Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verwaltung vorhandener Mittel bei Geschäftsführerhaftung
Leitsatz (NV)
1. Der Grundsatz der anteiligen Haftung (Umsatzsteuer) nach Maßgabe der vorhandenen Zahlungsmittel findet auch bei Haftung wegen Steuerhinterziehung (§ 71 AO 1977) Anwendung.
2. Tatsächliche Feststellungen i.S.v. § 118 Abs. 2 FGO umfassen auch sog. Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die das FG aufgrund eines festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung gezogen hat.
3. Die Würdigung tatsächlicher Feststellungen, wonach es dem Geschäftsführer einer GmbH nicht möglich gewesen sei, durch Geltendmachung der nach Auffassung des FA noch vorhandenen Forderungen der GmbH Zahlungsmittel zu erlangen, ist möglich und für einen Haftungsausschluß ausreichend.
4. Offen bleibt, ob es sich bei den vom Geschäftsführer verwalteten Mitteln stets um vorhandene, nicht mit Einwendungen von dritter Seite behaftete Mittel handeln muß.
Normenkette
AO 1977 §§ 34, 69, 71, 153 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 118 Abs. 2
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als Gesamtschuldner für umsatzsteuerliche Verbindlichkeiten der A-GmbH (GmbH) in Anspruch. Am 26. Februar... hatten sich die bisherigen Geschäftsführer der GmbH X und Y von ihrer Funktion als Geschäftsführer entbinden lassen. An ihre Stelle war als Alleingeschäftsführer zunächst Z, dann, am 9. September... der Kläger getreten.
Am 1. Oktober... beantragte der Kläger die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH. Das Konkursgericht erließ am 21. Oktober... ein allgemeines Verfügungs- und Veräußerungsverbot und bestellte den Rechtsanwalt R zum Konkursgutachter. Auf dessen Anfrage, in welchem Umfang noch Steueransprüche des FA gegen die GmbH bestünden und ob das FA als möglicher Konkursgläubiger bereit sei, sich in angemessenem Umfang an den Prozeßkosten zur Durchsetzung noch offener Forderungen der GmbH zu beteiligen, antwortete das FA, daß die Höhe der von der GmbH noch geschuldeten Steuern an eine Größenordnung von ... DM heranreichen könne und daß eine Kostenbeteiligung an Prozessen zur Durchsetzung noch offener Forderungen der GmbH wegen des hohen Kostenrisikos abgelehnt würde.
Am ... lehnte das Konkursgericht die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ab. Zur Begründung führte es aus, daß zwar möglicherweise durch Rechtsstreitigkeiten mit den Firmen B und C Beträge von etwa ... DM zur Konkursmasse gezogen werden könnten, die GmbH jedoch über keinerlei Mittel verfüge, um die notwendigen Prozesse zu führen.
Aufgrund einer noch vor Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens begonnenen Umsatzsteuer-Prüfung bei der GmbH erließ das FA gegen den Kläger als ehemaligen Geschäftsführer der GmbH am ... den hier streitigen Haftungsbescheid, mit dem es ihn als Gesamtschuldner neben den früheren Geschäftsführern X und Y in Höhe von ... DM in Anspruch nahm, weil er u.a. deren unrichtige Angaben in den Steuererklärungen ... erkannt, dies nicht angezeigt und Richtigstellungen nicht vorgenommen habe. Zur Begleichung der Steuerschulden hätten ihm genügend Mittel zur Verfügung gestanden, denn die gegen bestimmte Außenstände geltend gemachten Aufrechnungen seien unwirksam gewesen; er habe die Beitreibung dieser Schulden pflichtwidrig unterlassen.
Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt und führte in den Entscheidungsgründen aus: Der angefochtene Bescheid sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt. Dies führe grundsätzlich zur Unwirksamkeit des Bescheids. Im übrigen seien die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Klägers weder nach den §§ 34, 69 und 153 noch nach den §§ 34, 71, 153 und 370 der Abgabenordnung (AO 1977) feststellbar. Nach den klarstellenden Erläuterungen des FA in der mündlichen Verhandlung sei davon auszugehen, daß der Kläger nur wegen Nichtfestsetzung (nicht auch wegen Nichterfüllung) bestimmter Umsatzsteuer-Schulden in Anspruch genommen werden solle. Insoweit habe aber vom FA auch in der mündlichen Verhandlung nicht dargetan werden können, daß der erst drei Wochen vor dem Konkursantrag der GmbH zum Geschäftsführer bestellte Kläger noch über Mittel zur Begleichung umsatzsteuerlicher Verbindlichkeiten der GmbH in einer Größenordnung von etwa ... DM habe verfügen können. Ebensowenig habe festgestellt werden können, daß der Kläger während seiner Zeit als Geschäftsführer noch Zahlungen an andere Gläubiger der GmbH geleistet und damit das FA benachteiligt habe. Im übrigen fehle unter den gegebenen Umständen jeder konkrete Anhalt zur Begründung der Annahme, daß es dem Kläger während seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH noch möglich gewesen wäre, die nach Auffassung des FA noch vorhandenen Forderungen der GmbH geltend zu machen, sie einzuziehen und auf diese Weise Zahlungsmittel zu erlangen. Das FA habe - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - in den parallelen Haftungsverfahren der anderen GmbH-Geschäftsführer dargelegt, daß die Geltendmachung dieser - von den (angeblichen) Schuldnern durchweg bestrittenen - Forderungen schon aus verfahrensrechtlichen Gründen (z.B. Zuständigkeit verschiedener Landgerichte, Beachtung von Schiedsgerichtsklauseln) mit ganz erheblichen Schwierigkeiten und großem Zeitaufwand verbunden gewesen wäre. Deshalb habe es das FA unter Hinweis auf das erhebliche Kostenrisiko auch abgelehnt, im Konkursverfahren einen angemessenen Kostenvorschuß zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Forderungen zu leisten.
Auch die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers nach §§ 71, 153, 370 AO 1977 hätten nicht festgestellt werden können. Die Anzeigepflicht nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 setze ein positives Erkennen der Unrichtigkeit bestimmter steuerlicher Erklärungen voraus. Hierfür trage - was das FA verkenne - das FA die Feststellungslast. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung lasse sich nicht begründen, daß der kurze Zeit vor Stellung des Konkursantrags zum Geschäftsführer bestellte Kläger Kenntnis von den im Streitfall relevanten umsatzsteuerlichen Verhältnissen der GmbH erlangt habe.
Zur Begründung seiner Revision führt das FA in erster Linie aus, der Haftungsbescheid sei hinreichend bestimmt und mit einer ausreichenden Begründung versehen. Der Kläger sei haftbar gemacht worden, weil er in Kenntnis der Unrichtigkeit der von seinen Vorgängern in der Geschäftsführung eingereichten Erklärungen, die bereits zu Steuerverkürzungen geführt hätten, diese entgegen § 153 AO 1977 dem FA gegenüber nicht richtiggestellt habe.
Im übrigen vertrete das FG zu Unrecht die Ansicht, bei der GmbH seien keine Mittel zur Begleichung der Steuerschulden vorhanden gewesen. Es lasse hierbei die Angaben in der Einspruchsentscheidung außer acht, wonach seit ... Außenstände von über ... DM ausschließlich bei X- und Y-Gesellschaften bestünden, denen nur etwa ... DM nicht bezahlte Rechnungen gegenüberstünden, woraus sich ein Guthaben von gut ... DM ergebe. Zudem beachte das FG nicht die Tatsache, daß weder der Kläger noch seine Vorgänger in der Geschäftsführung einen Versuch unternommen hätten, diese Außenstände für die GmbH einzuziehen, und daß sie diese Forderungen auch nicht etwa zur Geldbeschaffung bei Banken als Kreditunterlage genutzt hätten.
Das FG verkenne insofern die Ausführungen des FA zu den Schwierigkeiten, die sich aus bestimmten, in den Generalunternehmerverträgen enthaltenen Bestimmungen für die Pfändung und Einziehung der Außenstände der GmbH bei den Schuldner-Gesellschaften ergäben. Diese Ausführungen beträfen gerade andere Probleme als die der Geltendmachung der Forderungen durch die GmbH selbst; im Hinblick auf die enge Verknüpfung der GmbH mit den anderen X- Y-Gesellschaften stellten sich Probleme verfahrensrechtlicher Art hier gar nicht.
Das FG sei gehalten gewesen, den Sachverhalt unter Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, insbesondere durch eine Einvernahme des X und des Y, dahin aufzuklären, weshalb die Einziehung der Guthaben von über ... DM unterblieben sei und weshalb statt dessen der Kläger den Konkurs beantragt habe.
Obwohl es sich ihm geradezu hätte aufdrängen müssen, habe das FG nicht aufgeklärt, weshalb und auf wessen Geheiß trotz vorhandener Guthaben (Überschüsse) von über ... DM der Kläger für die GmbH den Konkursantrag gestellt habe und weshalb er dem Konkursgericht abweichend von den Feststellungen im Haftungsbescheid die Verbindlichkeiten mit etwa ... DM, die Guthaben mit etwa ... DM angegeben habe, woraus sich eine Überschuldung von gut ... DM ergab.
Es habe sich dem FG auch aufdrängen müssen, daß bei der GmbH weder eine Überschuldung noch eine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe, sondern daß diese nur vorgetäuscht worden sei, nämlich dadurch, daß die mithaftenden X und Y am ... mit nicht existierenden Gegenforderungen u.a. aus angeblicher Vertragsstrafe gegenüber Ansprüchen der GmbH aufgerechnet hätten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Ob der Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung mangels inhaltlich hinreichender Bestimmtheit oder wegen gravierender Begründungsmängel rechtswidrig ist, kann dahingestellt bleiben. Denn er kann zumindest deshalb keinen Bestand haben, weil - wie das FG ohne Rechtsverstoß festgestellt hat - dem Kläger als Geschäftsführer der GmbH während des maßgebenden Zeitraums ausreichende Mittel zur Begleichung der Steuerschulden nicht zur Verfügung standen. Die vom FA angenommenen Haftungstatbestände nach den §§ 69 bzw. 71 i.V.m. §§ 34, 153 Abs. 1 Nr. 1, 370 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 liegen somit in der Person des Klägers nicht vor.
1. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß der Geschäftsführer einer GmbH für die von dieser geschuldete, nicht an das FA entrichtete Umsatzsteuer nach den §§ 69, 34 AO 1977 nur haftet, soweit er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hätte tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln kommt eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers grundsätzlich nur in Betracht, wenn er die vorhandenen Mittel nicht zu einer in etwa anteiligen Befriedigung der privaten Gläubiger und des FA (wegen Umsatzsteuer) verwendet hat (vgl. Urteil vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657 m.w.N.). Der haftungsbegrenzende Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer findet auch dann Anwendung, wenn der Geschäftsführer die Umsatzsteuervoranmeldung nicht, nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig abgegeben hat, wenn - wie hier vom FA angenommen - also der Haftungstatbestand des § 69 Satz 1 1. Alternative AO 1977 vorliegt (Urteil des Senats vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678 m.w.N.).
Dieser Grundsatz der anteiligen Haftung für die Umsatzsteuer nach Maßgabe der vorhandenen Zahlungsmittel findet nach der Rechtsprechung des Senats auch im Falle der Haftung wegen Steuerhinterziehung (§ 71 AO 1977) Anwendung. Denn soweit durch dieselbe Handlung oder Unterlassung zugleich die Haftungstatbestände des § 69 und des § 71 AO 1977 verwirklicht sind, ist es sachlich nicht gerechtfertigt, bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln den Umfang der Haftung davon abhängig zu machen, ob dem GmbH-Geschäftsführer neben der Verletzung seiner Verpflichtung aus § 34 AO 1977 auch eine Steuerhinterziehung zum Vorwurf gemacht werden kann. Entscheidend für die Haftung nach beiden Tatbeständen ist, daß es nicht zur Entrichtung der Steuerschuld gekommen ist, so daß die hierfür maßgeblichen Gründe bei beiden Haftungsnormen Berücksichtigung finden müssen (Urteil des Senats vom 26. August 1992 VII R 50/91, BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 9).
Der Senat hat zur Frage der Haftung des GmbH-Geschäftsführers gemäß §§ 69, 34 AO 1977 nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer im wesentlichen auf den Schadensersatzcharakter der Haftungsnormen des § 69 AO 1977 abgestellt. Der Umfang der Haftung bestimmt sich danach, inwieweit zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Steuerausfall (Schaden) ein Kausalzusammenhang besteht. Dieser fehlt, wenn mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens auch bei fristgerechter Abgabe der Steuererklärung die geschuldete Steuer - auch im Wege der Beitreibung - nicht hätte beglichen werden können (vgl. Urteil in BFHE 164, 203, 207, BStBl II 1991, 678, 680f.). Dasselbe gilt für die Haftung nach § 71 AO 1977. Auch hier ist es das Ziel der Haftungsnorm, den Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung zum Ersatz des Schadens heranzuziehen, den er durch sein Verhalten verursacht hat (BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 9).
Es ist daher auch bei dem Haftungstatbestand der Steuerhinterziehung unabhängig vom Maß des Verschuldens für den Umfang der Haftung darauf abzustellen, inwieweit das strafrechtlich relevante Verhalten (§ 370 AO 1977) für den Schaden in Gestalt der Nichtentrichtung der geschuldeten Steuer ursächlich gewesen ist. Wäre es auch bei pflichtgemäßem Verhalten zu dem Steuerausfall gekommen, weil keine Zahlungsmittel und keine Vollstreckungsmöglichkeiten für das FA vorhanden waren, so kann auch der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung nicht mehr als Haftender in Anspruch genommen werden (vgl. BFHE 169, 13, BStBl II 1993, 8, 10).
2. Im Streitfall hat das FG ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, daß der erst drei Wochen vor dem Konkursantrag der GmbH zum Geschäftsführer bestellte Kläger noch über Mittel zur Begleichung umsatzsteuerlicher Verbindlichkeiten der GmbH in einer Größenordnung von etwa ... DM habe verfügen können und daß er während seiner Zeit als Geschäftsführer noch Zahlungen an andere Gläubiger der GmbH geleistet und damit das FA benachteiligt habe. Es fehle auch an konkreten Anhaltspunkten zur Begründung der Annahme, daß es dem Kläger während seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH noch möglich gewesen wäre, die nach Auffassung des FA noch vorhandenen Forderungen der GmbH geltend zu machen, sie einzuziehen und auf diese Weise Zahlungsmittel zu erlangen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) ist an diese Feststellungen des FG gebunden, da in bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 118 Abs. 2 FGO umfassen dabei neben den eigentlichen für die Entscheidung des FG maßgeblichen Tatsachen auch die sog. Schlußfolgerungen tatsächlicher Art, die das FG aufgrund des festgestellten Sachverhalts im Rahmen der ihm obliegenden Tatsachenwürdigung (Beweiswürdigung) gezogen hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1991 XI R 27/89, BFH/NV 1991, 796, 797, und vom 23. Oktober 1985 VII R 142/81, BFH/NV 1986, 381, 383).
Die Einwendungen der Revision richten sich im wesentlichen gegen die tatsächliche Würdigung des FG und sind schon deshalb unerheblich. Soweit das FA Verfahrensfehler rügen will (etwa Verstoß gegen die §§ 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 und 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), entsprechen die Rügen nicht den Zulässigkeitsanforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG).
Das FG hat für seine Beurteilung, daß dem Kläger im maßgebenden Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit keine Mittel zur Begleichung der Steuerschulden der GmbH zur Verfügung standen, im wesentlichen darauf abgestellt, daß das FA in der Einspruchsentscheidung nach wiederholter Prüfung selbst die Auffassung vertreten habe, daß die GmbH schon im Frühjahr 1984 konkursreif und spätestens ab ... nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern zu erfüllen. Ferner hat das FG sich für seine Beurteilung darauf gestützt, daß der Konkursgutachter in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen ist, es könnten zwar möglicherweise noch Forderungen der GmbH im Prozeßwege geltend gemacht werden, es bestehe jedoch keinerlei Aussicht, die Forderungen durchzusetzen, weil keine Mittel der GmbH zur Führung der notwendigen Rechtsstreitigkeiten vorhanden seien. Dementsprechend habe es das FA unter Hinweis auf das erhebliche Kostenrisiko auch abgelehnt, im Konkursverfahren einen entsprechenden Kostenvorschuß zur gerichtlichen Geltendmachung dieser Forderungen zu leisten. Diese Feststellungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat dabei nicht gegen Verfahrensregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Eine Bindung des Revisionsgerichts ist schon dann gegeben, wenn die Gesamtwürdigung des FG zwar nicht zwingend, aber möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442). Aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen erscheint die Würdigung möglich, daß jedenfalls - was zum Haftungsausschluß ausreicht - nicht angenommen werden könne, es sei dem Kläger während seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH möglich gewesen, die nach Auffassung des FA noch vorhandenen Forderungen der GmbH (soweit sie tatsächlich bestanden und für ihn als solche erkennbar waren) geltend zu machen, sie einzuziehen und auf diese Weise Zahlungsmittel zu erlangen.
Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob - wie etwa das FG des Saarlandes meint (Urteil vom 28. September 1989 2 K 241/88, Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 206, 207) - es sich bei den Mitteln, die die Geschäftsführer u.a. für Zwecke der Steuerzahlung verwalten, stets um vorhandene, nicht mit Einwendungen von dritter Seite behaftete Mittel handeln muß und daher keine Verpflichtung des GmbH-Geschäftsführers besteht zu versuchen, eine mit Einwänden belastete Forderung der Gesellschaft zu realisieren, um dadurch der GmbH eventuell die Zahlung von geschuldeten Steuern zu ermöglichen. Denn im Streitfall dringt jedenfalls die Rüge des FA, das FG habe die Tatsache der Nichteinziehung der angeblich vorhandenen Außenstände nicht beachtet, deshalb nicht durch, weil das FG hierzu ausdrücklich Stellung genommen hat, und die Rüge, das FG habe die Ausführungen des FA zu den Schwierigkeiten der Geltendmachung der angeblichen Forderungen verkannt, deshalb nicht, weil es sich dabei um eine nicht Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widersprechende tatsächliche Würdigung gerade dieses Schreibens durch das Gericht handelt. Das FA verkennt in diesem Zusammenhang auch, daß es nicht auf die Möglichkeiten zur Realisierung der Außenstände durch die früheren Geschäftsführer X und Y gegenüber von diesen beherrschten Gesellschaften (Schuldnern) und auf eine von diesen möglicherweise absichtlich herbeigeführte Zahlungsunfähigkeit der GmbH ankommt. Maßgeblich ist vielmehr die tatsächliche und rechtliche Stellung des Klägers, der auf die Schuldner-Gesellschaften keinen Einfluß hatte und sich deshalb denselben Schwierigkeiten bei einer Realisierung der Außenstände gegenüber sah wie das FA, das es ablehnte, hierfür als Konkursgläubiger einen Prozeßkostenvorschuß zu leisten.
Fundstellen
Haufe-Index 419065 |
BFH/NV 1994, 526 |