Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Aufhebung eines Vertrages, durch den die Ehefrau ihr Wohnungseigentum zunächst auf ihren Ehemann übertragen hatte, ein Gestaltungsmißbrauch nicht zu erblicken ist, wenn die Ehefrau sich anschließend verpflichtet, das Wohnungseigentum unmittelbar auf die gemeinsamen Kinder der zwischenzeitlich geschiedenen Ehegatten zu übertragen.
Normenkette
GrEStG § 17 Abs. 1 Nr. 1; StAnpG § 6
Tatbestand
Die Ehefrau des Klägers hatte in Ausführung eines sog. "Scheidungsvergleichs" vom Januar 1961 durch Vertrag vom 17. März 1961 (Vertrag I) ihr Wohnungseigentum an einer Eigentumswohnung auf ihren Ehemann übertragen.
Das FA setzte durch unanfechtbar gewordenen Steuerbescheid eine entsprechende Grunderwerbsteuer fest.
Durch Vertrag vom 1. Juli 1961 (Vertrag II) hoben die inzwischen geschiedenen Eheleute den Vertrag I auf; die frühere Ehefrau des Klägers verpflichtete sich, das Wohnungseigentum zu je ein Halb auf die beiden gemeinsamen Kinder zu übertragen. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1961 beantragte der Kläger "Aufhebung" des Steuerbescheids. Das FA behandelte das Schreiben als Antrag gemäß § 17 GrEStG, den es jedoch auch in der Einspruchsentscheidung unter Anwendung des § 6 StAnpG ablehnte.
Mit der Berufung machte der Kläger im wesentlichen geltend, bereits im Scheidungsvergleich sei vereinbart gewesen, daß er testamentarisch bestimmen werde, daß das Wohnungseigentum nach seinem Ableben auf die beiden Kinder übergehen solle. Wegen rechtlicher Bedenken an der Gültigkeit dieser Vereinbarung und aus sonstigen familien- und erbrechtlichen Überlegungen seien sie zu dem Entschluß gekommen, daß die zuerst getroffene Regelung als untragbar habe aufgehoben und durch die alsbaldige unmittelbare Übertragung des Wohnungseigentums auf die Kinder habe ersetzt werden müssen.
Das FG gab der Berufung statt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - des Beklagten ist nicht begründet.
Die Rüge des Beklagten, das FG habe § 17 GrEStG unter rechtsirriger Außerachtlassung des § 6 StAnpG und unter Verstoß gegen den Akteninhalt zu Unrecht angewendet, trifft nicht zu. Der Senat hat zwar in seiner bisherigen Rechtsprechung die Vergünstigung des § 17 (hier dessen Abs. 1 Nr. 1) GrEStG wegen Steuerumgehungsabsicht im allgemeinen dann versagt, wenn der erste Erwerber trotz Aufhebung des ersten Vertrags auf die Weiterveräußerung des Grundstücks an einen bestimmten Dritten entscheidenden Einfluß nahm. Tragender Gedanke ist dabei, daß der erste Erwerber unter Nutzung seiner rechtlichen Stellung als solcher im Ergebnis selbst wie ein Veräußerer das Grundstück an den von ihm bestimmten Dritten weiterveräußern ließ; sei es, daß er das Grundstück von vornherein mit dem Ziel dieser Weiterveräußerung an den ihm genehmen neuen Erwerber erwarb, um es schon jetzt "sicherzustellen", sei es, daß er von sich aus - aus welchem Grund auch immer - diesen Entschluß nachträglich faßte und von sich aus den ursprünglichen Grundstückseigentümer zur Aufhebung des ersten Vertrags bewog, zugleich aber diese Aufhebung bindend vom Abschluß des zweiten Weiterveräußerungsvertrags an den von ihm benannten neuen Erwerber abhängig machte (vgl. z. B. Urteile des Senats II 65/52 S vom 12. August 1953, BFH 57, 748, BStBl III 1953, 284; II 216/52 U vom 25. November 1953, BFH 58, 279, BStBl III 1954, 21; II 76/56 vom 9. Dezember 1959, HFR 1961, 34; II 185/60 vom 25. September 1963, HFR 1964, 47; II 44/62 vom 9. Oktober 1963, HFR 1964, 456). Fällen dieser Art ist gemeinsam, daß nicht der Veräußerer, sondern allein der erste Erwerber an der Aufhebung des ersten Vertrags interessiert ist und dies wiederum nur, weil der erste Erwerber nicht etwa überhaupt aus dem Vertrag freikommen will, sondern weil allein ihm an der Weitergabe des Grundstücks an den von ihm gewünschten Dritten gelegen ist. Schon insoweit ist die Ausgangs- und Interessenlage im Streitfall anders: Hier waren beide Beteiligten - die Ehefrau als Veräußerin und der Ehemann als erster Erwerber - gleichermaßen an dem weiteren Schicksal des Wohnungseigentums interessiert, das letztlich nach dem Willen beider Ehegatten den gemeinsamen Kindern zufallen sollte. Der Wille des Ehemannes, der nur eine Rechtsposition aufgab, kann insoweit nicht überwiegend maßgebend gewesen sein.
Unter diesen Umständen erscheint es bereits fragwürdig, ob die unmittelbare Weiterübertragung des Wohnungseigentums vom Ehemann auf die Kinder - wie der Beklagte meint - der "normale" Weg gewesen wäre. Denn kraft des neuen Willensentschlusses der inzwischen geschiedenen Ehegatten sollten die gemeinsamen Kinder das Wohnungseigentum gerade nicht vom Ehemann, sondern als Zuwendung von der Mutter erhalten.
In neueren Entscheidungen hat der Senat hervorgehoben, daß es den Steuerpflichtigen nicht verwehrt werden kann, ihre Rechtsverhältnisse - gerade auch auf familienrechtlichem Gebiet - beliebig zu gestalten, selbst wenn diese Gestaltung als nicht gerade üblicher Weg bezeichnet werden sollte und selbst wenn dies entscheidend aus Steuerersparnisgründen geschieht, sofern nur der steuerliche Erfolg des ungewöhnlichen Weges vom Gesetz nicht mißbilligt wird (vgl. Urteil II 148/62 U vom 8. Dezember 1965, BFH 84, 411, BStBl III 1966, 148, mit weiteren Nachweisen). Insbesondere bei § 17 GrEStG als einer generellen Vergünstigungsvorschrift ist wegen der bei Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 6 StAnpG gebotenen Zurückhaltung die Frage eines sog. Gestaltungsmißbrauchs nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten (Urteil des BFH II 119/62 U vom 20. Oktober 1965, BFH 83, 545, BStBl III 1965, 697).
Dem FG ist im Ergebnis darin zuzustimmen, daß die Beteiligten - auch wenn sie sich dabei zugleich von steuerlichen Erwägungen bestimmen ließen - mit der von ihnen gewählten Vertragsgestaltung beachtliche nichtsteuerliche Zwecke zu verfolgen beabsichtigten, die der Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs entgegenstehen (vgl. im übrigen auch zur Notwendigkeit des eindeutigen Nachweises einer Steuerumgehungsabsicht das Urteil des Senats II 149/63 vom 21. Dezember 1966, BFH 87, 458, BStBl III 1967, 189 am Ende mit weiteren Nachweisen). Es konnten zumindest ernstliche Zweifel bestehen, ob die im "Scheidungsvergleich" eingegangene Verpflichtung des Klägers, das Wohnungseigentum testamentarisch den gemeinsamen Kindern zufallen zu lassen, nichtig (§ 2302 BGB) und hierdurch die Gültigkeit des ganzen Vergleichs in Frage gestellt sei (§ 139 BGB). Der Vertrag I seinerseits war in Ausführung des "Scheidungsvergleichs" geschlossen, mit letzterem also eng verzahnt. Wenn die - zwischenzeitlich geschiedenen - Eheleute sich unter diesen Umständen zur Herstellung klarer Verhältnisse entschlossen, den Vertrag I aufzuheben, so ist diese Vertragsgestaltung auch grunderwerbsteuerrechtlich zu beachten (vgl. insoweit auch das Urteil des Senats II 126/64 vom 30. Juni 1965, HFR 1965, 547, 548 re. Sp.), zumal es für die Frage der Steuer umgehungsabsicht nicht darauf ankommt, welche bürgerlich-rechtlichen Auswirkungen eine gewählte Vertragsgestaltung wirklich hat, sondern nur darauf, welche Absichten die Beteiligten mit dieser Vertragsgestaltung tatsächlich verbunden haben (vgl. Urteil des Senats II 62/59 vom 26. Oktober 1960, HFR 1961, 228).
Es kommt hinzu, daß die - geschiedene - Ehefrau ohne Aufhebung des Vertrages I keinen rechtlichen Einfluß auf ihren früheren Ehemann hätte nehmen können, das Wohnungseigentum sofort auf die gemeinsamen Kinder zu übertragen. Gelangten die Ehegatten nachträglich - jedoch noch innerhalb der durch § 17 GrEStG eingeräumten Frist - zu der Erkenntnis, es sei besser, daß die Kinder das Wohnungseigentum nicht nur sofort, sondern auch statt nach entbehrlich gewordener Zwischenschaltung des Vaters unmittelbar von der Mutter erhalten sollten, so entziehen sich solche familien- und erbrechtlichen Erwägungen - jedenfalls in bezug auf die Frage eines Gestaltungsmißbrauchs - der steuerrechtlichen Überprüfung auf "Zweckmäßigkeit" (vgl. - wenn auch auf dem Gebiet des Erbschaftsteuerrechts - für einen Fall, in dem der Vater selbst statt der Schwester nach Vertragsaufhebung als Schenker auftreten wollte, das Urteil des Senats II 154/59 U vom 30. November 1960, BFH 72, 54, BStBl III 1961, 21). Es kann - insoweit ist dem FG beizupflichten - je nach der weiteren Entwicklung der familiären Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten erbrechtlich verschiedene Auswirkungen haben, ob Kinder ein Grundstück vom Vater oder von der Mutter erwerben. Insbesondere konnte, je nach dem, ob der frühere Ehemann oder die frühere Ehefrau als Erblasser hinsichtlich der Zuwendung des Wohnungseigentums eine Ausgleichspflicht gemäß § 2050 BGB mit der Wirkung des § 2055 BGB anordnete oder auch nicht, der Erbteil der gemeinsamen Kinder aus der geschiedenen Ehe unterschiedlich hoch ausfallen. Weitere Änderungsmöglichkeiten und Verschiedenheiten konnten sich ergeben, je nach dem, ob der eine oder andere geschiedene Ehegatte wieder heiratete und ob aus einer der neuen Ehen ausgleichspflichtige Abkömmlinge hervorgingen. Es trifft also - entgegen der Auffassung des FA - nicht zu, daß es für die Folgewirkungen keinen Unterschied mache, ob die Kinder das Wohnungseigentum vom Vater oder von der Mutter erwarben.
Fundstellen
Haufe-Index 68574 |
BStBl II 1969, 495 |
BFHE 1969, 555 |