Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung von GrESt in einem den Bauherrenmodellen ähnlichen Fall
Leitsatz (NV)
1. Was Gegenstand der auf eine Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) ist, das unbebaute Grundstück oder das Grundstück in einem künftigen Zustand nach Bebauung, ist jeweils zu ermitteln.
2. Um einzugrenzen, was die Beteiligten mit Rechtsfolgewillen und Rechtswirkung erklärt haben, ist unter Beachtung von §§ 133 und 157 BGB nach dem objektiv verwirklichbaren Willen der vertragschließenden Personen zu forschen.
3. Zur entsprechenden summarischen Prüfung in einem in gewissem Umfang mit Bauherrenmodellen vergleichbaren Einzelfall.
Normenkette
AO 1977 §§ 42, 173 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 133, 157; FGO § 69 Abs. 3; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klin. und Beschwerdegegnerin (Klin.) ist mit Vertrag vom 13. Oktober 1982 gegründet worden. Sie firmierte damals als Z-KG. Die Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 2. Februar 1983. Gründungsgesellschafter waren die Z-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin ohne Einlage und A als Kommanditist mit einer Einlage in Höhe von . . . DM. Laut Handelsregistereintrag vom 11. Mai 1983 ist A ausgeschieden und seine Einlage auf B übergegangen. Dieser ist 1983 ausgeschieden. Der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag ist nicht bekannt. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 1. September 1983 zwischen der Z-GmbH und B ist Gegenstand der Gesellschaft der Erwerb und die Bebauung des Grundstücks X-Straße im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues mit einem Wohn- und Geschäftshaus sowie dessen anschließende Vermietung. Die Gesellschaft ist auf unbestimmte Zeit geschlossen; das Gesellschaftsverhältnis kann erstmals zum 31. Dezember 1992 gekündigt werden. Abschichtung (bei Ausscheiden) bzw. Auseinandersetzung erfolgen in Geld. Nach § 4 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrags ist die persönlich haftende Gesellschafterin berechtigt und bevollmächtigt, das Gesellschaftskapital durch Aufnahme weiterer oder Erhöhung der Einlage bereits vorhandener Kommanditisten bis zu einem Betrag von insgesamt . . . DM zu erhöhen, wobei die Zeichnung des ausstehenden Kommanditkapitals durch einen Treuhandkommanditisten erfolgen kann (§ 4 Nr. 3). Bis spätestens 5. Dezember 1983 sind als weitere Kommanditisten eingetreten die Y AG mit einer Einlage von . . . DM sowie die W-GmbH mit einer (für 20 Kommanditisten treuhänderisch gehaltenen) Einlage in Höhe von . . . DM, während B als Kommanditist ausgeschieden ist. Neben der Einlage hatten die Gesellschafter ein unverzinsliches Darlehen in Höhe von 1/4 der Kommanditeinlage zu gewähren. Gesellschafter der Z-GmbH waren am 1. September 1983 C (alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer), D und A.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 5. Dezember 1983 veräußerte die S-GmbH, gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer C und B, an die Klin. einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück V-Straße / X-Straße verbunden mit dem Sondereigentum an dem durch Teilungserklärung vom 7. November 1983 gebildeten Teileigentum II zu einem Kaufpreis von . . . DM (der Kaufgegenstand wurde später in eine reale Fläche X-Straße geändert). In der Urkunde erklärten die Kaufvertragsparteien, ,,daß das Grundstück plangemäß mit einem mehrgeschossigen Gebäude bebaut" werde, das Wohnungen enthalten soll, die im öffentlich geförderten bzw. sozialen Wohnungsbau errichtet werden (Teileigentum II). Daneben bleibt der bereits vorhandene Altbau bestehen (Teileigentum I).
Wegen des Grundstückserwerbs setzte das FA gegen die Klin. mit Bescheid vom 13. Januar 1984 GrESt in Höhe von . . . DM fest.
Auf Anordnung des FA fand in der Zeit vom 6. Oktober bis 17. Dezember 1986 bei der Klin. eine sich auf die GrESt im Hinblick auf den Erwerb des Grundstücks X-Straße allein erstreckende Außenprüfung statt. Dabei stellte der Prüfer folgende zeitliche Abfolge fest:
4. Juli 1982
Antrag der Veräußerin bei der Wohnungskreditanstalt auf Gewährung öffentlicher Mittel
September 1983
endgültige Fassung des detaillierten Beteiligungsprospekts
29. September 1983
Bauzeichnung der Architekten A und B
10. November 1983
Antrag der Klin. auf Erteilung der Baugenehmigung
September bis
November 1983
Abschluß der mit dem Bauvorhaben zusammenhängenden Verträge mit Ausnahme des Bauwerksvertrages (Generalunternehmervertrages), der erst 1984 geschlossen wurde.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, ,,daß trotz der im vorliegenden Fall getrennt abgeschlossenen Verträge im Wege der Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragsparteien das Vorliegen eines einheitlichen Vertragswerkes anzunehmen ist und somit die Gegenleistung aus dem Gesamtvertragswerk zu entnehmen ist". Die steuerpflichtige Gegenleistung bezifferte er auf . . . DM.
Das FA schloß sich der Auffassung des Prüfers an und setzte mit nach § 173 AO 1977 geändertern Bescheid vom 30. Juni 1987 gegen die Klin. die GrESt nunmehr auf . . . DM fest. Unter Zurückweisung des Einspruchs als unbegründet setzte das FA die Steuer in der Einspruchsentscheidung vom 27. November 1987 auf . . . DM fest. Die Änderung stützte es auf § 129 AO 1977 und führte aus, die zur Bemessungsgrundlage gehörenden Kosten für Finanzbuchhaltung hätten . . . DM betragen.
Über die Klage, mit der die Aufhebung des Änderungsbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung begehrt wird, ist noch nicht entschieden.
Nachdem die Klin. beim FA ergebnislos Gewährung der Aussetzung der Vollziehung des . . . DM übersteigenden Betrages begehrt hatte, stellte sie beim FG Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO. Im Laufe dieses Verfahrens hat das FA durch Verfügung vom 7. Dezember 1987 die Vollziehung eines Teilbetrags in Höhe von . . . DM ab Fälligkeit von der Vollziehung ausgesetzt. Es hielt die Einbeziehung bestimmter Finanzierungs- und Bürgschaftskosten in die Bemessungsgrundlage für ernstlich zweifelhaft. Die Beteiligten haben den Streit insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Das FG entsprach dem dementsprechend eingeschränkten Antrag der Klin. Es bejahte die Ähnlichkeit des Sachverhalts mit demjenigen der dem Senatsbeschluß vom 18. September 1985 II B 24-29/85 (BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) - auf den sich das FA berufen hat - in wirtschaftlicher, nicht aber in rechtlicher Hinsicht; denn im Streitfall hätten die Treugeber-Kommanditisten im wesentlichen Kapitaleinlagen erbringen und Verluste infolge erhöhter Abschreibungen nach § 14 a Abs. 1 BerlinFG erzielen wollen, ohne auf das Baugeschehen entscheidenden Einfluß nehmen zu können. Trotz formaler Anknüpfung an den Kaufvertrag vom 5. Dezember 1983 sei das FA wohl davon ausgegangen, daß nur die Kommanditisten Adressaten des den Grundstückskaufvertrag einschließenden Vertragsbündels gewesen seien, von welcher Auffassung auch das FG ausgehe. Es könnten aber den Treugeber-Kommanditisten grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgänge nicht zugerechnet werden, und zwar mangels bürgerlich-rechtlichem oder wirtschaftlichem Erwerbs von Miteigentumsanteilen. Auch eine Übertragung sämtlicher Anteile an einer Personengesellschaft sei im originären Beitritt der Kommanditisten zur Klin. nicht zu sehen.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag der Klin. abzuweisen, hilfsweise Vollziehungsaussetzung nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren. Das FG habe den Gegenstand der Besteuerung verkannt. Gegenstand des steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs sei das Grundstück mit dem entsprechend dem Gesellschaftsvertrag noch zu errichtenden Gebäude, weil mehrere Verträge zusammenhängend angeboten und auch zeitlich folgerichtig abgeschlossen worden seien. Erst die Beteiligung am Eigenkapital des Gesamtprojekts habe es nach dessen vollständiger Zeichnung ermöglicht, den auf die Realisierung des Bauvorhabens ausgerichteten Gesellschaftszweck der Klin. auch durch Abschluß der weiteren Verträge zu erfüllen. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, die Kommanditisten als alleinige Adressaten des Vertragsbündels anzusehen; sie stellten in ihrer Gesamtheit vielmehr ein notwendiges Bindeglied beim Zustandekommen der Vertragsabschlüsse zwischen der Klin. und ihren diversen Vertragspartnern dar und seien ein Indiz dafür, daß ohne Beitritt und vollständiger Zeichnung des Kommanditkapitals die von der Initiatorengruppe konzipierten übrigen Vertragsschlüsse illusorisch gewesen seien. Zur Begründung des Hilfsantrags, den das FA vor dem FG nicht gestellt hatte, führt das FA aus, es sei gegenwärtig ungewiß, ob nach rechtskräftigem Abschluß des Hauptsacheverfahrens die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klin. so beschaffen seien, daß der Steueranspruch nicht gefährdet ist. Daß dazu keine Feststellungen getroffen werden könnten, gehe zu Lasten der Klin.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des FA ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Zutreffend hat das FG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids vom 30. Juli 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. November 1987, die nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts rechtfertigen, bejaht.
1. Der GrESt unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 ein Kaufvertrag oder ein anderes den Anspruch auf Übereignung eines Grundstückes begründendes Rechtsgeschäft. Was Gegenstand der auf eine Grundstücksübereignung abzielenden Vereinbarungen ist - das unbebaute Grundstück oder das Grundstück in einem Zustand, den es erst künftig (durch Bebauung) erhalten soll -, ist jeweils zu ermitteln. Dabei ist unter Beachtung von §§ 133, 157 BGB nach dem Willen der vertragschließenden Personen zu forschen, der objektiv verwirklicht werden kann, um derart einzugrenzen, was die Beteiligten mit Rechtsfolgewillen und mit Rechtswirkung erklärt haben.
Im vorliegenden Fall mag zwar die Bebauung des Grundstücks durch eine kapitalistisch ausgestaltete KG von vornherein, zumindest im Zeitpunkt der Prospektauflage durch die Klin., mit der die (geldgebenden) Kommanditisten geworben werden sollten, ,,beschlossene Sache" gewesen sein. Aus dieser Sicht hat auch das FG eine gewisse Vergleichbarkeit mit denjenigen Gestaltungen, die unter dem Schlagwort ,,Bauherrenmodelle" verstanden werden, bejaht. Es ist insofern zutreffend davon ausgegangen, daß die Einbindung der Treugeberkommanditisten in die von der persönlich haftenden Gesellschafterin (der Z-GmbH) im Zusammenwirken mit der Grundstücksveräußerung (der S-GmbH) sowie etwaigen Dritten entworfene Bebauung des Grundstücks (einschließlich der ggf. bereits ausgearbeiteten Fremdfinanzierung) die Möglichkeit nicht völlig ausgeschlossen erscheinen läßt, daß die Bebauung bei Beitritt der Treugeber-Kommanditisten bereits beschlossen war und daß die mit dieser Gestaltung verfolgten Ziele auf das bebaute Grundstück gerichtet waren. Doch spricht bei der summarischen Prüfung des Falles im Vollziehungsaussetzungsverfahren mehr dagegen, daß die Einbindung der geldgebenden Treugeber-Kommanditisten in das konzipierte Projekt - auch wenn sie selbst keinen Einfluß auf dieses nehmen konnten - letztlich von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Denn die gewählte rechtliche Konstruktion - Vertragsabschlüsse durch die erwerbende Klin. - spricht für die Annahme, daß die Klin. gerade nicht von der S-GmbH (in Zusammenwirkung mit Dritten) das Grundstück, dessen Erwerb der Besteuerung unterworfen ist, nur in einem Zustand erhalten sollte, den es im Abschluß des Grundstückskaufvertrags vom 5. Dezember 1983 (noch) nicht hatte.
Allein die personelle Verflechtung eines Großteils der an der Realisierung der ,,beschlossenen Sache" beteiligten Vertragspartner reicht hierfür nicht ohne weiteres aus. Ebensowenig kann der Gedanke des FA, daß ohne Beitritt der (Treugeber-) Kommanditisten die von der Initiatorengruppe geplanten übrigen Vertragsabschlüsse ,,illusorisch" geworden wären, bei summarischer Prüfung eine grunderwerbsteuerrechtliche Differenzierung ermöglichen; es dürfte sich insoweit lediglich um eine Frage der Beschaffung des erforderlichen Kapitals handeln.
Da nach den vom FG wiedergegebenen Feststellungen des FA das Kommanditkapital im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs bereits voll ,,gezeichnet" und der Nachfolger des Gründungskommanditisten bereits unter Kapitalherabsetzung zu diesem Zeitpunkt ausgeschieden war, ist nicht ersichtlich, wieso der Beitritt der Kommanditisten als Übertragung der Gesellschaftsanteile dem Erwerb des Grundstücks, das noch nicht im Gesamthandsvermögen war, gleichkommen könnte. Dabei ist es unerheblich, ob die Klin., wie das FA in der Beschwerdebegründung ausführt, als ,,Schein-KG" (und folglich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts) anzusprechen ist. Denn die Auswechslung aller Gesellschafter einer Personengesellschaft kann grunderwerbsteuerrechtlich nur dann bedeutsam werden, wenn zum Vermögen der Gesellschaft im Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels in grunderwerbsteuerrechtlicher Sicht ein Grundstück gehört.
Da die Gesellschaft auf unbestimmte Zeit abgeschlossen ist und erstmals zu einem Zeitpunkt gekündigt werden kann, der mehr als neun Jahre nach Kommanditistenbeitritt liegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Klin. zum Zwecke der Ersparung von GrESt als Transportmittel zum Erwerb von Miteigentumsanteilen durch die Treugeber-Kommanditisten am bebauten Grundstück zwischengeschaltet worden wäre in einer Weise, die es kraft der nach § 42 AO 1977 gebotenen Tatbestandsanalogie erlaubte, den Erwerb durch die Klin. als nicht geschehen anzusehen.
Ob angesichts der kapitalmäßig dominierenden Stellung der Treugeber-Kommanditisten, die an dem fertigen Objekt interessiert, aber ohne entscheidenden Einfluß auf die Baugestaltung waren, davon ausgegangen werden kann, daß die Klin. (bei Würdigung aller Verträge) das bebaute Grundstück erworben hat, wird im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein.
2. Da konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des geltend gemachten Steueranspruchs vom FA nicht vorgetragen wurden und auch nicht ersichtlich sind, war im Hinblick auf die Rechtsauffassung des Senats von der Anordnung einer Sicherheitsleistung Abstand zu nehmen (vgl. auch BFH-Beschluß vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127).
Fundstellen
Haufe-Index 416510 |
BFH/NV 1990, 323 |