Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur zulassungsfreien Revision wegen mangelnder Vertretung
Leitsatz (NV)
1. Versäumt ein Prozeßbeteiligter den Termin zur mündlichen Verhandlung aus einem in seiner Person liegenden Grund, liegt kein Fall der fehlenden Vertretung im Verfahren i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor.
2. Weigert sich das FG, einem Antrag auf Terminsvertagung stattzugeben, und führt es die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durch, liegt kein Fall des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 119 Nrn. 3-4; GG Art. 103
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1987 bis 1990 als Rechtsanwalt selbständig tätig. Seine Anfechtungsklagen gegen die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) für die Streitjahre erlassenen Einkommensteuerbescheide wies das Finanzgericht (FG) nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger nicht erschienen war, ab; die Revision gegen seine Urteile ließ es nicht zu.
Mit seinen dagegen gerichteten Revisionen trägt der Kläger gleichlautend vor, er habe mit Schreiben vom 3. März 1994 auf eine Terminskollision hingewiesen und erklärt, nicht selbst erscheinen zu können. Dieses Schreiben sei nach dem Termin zurückgekommen. Die gleichwohl ergangenen angefochtenen Urteile beruhten daher auf einem wesentlichen Verfahrensmangel. Im übrigen habe er den Steuerberater X mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt und sei davon ausgegangen, daß dieser ihn vertrete.
Entscheidungsgründe
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen (§ 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) sind nicht statthaft und damit unzulässig.
1. Gegen die Urteile des FG konnte der Kläger Revision einlegen, wenn diese vom FG oder auf Beschwerde vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen worden war (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, konnte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerden einlegen und mit diesen auch geltend machen, daß das Verfahren des FG an einem Mangel leide, auf dem die Entscheidung beruhen könne (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Der Kläger hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern unmittelbar Revisionen zum BFH eingelegt. Eine derartige Revision kann nur auf die in § 116 Abs. 1 FGO angegebenen Mängel gestützt werden. Werden solche Mängel in der Revisionsbegründung nicht dargelegt, ist die Revision nicht statthaft und als unzulässig zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
2. Im Streitfall beruft sich der Kläger darauf, daß das FG aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden habe, obwohl er aufgrund eines anderen Termins verhindert gewesen sei zu erscheinen und dies dem FG auch mitgeteilt habe. Darin sieht der Kläger einen wesentlichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen müsse.
a) Der erkennende Senat hat bereits erhebliche Zweifel an dem Vortrag des Klägers, das FG habe seine Anträge auf Terminsverlegung zu Unrecht mißachtet. Zwar tragen die vom Kläger erwähnten Anträge auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 10. März 1994 das Datum des 3. März 1994. Ausweislich des Eingangsstempels des FG sind die Schreiben dem FG aber erst am 29. April 1994, also weit mehr als einen Monat nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung und genau einen Monat nach Zustellung der Vorentscheidungen am 29. März 1994 zugegangen. Widersprüchlich ist auch der Vortrag des Klägers, er sei davon ausgegangen, daß er durch den von ihm beauftragten Steuerberater X vertreten worden sei. Entsprechend hat der Kläger zwar auch in seinen Anträgen auf Terminsverlegung vorgetragen, er gehe davon aus, daß es ausreiche, wenn sein Steuerberater den Termin wahrnehme. Bereits mit Schriftsatz vom 20. Januar 1994 hat der genannte Steuerberater dem FG jedoch mitgeteilt, daß er das Mandat niedergelegt habe, nachdem ihm die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung gestellt worden seien. Es ist äußerst unwahrscheinlich, daß der Kläger von der Mandatsniederlegung keine Kenntnis hatte. Einer weiteren Klärung dieser Widersprüche bedarf es im Streitfall jedoch nicht; selbst wenn man den Vortrag des Klägers als richtig unterstellt, fehlt es an einem Revisionsgrund i. S. des § 116 Abs. 1 FGO.
b) Soweit der Kläger einen Mangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO geltend gemacht haben sollte, kann sein Vorbringen keinen Erfolg haben. Nach dieser Vorschrift liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war und der Prozeßführung auch nicht zugestimmt hat. Wird ein solcher Mangel nachgewiesen, ist das angefochtene Urteil stets aufzuheben, weil unwiderleglich vermutet wird, daß es auf diesem Mangel, einem absoluten Revisionsgrund nach § 119 Nr. 4 FGO, beruht.
In seiner Entscheidung vom 27. Januar 1988 IV R 14/86 (BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447) hat der Senat jedoch ausgeführt, daß kein Fall des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vorliegt, wenn ein Prozeßbeteiligter den Termin zur mündlichen Verhandlung aus einem in seiner Person liegenden Grund versäumt. Vielmehr müsse es sich um den Fall handeln, daß das Gericht die gesetzlichen Vorschriften nicht beachtet hat. Dies trifft im Streitfall nicht zu. Das FG hat bei Vorbereitung und Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht gegen Verfahrensvorschriften verstoßen. Es hat die Ladung zur mündlichen Verhandlung unter Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Frist des § 91 Abs. 1 FGO verfügt und den nach § 91 Abs. 2 FGO vorgesehenen Hinweis aufgenommen. Diese Ladung ist dem Kläger am 17. Februar 1994 mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. In der Sitzung vom 10. März 1994 hat das Gericht die ordnungsmäßige Ladung des Klägers festgestellt und im Anschluß daran trotz seiner Abwesenheit verhandelt.
Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, daß sich das Gericht in Kenntnis des auf den 3. März 1994 datierten Schreibens des Klägers geweigert haben sollte, den Termin zu vertagen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kein Fall des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO gegeben (vgl. BFH-Beschluß vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401, und zuletzt Beschluß vom 16. September 1991 IX R 43/91, BFH/NV 1992, 187 m. w. N.). Auch darin hat der BFH keine Verletzung von Verfahrensvorschriften, sondern allenfalls eine Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs i. S. des § 119 Nr. 3 FGO i. V. m. Art. 103 des Grundgesetzes gesehen. Diese Rüge ist jedoch in der Aufzählung der Gründe für die zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) nicht enthalten.
Die Revision kann auch nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (vgl. Beschluß in BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447). Auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung hingewiesen worden; sie muß ihm als Rechtsanwalt ohnehin bekannt sein.
Fundstellen
Haufe-Index 420057 |
BFH/NV 1995, 137 |