Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsbegründung muß sich mit dem FG-Urteil auseinandersetzen
Leitsatz (NV)
Eine Revision ist dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn sich der zur Begründung der Revision eingereichte Schriftsatz nicht mit den Gründen auseinandersetzt, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, sondern lediglich frühere schriftliche Ausführungen zur Klagebegründung wörtlich wiedergibt (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Oktober 1982 I R 71/82 BFHE136, 521, BStBl II 1983, 48). Es reicht weder aus, auf das Vorbringen in der Klageschrift Bezug zu nehmen, noch genügt es, eine Abschrift der Einspruchsbegründung einzureichen.
Normenkette
FGO § 120 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), dessen Ehe geschieden ist, wurde für das Streitjahr (1974) mit seiner damaligen Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Einspruch des Klägers gegen diese Steuerfestsetzung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das FG-Urteil ist dem Kläger am 30. April 1984 zugestellt worden.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er beantragt,
die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 1974 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Mit Begleitschreiben vom 28. Mai 1984 hat der Prozeßbevollmächtigte als Revisionsbegründung die Ablichtung eines von ihm unterzeichneten Schriftsatzes eingereicht, der mit ,,Begründung" überschrieben ist, kein Datum trägt und auch keinerlei Hinweis auf die angefochtene Entscheidung enthält. Der letzte Teil dieses Schriftsatzes hat folgenden Wortlaut:
,,Hinsichtlich der Zuständigkeit des Senats ist vorzutragen:
Von der mit Schreiben des Finanzamtes F, Rechtsbehelfsstelle, vom 8. 11. 1983 an das Finanzgericht übersandten Zustimmungserklärung des Finanzamtes M hat die Klägerin keine Ausfertigung erhalten; davon unabhängig kann jedoch durch eine verwaltungsmäßige Vereinbarung zwischen Finanzämtern nicht ein nach der Geschäftsordnung unzuständiger Senat mit einem Rechtsmittelverfahren befaßt werden.
Die Klägerin hat mit der Erklärung vom 27. 11. 1983 ausdrücklich ihren Anspruch betont, daß die Behandlung bei dem nach Artikel 101 (2) GG zuständigen Senat erfolgt. Selbst ein Verwaltungsabkommen oder eine Verwaltungsregelung kann Grundrechte nicht unwirksam werden lassen. Die vorerwähnte Erklärung der Klägerin wurde am Tag vor dem Prozeßtermin der Vorinstanz vorgelegt, jedoch nicht berücksichtigt."
Den gleichen Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte als Revisionsbegründung in dem Revisionsverfahren VIII R 9/84 mit Begleitschreiben vom 10. April 1984 - beim Bundesfinanzhof (BFH) am 13. April 1984 eingegangen - eingereicht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Revision zurückzuweisen.
Das FA meint, die Revision sei unzulässig, weil sie nicht erkennen lasse, daß der Kläger das FG-Urteil nachgeprüft und sich mit den Gründen auseinandergesetzt habe. Die vorliegende Revisionsbegründung sei identisch mit derjenigen, die im Revisionsverfahren VIII R 9/84 Verwendung gefunden habe. Sie sei in diesem Revisionsverfahren in einem Zeitpunkt eingereicht worden, als das hier angefochtene Urteil dem Prozeßbevollmächtigten noch nicht zugestellt gewesen sei. Eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen sei daher unmöglich. Daß die vorliegende Revisionsbegründung keinerlei Bezug zu dem angefochtenen Urteil aufweise, ergebe sich auch noch daraus, daß
- eingangs auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen werde,
- in der Begründung von der ,,Klägerin" gesprochen werde und
- im letzten Absatz eine Verfahrensrüge angebracht werde, die im anhängigen Verfahren keinerlei Bedeutung habe.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist unzulässig, weil die als Revisionsbegründung eingereichte ,,Begründung" nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht. Danach muß in der Revisionsbegründung dargelegt werden, weshalb der Revisionsführer dem angefochtenen Urteil nicht zustimmt. Die Revisionsbegründung muß aus sich selbst erkennen lassen, daß sich der Revisionsführer mit den Gründen auseinandersetzt, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht (v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 FGO Anm. 23). Eine Revision ist demzufolge dann nicht ordnungsgemäß begründet, wenn der zur Begründung der Revision eingereichte Schriftsatz lediglich frühere schriftliche Ausführungen wörtlich wiedergibt (BFH-Beschluß vom 6. Oktober 1982 I R 71/82, BFHE 136, 521, BStBl II 1983, 48). Es reicht auch nicht aus, auf das Vorbringen in der Klageschrift Bezug zu nehmen, noch genügt es, eine Abschrift der Einspruchsbegründung einzureichen. Denn es ist denkgesetzlich ausgeschlossen, daß sich das Vorbringen in der Klageschrift oder in der Einspruchsbegründung mit den Gründen des später ergehenden FG-Urteils befaßt (BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1973 V R##38/72, BFHE 110, 324, BStBl II 1974, 13). Das gleiche muß nach Ansicht des Senats auch hinsichtlich der Verweisung auf eine vor dem Ergehen des FG-Urteils gefertigte Begründung oder der wörtlichen Wiedergabe einer solchen Begründung in einem anderen Revisionsverfahren gelten, denn auch hier ist es denkgesetzlich ausgeschlossen, daß sich das Vorbringen in der vor dem Ergehen des FG-Urteils für ein anderes Revisionsverfahren gefertigten Begründung mit den Gründen des später ergehenden FG-Urteils befaßt.
2. Der vom Kläger als Revisionsbegründung eingereichte Schriftsatz läßt aus sich selbst nicht erkennen, daß sich der Revisionskläger mit den Gründen auseinandersetzt, auf denen das angefochtene FGUrteil beruht. Eine solche Auseinandersetzung war auch gar nicht möglich, weil der Schriftsatz bereits vor dem Zeitpunkt gefertigt worden ist, in dem dem Kläger das angefochtene Urteil zugestellt wurde. Letzteres geschah am 30. April 1984. Der als Revisionsbegründung verwendete Schriftsatz ist jedoch schon vor dem 30. April 1984 gefertigt worden, wie sich aus seiner Verwendung als Revisionsbegründung in dem Verfahren VIII R 9/84 ergibt.
Daß der als Revisionsbegründung eingereichte Schriftsatz sich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt, sondern für das Revisionsverfahren VIII R 9/84 oder dem diesen vorangegangenen Klageverfahren gefertigt worden ist, ergibt sich auch, worauf das FA zutreffend hinweist, aus der Verwendung der Bezeichnung ,,Klägerin" und den oben wörtlich wiedergegebenen Ausführungen am Ende der ,,Begründung".
3. Zu einem anderen Ergebnis kann man auch dann nicht kommen, wenn man von der Ansicht ausgeht, daß eine Bezugnahme auf Schriftsätze der Vorinstanz dann nicht unzulässig ist, wenn sich aus einem bezogenen Schriftsatz hinreichend deutlich ergibt, was gegenüber dem angefochtenen Urteil gerügt werden soll und wenn ,,mehr zu der Frage einfach nicht zu sagen ist" (Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 19. September 1966 VIII ZB 23/66, Versicherungsrecht 1966, 1138; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 11 D S. 399). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor; denn das angefochtene Urteil enthält umfassende Ausführungen, auf die in dem als Revisionsbegründung bezeichneten Schriftsatz nicht eingegangen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 414372 |
BFH/NV 1986, 344 |