Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlassung von Zahngoldabfall durch Zahnarzt an Scheideanstalt gegen Feingoldband
Leitsatz (NV)
1. Überläßt ein Zahnarzt Altgold (Zahngoldabfall) einer Scheideanstalt, von der er Feingoldband zurückbekommt, so werden diese Tauschgeschäfte umsatzsteuerrechtlich unter den Voraussetzungen von § 3 Abs. 9 UStG 1973/§ 3 Abs. 10 UStG 1980 nicht als Lieferungen, sondern als sonstige Leistung der Scheideanstalt durch Bearbeitung des Stoffs erfaßt.
2. Der Erwerb von Feingoldband (das als solches nicht in der Zahnarztpraxis verarbeitet wird) durch einen Zahnarzt erfolgt regelmäßig nicht ,,für das Unternehmen" des Zahnarztes (§ 15 Abs. 1 UStG 1973/1980).
Normenkette
UStG 1973/1980 § 3 Abs. 9; UStG 1973/1980 § 3 Abs. 10; UStG 1973/1980 § 15 Abs. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1974 bis 1981 selbständig als Zahnarzt tätig. Seine Umsätze versteuerte er ab 1976 nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG - 1973/1980). 1974 und 1975 war der Kläger sog. Kleinunternehmer i. S. von § 19 Abs. 1 UStG 1973.
Als Ergebnis einer Steuerfahndungsprüfung im Anschluß an eine Betriebsprüfung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) stellte das Finanzgericht (FG) folgendes fest:
,,a) Der Kläger hatte Edelmetallabfälle an die Firma Z geliefert und von dieser dafür Feingoldband erhalten. Diese Lieferungen hat der Kläger nicht als steuerpflichtige Umsätze erklärt." Nach den Feststellungen handelte es sich um folgende Beträge: . . .
,,b) Der Kläger hatte darüber hinaus Feingoldband von der Firma Z erworben. Ertragsteuerlich machte er diese Einkäufe als Betriebsausgaben geltend; umsatzsteuerlich die ihm in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuern. Im einzelnen handelte es sich dabei um folgende Beträge: . . ".
Ein bereits am . . . gegen den Kläger eingeleitetes Strafverfahren wegen Steuerverkürzung war bis zum FG-Urteil nicht abgeschlossen.
Das FA erließ entsprechende Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1974 bis 1981. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen - Revision rügt der Kläger Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 15 UStG 1973/1980.
Er hält u. a. daran fest, daß Zahngoldabfälle von den einzelnen Patienten allenfalls als ,,übliche Aufmerksamkeit" überlassen würden, weil für sie bei der geringen Menge ein Gegenwert kaum erreichbar sei. Es könne nicht davon gesprochen werden, daß sich der Zahnarzt den Erwerb von Altgoldteilen etwas kosten lasse. Die Einzelteile seien nur eingeschränkt bewertbar. Die Höhe des Gegenwerts - bezogen auf das einzelne Altgoldteil - steige allenfalls mit der Menge der Teile, die der Zahnarzt zur Scheideanstalt gebe. Das gelte auch für die Altgoldabfälle, für die er, der Kläger, dem jeweiligen Patienten eine Gutschrift in der Abrechnung erteilt habe. Diese Altteile hätten ihn zwar etwas gekostet und seien auch bewertbar. Sie seien aber der Zielrichtung nach nur ein Vorteil für ihn - als Aufmerksamkeit persönlich zugewendet - und nicht für den Betrieb.
Die Auffassung des FG, er (Kläger) habe im Rahmen des Unternehmens geliefert, treffe nicht zu. Bei Identität der abgelieferten Goldteile mit dem rückgelieferten Material sei die Scheidung nur ein Umtausch des Umlaufvermögens gewesen. Soweit keine Identität bestanden habe, sei ebenfalls kein geldwerter Zugang als Betriebseinanhme angefallen, er hätte dann nur Umlaufvermögen gegen Umlaufvermögen ausgetauscht. Das FG hätte dieser Frage nachgehen müssen.
Ferner habe das FG gegen seinen ausdrücklichen Vortrag unterstellt, das Altgold sei zeitnah an die Z veräußert worden. In den Schriftsätzen vom . . . habe er ausgeführt, die Feingoldanlieferungen 1974 und 1975 stammten insbesondere aus Abfällen aus eigener, nichtselbständiger Tätigkeit in den Jahren vor . . ., in denen er als Assistenzarzt bei . . . tätig gewesen sei.
Den Vorsteuerabzug aus den Goldkäufen hätte das FG nicht versagen dürfen. Im stehe als Unternehmer ein weiter Entscheidungs- und Handlungsspielraum zu, ob und ggf. welche Aufwendungen er zur Förderung seines Unternehmens tätigen wolle. Es komme grundsätzlich nicht darauf an, ob die Aufwendungen üblich, notwendig oder zweckmäßig seien. Erforderlich sei nur der objektive Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Betrieb. Als betrieblicher Zusammenhang komme die Bevorratungsabsicht in Betracht. Das FG habe seinen Vortrag, es werde mehr zu goldärmeren oder goldlosen Legierungen übergegangen, falsch gewertet. Dieser Umstand habe ihn, den Kläger, zu der Überlegung veranlaßt, daß zu den Zeitpunkten, in denen Legierungen benötigt würden, Feingoldband ohne Wertverlust eingetauscht werden könne. Legierungen müßte er erst zu einer Scheideanstalt geben und Umarbeitungskosten in Kauf nehmen.
Steuerhinterziehung könne ihm nicht angelastet werden. Sowohl im Verwaltungsverfahren als auch in den Ausführungen des angefochtenen Urteils fehlten die erforderlichen Tatsachenfeststellungen dazu. Die Verjährungsfrist von zehn Jahren für hinterzogene Steuerbeträge sei zu Unrecht angewendet worden. Das FA hätte die Bescheide für 1974 und 1975 nicht mehr ändern dürfen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das Urteil hält der Revision nicht stand, soweit es zur Annahme steuerpflichtiger Altgoldlieferungen des Klägers an die Z kommt.
Nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger ,,Edelmetallabfälle an die Firma Z geliefert und von dieser dafür Feingold erhalten". Weitere Feststellungen zu den Vorgängen liegen nicht vor. Dem im Urteil wiedergegebenen Klagevortrag des Klägers, die Altgoldüberlassung an die Z habe zumindest teilweise zu indentischen Rücklieferungen geführt, wesentlicher Inhalt der Verpflichtung der Z sei das Scheiden des Edelmetalls Gold von anderen Edelmetallen sowie von Abfällen gewesen, ist das FG umsatzsteuerrechtlich nicht nachgegangen. Es hat unterstellt, der Kläger habe ,,geliefert", ohne die Voraussetzungen des Lieferungsbegriffs zu prüfen.
Die Feststellungen bzw. die Wiedergabe des Klägervortrags legen es nahe, daß die Leistungsbeziehungen zwischen Kläger und Z jedenfalls keine Lieferung der Altgoldabfälle ergeben, gleich ob die Z ,,anderes" oder ,,identisches" Feingold zurückgegeben hat. Im erstgenannten Fall ist § 3 Abs. 9 UStG 1973/§ 3 Abs. 10 UStG 1980 anzuwenden (dazu unten a), im letzten Fall fehlt es bereits an den allgemeinen Lieferungsvoraussetzungen (dazu b).
a) § 3 Abs. 9 UStG 1973 und § 3 Abs. 10 UStG 1980 haben folgenden identischen Wortlaut:
,,Überläßt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstandes übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstandes einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffes und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird."
Die Vorschriften enthalten Sonderregelungen für bestimmte Tauschgeschäfte dahingehend, daß diese nicht als wechselseitige Lieferungen, sondern nur als eine sonstige Leistung durch Bearbeitung des Stoffes umsatzsteuerrechtlich erfaßt werden (vgl. Giesberts in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 3 Anm. 619).
Im Streitfall hat die Z als Unternehmer dem Kläger als Auftraggeber, der einen Stoff (Altgoldabfälle) zur Herstellung eines Gegenstandes (Feingold) übergeben hat, ggf. an Stelle des herzustellenden Feingoldes einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt (Feingoldband), überlassen.
Die Leistung der Z gilt als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffes und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.
Der Kläger hat in der Revisionsbegründung (S. 8) vorgetragen, aus den Rechnungen der Z ergebe sich eindeutig der Verabeitungspreis sowie, daß er, der Kläger, Feingold in dem Umfang erhalten habe, wie er Edelmetall angeliefert habe, abzüglich der Kosten der Verarbeitung. Dieser Vortrag legt die Erfüllung der genannten Tatbestandsmerkmale nahe, mangels Feststellungen dazu kann der Senat jedoch abschließend darüber nicht entscheiden.
b) Soweit man unterstellt, daß die Z lediglich das in den Altgoldabfällen enthaltene (identische) Feingold nach Scheidung dem Kläger ,,zurückgegeben" hat, ist zwar § 3 Abs. 9 UStG 1973, § 3 Abs. 10 UStG 1980 nicht erfüllt, weil nicht ein ,,gleichartiger", also anderer, Gegenstand, sondern dasselbe Gold zurückgegeben wurde (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. März 1957 V 173/56 U, BFHE 64, 534, BStBl III 1957, 199, zum entsprechenden § 8 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz - UStDB 1951 -). In diesem Fall hatte der Kläger der Z das Altgold nicht geliefert, also nicht nach Substanz, Wert und Ertrag im Sinne der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG 1973) zugewendet (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1979 V R 87/72, BFHE 129, 425, BStBl II 1980, 279). Die Überlassung hatte dann nur zur Bearbeitung, nämlich zur Rückgewinnung des Feingoldes (vgl. Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, a.a.O., § 3 Anm. 321 und 633) gedient.
2. Die Ablehnung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der Z für die Feingoldlieferungen (unabhängig von den Altgoldgeschäften) an den Kläger ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung des FG, der Kläger habe diese Goldlieferungen nicht i. S. des § 15 Abs. 1 UStG 1973/1980 ,,für sein Unternehmen" erhalten, ist revisionsrechtlich möglich (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1971 IV R 195/69, BFHE 102, 85, BStBl II 1971, 522) und mit Revisionsrügen nicht wirksam angegriffen. Soweit der Kläger dem FG falsche Wertung seines eigenen Vortrags entgegenhält, er verarbeite Feingold nicht bzw. es werde mehr und mehr zu goldärmeren oder goldlosen Legierungen übergegangen, kommt er lediglich zu einer andern Würdigung als das FG.
Zwar ist die im Rahmen des § 15 Abs. 1 UStG 1973/1980 maßgebliche Zuordnungsentscheidung des Unternehmers zum Unternehmen oder zum nichtunternehmerischen Bereich nicht anhand der durch § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begrenzten ertragsteuerrechtlichen Abgrenzung des Betriebsausgabenbegriffs vorzunehmen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 22. Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913, mit Nachweisen); der Untnehmer kann Leistungsbezüge solange dem Unternehmen zuordnen, als die Möglichkeit unternehmerischer Verwendung nicht unwesentlich oder durch objektive Umstände ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 1988 V R 101/83, BFHE 153, 171, BStBl II 1988, 649). Letzteres hat das FG aber - in möglicher Würdigung der völlig ungewissen künftigen (behaupteten) betrieblichen Verwendung - angenommen (vgl. dazu auch BFH-Urteil vom 17. April 1986 IV R 115/84, BFHE 146, 419, BStBl II 1986, 607, zur ertragsteuerrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Vorgänge).
3. Das angefochtene Urteil ist mit Rücksicht auf die Ausführungen zu 1. aufzuheben. Die Sache ist zurückzuverweisen, weil der Senat mangels Spruchreife nicht abschließend entscheiden kann. Bei der erneuten Entscheidung ist ggf. noch zu berücksichtigen:
Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, ob der Kläger die ihm von den Patienten überlassenen Altgoldteile als (zusätzliches) Behandlungsentgeld erfaßt und - soweit sie ggf. steuerpflichtige Umsätze betrafen - versteuert hat.
Wie der Senat zuletzt im Urteil vom 15. Dezember 1988 V R 24/84 (BFHE 155, 431, BStBl II 1989, 252) ausgeführt hat, können Sachaufwendungen, die der Leistende neben Geld (Baraufwendungen) für seine Leistung erhält, (zusätzliches) Entgelt i. S. von § 10 UStG 1967/1973 sein. Dieses Entgelt kann im Wege des Tausches / tauschähnlichen Umsatzes oder durch Hingabe an Zahlungs Statt entrichtet werden. In beiden Fällen gilt der Wert eines jeden Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 3 Satz 2 UStG 1973, § 10 Abs. 2 Satz 3 UStG 1980), d. h., der Wert der Altgoldüberlassung ist ggf. (anteiliges) Entgelt für die zahnärztliche Leistung.
Voraussetzung ist, daß nach den Umständen des Falles der jeweilige Patient das Altgold als Entgelt ,,für die Leistung" des Zahnarztes überlassen hat. Soweit es sich um (dem Wert nach) meßbare Altgoldüberlassung im Einzelfall handelt, liegt die Entgelteigenschaft nahe (vgl. dazu BFHE 155, 431, BStBl II 1989, 252; sowie Giesberts in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, a.a.O., § 3 Anm. 614, mit Nachweisen). Soweit ohnehin die Altgoldüberlassung durch sog. Gutschrift in den Rechnungen zu einer Minderung des Barpreises führte, beruht dies schon auf der Entgeltsvereinbarung. Ob die hier angeschnittene Frage bei den angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen eine Rolle spielte, ist aus dem Urteil nicht ersichtlich. Das FG hat sich damit nicht auseinandergesetzt. Entscheidungserheblich ist diese Frage, wenn der Kläger nicht nur nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1973/1980 steuerfreie zahnärztliche Leistungen, sondern auch nach § 4 Nr. 14 Satz 3 Buchst. b. UStG 1973, § 4 Nr. 14 Satz 4 Buchst. b UStG 1980 steuerpflichtige Lieferungen oder Wiederherstellung von Zahnprotesen und kieferorthopädischen Apparaten ausgeführt hat.
Soweit nach den erneut zu treffenden Feststellungen für die Streitjahre 1974 und 1975 sich die Frage der zehnjährigen Verjährungsfrist für hinterzogene Steuern noch stellen sollte, ist erforderlich, daß die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung im einzelnen festgestellt sind (BFH-Urteil vom 16. Januar 1973 VIII R 52/69, BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273).
Fundstellen