/NV 1997, 133; vom 8. August 1996 V B 12/96, BFH/ NV 1997, 186; vom 17. Juli 1997 XI B 105/96, BFH/NV 1998, 53). Abgesehen davon, daß es angesichts der BFH-Urteile in BFH/NV 1989, 321 und in BFHE 172, 341, BStBl II 1994, 168 zur Überlassung von Schutzrechten als wesentliche Betriebsgrundlage an Ausführungen zur Erheblichkeit des Verfahrensmangels unter Beachtung der materiell-rechtlichen Auffassung des FG fehlt, hat der Kläger sein Rügerecht verloren (vgl. §155 FGO i.V.m. §295 der Zivilprozeßordnung; dazu im einzelnen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997 §115 Rz. 37). Bei den hier geltend gemachten verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht auch durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31. Juli 1997 III B 74/95, BFH/NV 1998, 970; vom 22. August 1997 III B 32/97, BFH/NV 1998, 333; vom 27. August 1997 X B 184/95, BFH/NV 1998, 336).
b) Wird mit einem behaupteten Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, der als solcher nicht zwingend ein Verfahrensmangel i.S. von §115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 1996 II B 108/96, BFH/NV 1997, 499; vom 9. Juli 1997 V B 5/97, BFH/NV 1998, 45, 46), letztlich geltend gemacht, das FG habe seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt (Verstoß gegen §96 Abs. 1 Satz 1 FGO), müssen nicht nur die Aktenteile, die das FG nach Ansicht des Klägers nicht berücksichtigt hat, genau bezeichnet werden, sondern es muß außerdem dargelegt werden, welche Schlußfolgerungen sich dem FG -- ausgehend von dessen materiell-rechtlicher Auffassung -- nach Ansicht des Klägers aufgrund dieser Tatsachen hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH- Beschlüsse vom 12. September 1996 X B 76/96, BFH/NV 1997, 246; vom 4. Dezember 1997 VIII B 18/97, BFH/NV 1998, 859). Hierzu fehlen -- unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG -- jedenfalls Ausführungen zur Erheblichkeit des gerügten Verfahrensmangels.
3. Der Beschluß ergeht im übrigen nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 154154 |
BFH/NV 1999, 630 |