Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung einer voll beendeten Personengesellschaft
Leitsatz (NV)
Die Beiladung einer handelsrechtlich vollbeendeten Personengesellschaft zu einem gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid gerichteten Klageverfahren ist unzulässig.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, §§ 57, 60 Abs. 1, § 155; AO 1977 § 174 Abs. 4-5; ZPO § 246
Tatbestand
Die Klägerin hat gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 1987 Klage erhoben und beantragt, den für sie festgestellten Veräußerungsgewinn herabzusetzen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, daß ein Teil des Veräußerungsgewinns von ihrem Schwesterunternehmen, der Beigeladenen und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin), einer GmbH & Co. KG i.L., erzielt und daher zu Unrecht bei ihr erfaßt worden sei.
Die Beigeladene ist zum 1. November 1987 mit allen Aktiven und Passiven veräußert und nach Durchführung des Liquidationsverfahrens am 22.Mai 1989 im Handelsregister gelöscht worden.
Auf Antrag des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -) hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 28. Februar 1991 die Beigeladene nach § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 174 Abs. 4 und 5 der Abgabenordnung (AO 1977) zum Klageverfahren beigeladen.
Mit der Beschwerde trägt die Beigeladene vor, daß sie zu dem Klageverfahren nicht hätte beigeladen werden können. Sie sei schon lange vor Erlaß des Beiladungsbeschlusses voll beendet gewesen.
Demgegenüber macht das FA geltend, die Liquidation der Beigeladenen sei nur vermeintlich beendet worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) trete die Vollbeendigung einer Gesellschaft nicht vor Abschluß aller Rechtsbeziehungen und Begleichung aller Verbindlichkeiten ein (BFH-Urteile vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 18. September 1980 V R 175/74, BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293). Da aber der anteilige Veräußerungsgewinn, der auf die Beschwerdeführerin entfalle, in dem für die Beigeladene durchgeführten Gewinnfeststellungsverfahren zu erfassen sei, seien noch nicht alle Rechtsbeziehungen abgewickelt. Die steuerrechtlichen Folgen aus der Betriebsveräußerung seien immer noch nicht beendet. Eine Änderung des die Beigeladene betreffenden Gewinnfeststellungsbescheids sei wegen eingetretener Bestandskraft nur nach § 174 Abs. 4 AO 1977 zulässig. Die Änderung setze nach § 174 Abs. 5 AO 1977 die Beiladung voraus.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Beiladung.
Die vom FG nach § 60 Abs. 1 FGO i.V.m. § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 beschlossene Beiladung ist rechtswidrig. Die Beigeladene war bei Erlaß des Beschlusses nicht beteiligtenfähig. Sie war handels- und steuerrechtlich voll beendet. Zu einem Klageverfahren kann nur beigeladen werden, wer beteiligten- und prozeßfähig ist. Die Beiladung einer Personengesellschaft kommt daher nicht in Betracht, wenn sie ihre Beteiligtenfähigkeit verloren hat, weil sie voll beendet ist. In diesem Fall sind grundsätzlich die betroffenen Gesellschafter beizuladen (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333 m.w.N.; vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558 m.w.N.).
Die Beteiligtenfähigkeit (§ 57 FGO) einer Personengesellschaft endet, wenn sie nach Gesellschaftsrecht als voll beendet anzusehen ist. Dies ist bei einer aufgelösten Personengesellschaft regelmäßig der Fall, wenn die Liquidation abgeschlossen und das Gesamthandsvermögen vollständig abgewickelt ist. Darüber hinaus endet eine Personengesellschaft mit dem Auflösungsbeschluß auch ohne Durchführung eines Liquidationsverfahrens, wenn die Gesellschaft zuvor durch ihre geschäftliche Betätigung ihr Aktivvermögen verloren hat und Nachschüsse der Gesellschafter zur Begleichung der Schulden im Rahmen der Abwicklung (§ 155 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs - HGB -) nicht zu erlangen sind. Auf die Löschung der Personengesellschaft im Handelsregister kommt es dagegen nicht an. Die Löschung hat lediglich deklaratorische Bedeutung (BFH in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen war die Beigeladene im Zeitpunkt der Beiladung bereits voll beendet. Die Liquidation war nach vollständiger Abwicklung des Gesamthandsvermögens beendet und das Erlöschen der Firma im Handelsregister am 22.Mai 1989 eingetragen worden. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Dagegen beruft sich das FA zu Unrecht auf die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach eine Personengesellschaft auch noch nach ihrer Auflösung solange als materiell-rechtlich existent zu behandeln ist, bis alle gemeinsamen Rechtsbeziehungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehört, abgewickelt sind (BFH in BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; in BFHE 132, 348, BStBl II 1981, 293; vom 22.Oktober 1986 II R 118/84, BFHE 148, 331, BStBl II 1987, 183; vom 24. März 1987 X R 28/80, BFHE 150, 293, BStBl II 1988, 316; vom 28. September 1988 II R 1/86, BFH/NV 1989, 615; vom 10. August 1989 V R 36/84, BFH/NV 1990, 386; vom 21. Mai 1992 IV R 146/88, nicht amtlich veröffentlicht; vom 1. Oktober 1992 IV R 60/91, BFHE 169, 294, BStBl II 1993, 82). Der vom BFH aufgestellte Rechtssatz setzt voraus, daß die Personengesellschaft selbst Steuersubjekt ist, wie z.B. in bezug auf die Umsatz-, Gewerbe- und Grundsteuer sowie die Verpflichtung zur Duldung einer Prüfungsanordnung. Im Gewinnfeststellungsverfahren hingegen ist die Personengesellschaft kein Steuersubjekt. Es geht vielmehr um die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer der Gesellschafter. Adressaten des Bescheids sind daher nur die einzelnen Gesellschafter und nicht die Gesellschaft. Allerdings steht die Klagebefugnis für eine Klage gegen einen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Regel nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zu (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO). Dabei handelt es sich jedoch um einen Fall der gesetzlichen Prozeßstandschaft, die an die gesellschaftsrechtliche Existenz und Handlungsfähigkeit der Personengesellschaft unmittelbar anknüpft (BFH in BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333 m.w.N.). Aus diesem Grunde endet die Beteiligtenfähigkeit einer Personengesellschaft im Zusammenhang mit einem Klageverfahren gegen einen Gewinnfeststellungsbescheid in dem Zeitpunkt, in dem die Personengesellschaft voll beendet wird. Eine Beiladung der erloschenen Personengesellschaft kommt dann nicht mehr in Frage.
Sofern es zutreffen sollte, daß die Klägerin während des Klageverfahrens handelsrechtlich voll beendet worden ist, ist ihre Klagebefugnis auf die durch den angefochtenen Bescheid beschwerten Feststellungsbeteiligten als Rechtsnachfolger der Klägerin übergegangen. Allerdings berührt diese Frage das Beschwerdeverfahren nicht, zumal eine Unterbrechung des Klageverfahrens durch das Erlöschen der Klägerin nicht eingetreten ist. Die Klägerin war bereits zu Beginn des Klageverfahrens durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten (§ 246 der Zivilprozeßordnung i.V.m. § 155 FGO; BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 142/85, BFHE 162, 99, BStBl II 1991, 401 m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 419058 |
BFH/NV 1993, 674 |