Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des Einzelrichters
Leitsatz (NV)
Hat über ein Richterablehnungsgesuch gegen den Einzelrichter (§6 FGO) nicht, wie es nach den Umständen erforderlich gewesen wäre, der FG-Senat als Kollegialgericht entschieden, so führt die Beschwerde des Antragstellers gegen den das Richterablehnungsgesuch zurückweisenden Beschluß des FG trotz des schwerwiegenden Verfahrensfehlers nicht zwingend zur Aufhebung und Zurückverweisung. Dies wird vernünftigerweise nur dann der Fall sein, wenn nach dem Vorbringen des Beteiligten, der den Richter abgelehnt hat, ein Erfolg in der Sache nicht völlig aussichtslos erscheint. Ist dies bei summarischer Betrachtung so gut wie ausgeschlossen, entscheidet der BFH selbst (Abgrenzung und Weiterführung des BFH-Beschlusses vom 26. August 1997 VII B 80/97, BFH/NV 1998, 463).
Normenkette
ZPO § 114; FGO § 142 Abs. 1, §§ 119, 6; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2; FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO § 45 Abs. 1
Tatbestand
Die Antragstellerin hat beim Finanzgericht (FG) eine Klage anhängig gemacht, mit der sie begehrt, den Beklagten (das Finanzamt -- FA --) zu verurteilen, über eine von ihr im Jahre 1988 eingelegte Dienstaufsichtsbeschwerde zu befinden, sowie festzustellen, daß das FA durch Verwaltungsakt wider besseres Wissen unwahre Tatsachen verbreitet habe, die ihre Kreditwürdigkeit verletzten. Einige Tage später teilte X, der mit der Antragstellerin einen gemeinsamen Haushalt führt (im folgenden: Kläger), dem FG schriftsätzlich mit, daß er auf Seiten der Antragstellerin in das Klageverfahren eintrete, weil er damals ebenfalls Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt habe, über die auch noch nicht entschieden worden sei. In einer Anlage zu diesem Schriftsatz erklärte sich die Antragstellerin mit dem Beitritt des Klägers einverstanden. Das FA hat dem Beitritt nicht zugestimmt. Daraufhin hat das FG das Verfahren des Klägers abgetrennt und unter dem Az. 1 K ... /97 fortgeführt. Sodann begehrten die Antragstellerin und der Kläger u.a. die Verbindung beider Klageverfahren zu einem Verfahren.
Nach Übertragung beider Verfahren auf den Einzelrichter bestimmte die Einzelrichterin, Richterin am Finanzgericht St, Termin zur mündlichen Verhandlung für beide Sachen aufeinanderfolgend am selben Tag. Nach Verlegung dieser Termine auf Antrag der Antragstellerin bzw. des Klägers lehnte die Antragstellerin -- wie auch der Kläger im Verfahren 1 K ... /97 -- die Einzelrichterin St wegen Besorgnis der Befangenheit ab.
Zur Begründung brachte sie, soweit für die Richterablehnung in diesem Verfahren relevant, im wesentlichen vor, die Richterin St habe die gegen den ausdrücklichen Wunsch der Kläger erfolgte Abtrennung der Verfahren nicht begründet, so daß dies nicht nachvollziehbar sei, durch Verwechslung der Aktenzeichen fehlerhafte Beschlüsse erlassen und dadurch Verwirrung gestiftet, den Beitritt des Klägers als "subjektiv" kommentiert, den Sinn der gemeinsamen Klage durch Trennung der Verfahren entstellt bzw. deren Ziel, die Verpflichtung des FA zu einer Entscheidung im Wege einer Untätigkeitsklage, nicht erkennen wollen, sich dem ausdrücklichen Wunsch der Verbindung beider Verfahren widersetzt, es ferner unterlassen, das FA zur Stellungnahme auf den Schriftsatz vom 30. Dezember 1997 aufzufordern, einen Beschluß über die beantragte Beiziehung von Akten aus anderen Verfahren unterlassen und damit ein Beweisangebot übergangen. Des weiteren sei St aufgrund ihrer Vorbefassung mit einem früheren Verfahren 1 K ... /95 vorzeitig festgelegt und nicht bereit, die jetzigen Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und vollständig zu würdigen. Durch alle diese Handlungsweisen habe St Mißtrauen geschaffen, das berechtigte Zweifel an ihrer Neutralität und Objektivität aufkommen lasse.
Nach Einholung einer dienstlichen Äußerung der St, in der sich diese nicht für befangen ansieht, und nach neuerlicher Anhörung der Antragstellerin hierzu wies das FG durch den Vorsitzenden Richter des FG-Senats als Vertreter der Einzelrichterin das Befangenheitsgesuch der Antragstellerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, es könne dahinstehen, ob der St in verfahrensrechtlicher Hinsicht Fehler unterlaufen seien, denn das Institut der Richterablehnung habe nicht den Sinn, den Beteiligten vor Fehlern des Richters zu schützen, da ihm insoweit die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung ständen. Allerdings sei darauf hinzuweisen, daß die Trennung und Verbindung von Verfahren im Ermessen des Einzelrichters stehe und als prozeßleitende Anordnung nicht anfechtbar sei und auch keiner Begründung bedürfe. Auch im übrigen habe St keine Verfahrensfehler begangen; jedenfalls aber sei nicht erkennbar, daß eine mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung der St gegenüber der Antragstellerin oder auf Willkür beruhe. Der Umstand schließlich, daß St bereits in dem früheren Verfahren des Klägers gegen das FA wegen Haftungsbescheid mitgewirkt habe, sei für das vorliegende Verfahren ohne Belang.
Gegen die Zurückweisung ihres Ablehnungsgesuchs möchte die mittellose Antragstellerin Beschwerde einlegen. Sie hat deshalb innerhalb der Beschwerdefrist unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst einem Bescheid des Sozialamts über die Gewährung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz beim Bundesfinanzhof (BFH) einen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines zur Vertretung vor dem BFH berechtigten Prozeßbevollmächtigten zur Durchführung eines entsprechenden Beschwerdeverfahrens gestellt.
In der Begründung ihres PKH-Antrags wiederholt die Antragstellerin im wesentlichen den Inhalt ihres Richterablehnungsgesuchs, nämlich: Schon nach Klageeinreichung habe St, damals als Berichterstatterin des FG-Senats, erkennbar den Sinn der Klage in eine andere Richtung verändern wollen, später dann die Verfahren gegen ihren -- der Antragstellerin -- und des Klägers Willen getrennt und dadurch den eigentlichen Zweck des Beitritts torpediert, den Beitritt des Klägers als "subjektive Klageerweiterung" bezeichnet, das FA nicht aufgefordert, zu dem Klageantrag Stellung zu nehmen, sondern gleich die mündliche Verhandlung angesetzt und die beantragte Beiziehung von Akten unterlassen. Auch durch die Vorbefassung in dem früheren Verfahren sei St befangen. Sie habe insgesamt ihre gesetzliche Neutralität verlassen und sie -- die Antragstellerin und den Kläger -- gegenüber dem FA benachteiligt.
Entscheidungsgründe
1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten für eine noch einzulegende Beschwerde durch einen zur Vertretung vor dem BFH berechtigten Prozeßbevollmächtigten ist zulässig.
Die Antragstellerin durfte den PKH-Antrag persönlich stellen, weil dieser nicht dem Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs unterliegt (siehe z.B. BFH-Beschluß vom 20. Juli 1994 I S 19/93, BFH/NV 1995, 427). Auch könnte das Beschwerdeverfahren, für dessen Durchführung PKH begehrt wird, zum BFH gelangen. Zwar ist hierfür die Beschwerdefrist (§129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) bereits abgelaufen, doch könnte der BFH der Antragstellerin aufgrund ihrer Mittellosigkeit wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligen, da sie, wie erforderlich, innerhalb der Beschwerdefrist den PKH-Antrag gestellt, die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach §142 Abs. 1 FGO i.V.m. §117 Abs. 2 und 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auf dem vorgeschriebenen Vordruck abgegeben und hinreichend brauchbar zur Sache vorgetragen und damit ihre Darlegungspflicht, die auch einem Laien abverlangt werden kann, erfüllt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Juni 1997 X S 17/96, BFH/NV 1997, 897).
2. Der Antrag ist jedoch abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§142 Abs. 1 FGO i.V.m. §114 ZPO). Der Senat gelangt nach summarischer Prüfung zu diesem Ergebnis, obwohl der Beschluß, der angefochten werden soll, nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen ist.
a) Wird, wie im Streitfall, der Einzelrichter, dem gemäß §6 FGO der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden ist, als befangen abgelehnt, so ist, sofern nicht in Fällen offenbarer Unzulässigkeit oder rechtsmißbräuchlicher Ablehnung der Einzelrichter selbst über das Ablehnungsgesuch befinden darf (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, §51 Rz. 55), nicht etwa der geschäftsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Einzelrichters (gleichfalls als Einzelrichter), sondern der FG-Senat, dem der abgelehnte Richter angehört, als Kollegialgericht, für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständig (BFH-Beschluß vom 26. Juli 1996 VI B 15/96, BFH/NV 1997, 130). Zur näheren Begründung wird auf den jüngst veröffentlichten Senatsbeschluß vom 26. August 1997 VII B 80/97 (BFH/NV 1998, 463) Bezug genommen.
Da im Streitfall nicht der FG-Senat, sondern der Vorsitzende des Senats als Einzelrichter -- wohl als geschäftsplanmäßiger Vertreter der abgelehnten Richterin St -- über das Richterablehnungsgesuch der Antragstellerin entschieden hat, ist die Entscheidung nicht durch den in §45 Abs. 1 ZPO bestimmten gesetzlichen Richter getroffen worden. Da die Antragstellerin mithin ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden ist (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes), leidet der Beschluß des FG an einem schwerwiegenden Verfahrensfehler. Er unterläge in dem anzustrengenden Beschwerdeverfahren grundsätzlich der Aufhebung und der Zurückverweisung (BFH/NV 1998, 463).
b) Bei summarischer Betrachtung führte dies jedoch nicht notwendigerweise zu einem Erfolg der Beschwerde in der Sache, nämlich zu dem Ausspruch, daß die Richterin St wegen Befangenheit von einer weiteren Mitwirkung am Klageverfahren der Antragstellerin ausgeschlossen ist. Eine Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren mit der Folge, daß dann das FG in ordnungsgemäßer Besetzung erneut über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hätte, wäre zwar möglich; sie ist jedoch keineswegs zwingend und im Streitfall in einem künftigen Beschwerdeverfahren auch nicht zu erwarten.
Als zur Ermittlung des Sachverhalts und dessen Würdigung befugtes Beschwerdegericht darf der BFH grundsätzlich auch dann in der Sache selbst entscheiden, wenn die Vorentscheidung an einem wesentlichen Verfahrensmangel i.S. des §119 FGO -- hier die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des FG bei der Entscheidung über das Befangenheitsgesuch (§119 Nr. 1 FGO) -- leidet (vgl. BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1992 X B 62/92, BFH/NV 1994, 34, m.w.N.). Eine Entscheidung in der Sache selbst hat der Senat insbesondere in den Fällen getroffen, in denen bei der Vorentscheidung ein abgelehnter und damit kraft Gesetzes ausgeschlossener Richter unzulässigerweise mitgewirkt hat (vgl. z.B. Senatsbeschluß vom 15. Oktober 1996 VII B 272/95, BFH/NV 1997, 357). Im Streitfall liegt die Sache insofern anders und ist der Verfahrensverstoß insofern schwerwiegender, als hier nicht der gesetzlich vorgeschriebene Spruchkörper als Kollegium, sondern, was nach dem Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist, ein einzelner Richter dieses Kollegiums über die Ablehnung entschieden hat. Bei dieser Sachlage erschien es dem Senat in seiner Entscheidung in BFH/NV 1998, 463 zwar angemessen, zuvörderst die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch den zuständigen erstinstanzlichen gesetzlichen Richter herbeizuführen. Doch kann dieser Grundsatz vernünftigerweise nur dann Geltung haben -- und so verhielt es sich in dem entschiedenen Fall --, wenn nach dem Vorbringen des Beteiligten, der den Richter abgelehnt hat, ein Erfolg in der Sache nicht völlig ausgeschlossen erscheint und der BFH es zugunsten des Antragstellers, damit dieser keine Instanz verliert, für geboten erachtet, zunächst noch einmal der Vorinstanz eine erneute Beurteilung des Richterablehnungsgesuchs zu ermöglichen.
Im Streitfall erscheint jedoch ein Erfolg der Antragstellerin in der Sache bei summarischer Betrachtung so gut wie ausgeschlossen. Aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin zur Begründung ihres Richterablehnungsgesuchs -- neue Ablehnungsgründe könnten im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgebracht werden (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Juli 1994 I B 140/93, BFH/NV 1995, 400) -- würde der Senat sehr wahrscheinlich von einer Zurückverweisung absehen und in der Sache selbst entscheiden. Diese Entscheidung könnte nur dahingehend ausfallen, daß der Senat das Ablehnungsgesuch für nicht begründet erklärte und so zu demselben Ergebnis wie der fehlerhafte Beschluß der Vorinstanz käme (nachfolgend d).
c) Nach §51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. §42 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlaß hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (BFH-Beschluß vom 27. September 1994 VIII B 64-76/94, BFH/NV 1995, 526). Gemäß §44 Abs. 2 ZPO sind die das Mißtrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen.
Das Richterablehnungsverfahren dient nicht dazu, die Beteiligten gegen unrichtige -- materiell-rechtliche wie auch verfahrensrechtliche -- Rechtsauffassungen des Richters zu schützen. Insoweit stehen den Beteiligten die allgemeinen Rechtsbehelfe zur Verfügung (z.B. BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1992 X B 70/92, BFH/NV 1994, 36, m.w.N.). Zweck des Instituts der Richterablehnung ist es vielmehr allein, die Beteiligten davor zu bewahren, daß an der Entscheidung der sie betreffenden Streitsache ein Richter mitwirkt, der Anlaß für die Besorgnis gegeben hat, er werde ihnen mit Voreingenommenheit begegnen (BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1985 V B 3/85, BFHE 144, 144, BStBl II 1985, 555, m.w.N.; BFH/NV 1994, 36).
d) Alle von der Antragstellerin vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen bei objektiver und vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen.
Soweit die Antragstellerin der Richterin St eine Reihe von Verfahrensfehlern vorhält, ist das Richterablehnungsgesuch, wie ausgeführt, ungeeignet, abweichende Auffassungen der Antragstellerin zur Geltung zu bringen. Dafür stehen ihr die üblichen Rechtsmittel zur Verfügung. Wenn Rechtsmittel ohnehin nicht gegeben sind, z.B. gegen prozeßleitende Maßnahmen (vgl. §128 Abs. 2 FGO), so können Einwendungen gegen solche unanfechtbaren Maßnahmen auch nicht Gegenstand des Richterablehnungsgesuchs sein. Denn anderenfalls hätten es die Beteiligten in der Hand, über den Umweg der Richterablehnung die Nichtanfechtbarkeit von Entscheidungen zu umgehen (BFH-Beschluß vom 18. Oktober 1994 VIII S 11/93, BFH/NV 1995, 540).
Nur wenn die gerügten Verfahrensverstöße in ihrer Summe auf eine unsachliche Einstellung des abgelehnten Richters oder auf Willkür hindeuten, z.B. jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehren, kann im Einzelfall eine Ablehnung gerechtfertigt sein (BFH/NV 1995, 540). Vorliegend erübrigt sich eine solche Prüfung, da die beanstandeten Maßnahmen der Richterin St eindeutig Recht und Gesetz entsprechen. Die Abtrennung eines Verfahrens oder die unterlassene Verbindung eines Verfahrens mit einem anderen stehen im Ermessen des Gerichts (§73 Abs. 1 FGO) und bedürfen keiner Begründung (§113 Abs. 2 Satz 1 FGO), denn Beschlüsse darüber sind nicht anfechtbar (§128 Abs. 2 FGO). Der Beitritt zu einem Verfahren ist ferner als Klageänderung zu werten, die nur zulässig ist, wenn entweder die übrigen Beteiligten zustimmen (was hier nicht der Fall war, da das FA ausdrücklich seine Zustimmung verweigert hat) oder das Gericht die Klageänderung für sachdienlich hält (§67 Abs. 1 FGO). Ein vernünftiger Grund für die Nichtverbindung von Verfahren, den im übrigen auch die Richterin St in ihrer dienstlichen Erklärung als Begründung für ihr Verhalten angeführt hat, ist die Beachtung des Steuergeheimnisses. Dahinter haben prozeßökonomische Überlegungen zurückzustehen. Im übrigen wird der Antragstellerin und dem Kläger durch die Trennung der Verfahren nichts genommen, können sie doch jeweils im anderen Verfahren als Zeuge gehört werden. Schließlich hat die Richterin St die Termine zur mündlichen Verhandlung unmittelbar aufeinanderfolgend anberaumt, so daß die Antragstellerin und der Kläger nicht einmal tatsächliche Unbequemlichkeiten in Kauf nehmen mußten, um jeweils im Termin der anderen Person anwesend sein zu können.
Die Richterin St brauchte auch nicht das FA zur Stellungnahme auf einen Schriftsatz der Antragstellerin aufzufordern und die beantragte Aktenbeiziehung in die Wege zu leiten, wenn sie der Meinung war, daß es darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht ankomme. Im übrigen hat St die Antragstellerin bereits nach Eingang der Klage auf die mögliche Unzulässigkeit derselben hingewiesen. Bei unzulässigen Klagen bedarf es nicht notwendig einer Anhörung der Gegenpartei. Was die Verwechslung des Aktenzeichens anbelangt, bedarf es keiner Prüfung, wem dieses Versehen unterlaufen ist, denn gleich, wem es zuzurechnen ist, muß den Beteiligten zugemutet werden, ein solches Versehen hinzunehmen, zumal wenn sie es durchschauen und leicht korrigieren können.
Auch die Äußerungen der Richterin St in dem bisherigen Verfahren sind nicht zu beanstanden. Die Bezeichnung "subjektive Klageerweiterung bzw. -änderung" ist ein juristischer Fachausdruck für den Beteiligtenwechsel, also auch für den Beitritt eines Beteiligten zu einem Verfahren (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., §67 Rz. 8), und bedeutet keine irgendwie geartete Kommentierung oder persönliche Meinung der St über das konkrete Prozeßgeschehen.
Die Mitwirkung der Richterin St in dem früheren Verfahren des Klägers gegen das FA hinsichtlich des Haftungsbescheids ist für das Verfahren der Antragstellerin ohne Bedeutung. Selbst eine Mitwirkung in einem früheren Verfahren der Klägerin mit Bezug auf die vorliegende Klage mit für sie negativem Ausgang genügte für eine Ablehnung nicht, da es sonst der Beteiligte in der Hand hätte, sich seinem gesetzlichen Richter zu entziehen. Zu der Vorbefassung mit dem Streitstoff in einem früheren Verfahren müßte noch hinzukommen, daß nunmehr der Richter dem Beteiligten Grund zur Befürchtung gibt, er werde Gegengründen nicht mehr aufgeschlossen gegenüberstehen (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 13. Januar 1987 IX B 12/84, BFH/NV 1987, 656). In dieser Hinsicht erschöpft sich das Vorbringen der Antragstellerin in Vermutungen, die durch keine objektiven Tatsachen untermauert worden sind. Auch der Hinweis der Richterin auf die mögliche Unzulässigkeit der erhobenen Klage gibt keinen Grund zur Beanstandung. Er entspricht auch nach Auffassung des Senats einer wohlverstandenen Fürsorgepflicht des Richters (§76 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 154292 |
BFH/NV 1999, 201 |