Leitsatz (amtlich)
Bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten und nach dem 31. Dezember 1963 fertiggestellt worden sind, ist der Abschlag wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung nach dem Verhältnis des tatsächlichen Alters der Gebäude im Feststellungszeitpunkt zu der verkürzten Gesamtlebensdauer zu bemessen.
Normenkette
BewG 1965 § 94 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionsklägerin (Klägerin), ein Mineralölunternehmen, mietete für die Zeit vom 1. Januar 1966 bis zum 31. Dezember 1985 von der Deutschen Bundesbahn (DB) einen Tankplatz. Bestandteil des Mietvertrages sind die "Allgemeinen Bedingungen für das Vermieten von Lagerplätzen, Lagerräumen, Tankplätzen, Wagenabstellplätzen und Plätzen für Fuhrwerkswagen (die sogenannten Lagerplatzbedingungen)". Danach kann der Mietvertrag in der Zeit nach dem 31. Dezember 1985 zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Nach § 16 Abs. 1 der Lagerplatzbedingungen hat der Mieter den Lagerplatz mit Ablauf der Mietzeit in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und die von ihm oder seinen Rechtsvorgängern errichteten Bauten und anderen Anlagen ohne Entschädigung auf seine Kosten zu entfernen. Kommt der Mieter seinen Verpflichtungen nicht nach, so kann die DB den ursprünglichen Zustand auf Kosten und Gefahr des Mieters unter Anrechnung des Altwerts der Baustoffe wiederherstellen. Die Klägerin errichtete auf dem gemieteten Grundstück eine Tankstelle mit den dazugehörenden Räumlichkeiten. Diese wurden 1967 bezugsfertig.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete die Tankstelle anläßlich der Nachfeststellung zum 1. Januar 1974, dem hier streitigen Stichtag, nach dem Sachwertverfahren als Gebäude auf fremdem Grund und Boden. Einen Abschlag wegen der Abbruchverpflichtung ließ das FA nicht zu. Nach dem - insoweit erfolglosen - Einspruchsverfahren begehrte die Klägerin mit ihrer Klage, unter entsprechender Anwendung von Abschn. 7 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien für die Bewertung des Grundbesitzes im Hauptfeststellungszeitraum 1964 - Fortschreibungs-Richtlinien (FortschR) - vom 2. Dezember 1971 (BStBl I 1971, 638) einen Abschlag in Höhe von 45 % des Gebäudenormalherstellungswerts zu gewähren.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage zum Teil statt und ermäßigte den Einheitswert von 17 300 DM auf 13 900 DM. Es führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die Klägerin sei aufgrund ausdrücklicher Vereinbarungen verpflichtet, bei Beendigung des Mietverhältnisses das von ihr errichtete Tankstellengebäude abzubrechen. Damit seien die Voraussetzungen für einen Abschlag wegen Abbruchverpflichtung gemäß § 94 Abs. 3 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) erfüllt. Der Höhe nach sei ein Abschlag von 20 % des festgestellten Einheitswerts angemessen und ausreichend. Nach dem Wortlaut des § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG sei eine Abbruchverpflichtung durch einen "entsprechenden Abschlag" zu berücksichtigen. Was unter entsprechendem Abschlag zu verstehen sei, lasse das Gesetz offen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Urteil vom 3. März 1972 III R 136/71 (BFHE 106, 570, BStBl II 1972, 896) sei die Ermäßigung in den Fällen des Sachwertverfahrens nach der verkürzten Lebensdauer der Gebäude zu berechnen. Eine Berechnung nach Abschn. 44 Abs. 7 i. V. m. Abschn. 50 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) vom 19. September 1966 (BStBl I 1966, 890) scheide jedoch bei Gebäuden aus, die - wie im Streitfall - nach dem 31. Dezember 1963 errichtet seien (so auch Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 94 BewG Anm. 9). Die Höhe des Abschlags sei gemäß Abschn. 7 Abs. 3 FortschR bei nach dem 31. Dezember 1963 bezugsfertigen Gebäuden in Anlehnung an Abschn. 7 Abs. 2 FortschR zu schätzen. Abschn. 7 Abs. 2 FortschR verweise auf die Anlage 9 BewGr. Unter Berücksichtigung aller Umstände sei im Streitfall ein Abschlag von 20 % angemessen. Der vom FA unter Hinweis auf den Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1978 S 3210 - 8-VA 4/S 3217 - 2 - VA 4 - im folgenden: Erlaß - (Betriebs-Berater 1978 S. 240 - BB 1978, 240 -) hilfsweise zugestandene Abschlag von 5 % reiche nicht aus, um die verkürzte Lebensdauer des Gebäudes und den der Klägerin dadurch verlorengehenden Zeitwert des Gebäudes angemessen auszugleichen.
Das FA rügt mit der Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG. Der Abschlag wegen einer Abbruchverpflichtung sei zwar bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1963 bezugsfertig erstellt und nach dem Sachwertverfahren zu bewerten seien, nach Abschn. 7 Abs. 3 und Abs. 4 FortschR in Anlehnung an die Regelung für das Ertragswertverfahren zu schätzen. Dies bedeute jedoch nicht, daß die für die Fälle des Ertragswertverfahrens geltende Berechnungsmethode zur Ermittlung des Abschlags auch für die im Sachwertverfahren zu bewertenden Grundstücke uneingeschränkt übernommen werden könne. Eine unmittelbare Anwendung der Abschlagsregelung des Ertragswertverfahrens im Sachwertverfahren sei schon deshalb nicht möglich, weil Sachwert- und Ertragswertverfahren zwei nach System und Methodik unterschiedliche Verfahren seien. Die Übernahme der für das Ertragswertverfahren geltenden Abschlagsregelung in das Sachwertverfahren hätte zur Folge, daß für nach dem 31. Dezember 1963 errichtete Gebäude ein erheblich höherer Abschlag anzusetzen wäre als bei den vor dem 1. Januar 1964 bezugsfertig erstellten Bauwerken, die - vom Hauptfeststellungszeitpunkt aus gesehen - dieselbe Restlebensdauer haben wie die nach dem 31. Dezember 1963 errichteten Gebäude.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert unter Abänderung des Einheitswertbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 1977 auf 16 500 DM festzustellen.
Die Klägerin hat innerhalb der Frist des § 556 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) Anschlußrevision eingelegt und diese begründet. Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einheitswert auf 9 500 DM zu ermäßigen. Sie rügt, das FG habe den Abschlag für die Abbruchverpflichtung zu Unrecht auf 20 % bemessen. Nach Abschn. 7 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FortschR sei der Abschlag wegen einer Abbruchverpflichtung i. S. von § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1963 bezugsfertig geworden sind, in Anlehnung an die Regelung in Abschn. 7 Abs. 2 FortschR, also in Anlehnung an das Ertragswertverfahren, zu schätzen. Damit sei zwar klargestellt, daß sich die Abschlaghöhe und Abschlagstaffelung insoweit im Ertragswert- und im Sachwertverfahren in etwa entsprechen sollen. Der Erlaß (a. a. O.) sei nicht anwendbar, weil danach stets - abweichend von der tatsächlichen - eine Lebensdauer von nur einem Jahr in Ansatz gebracht werde mit der Folge, daß der Abschlag über alle Zeiträume der Lebensdauer betrachtet wesentlich niedriger ausfalle als in Anlage 9 BewRGr.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet; die Anschlußrevision der Klägerin führt zu einer Ermäßigung des Einheitswerts auf 10 900 DM.
1. Das FG hat im Streitfall die Voraussetzungen für die Gewährung eines Abschlags wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung (§ 94 , Abs. 3 Satz 3 BewG) dem Grunde nach zu Recht bejaht. Die Vorentscheidung stimmt insoweit mit den Grundsätzen der Entscheidungen des Senats in BFHE 106, 570, BStBl II 1972, 896 und vom 3. Juli 1981 III R 102/80 (BStBl II 1981, 764) überein. § 16 der Lagerplatzbedingungen enthält - wie die Vorinstanz zutreffend entschieden hat - die eindeutige und unbedingte vertragliche Verpflichtung der Klägerin, die gernieteten Flächen mit Ablauf der Mietzeit in den ursprünglichen Zustand zu versetzen und die errichteten Bauten und Anlagen zu entfernen. Die vertraglichen Vereinbarungen lassen der Klägerin bei Beendigung des Mietverhältnisses keine andere Wahl, als die von ihr errichteten Tankstellengebäude abzureißen.
2. Gemäß § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG ist bei der Bewertung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden eine vertragliche Abbruchverpflichtung durch einen "entsprechenden Abschlag" zu berücksichtigen. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, wie die Höhe dieses Abschlags zu bemessen ist. Einen Maßstab für die Höhe des Abschlags enthalten auch nicht die vergleichbaren gesetzlichen Abschlagsregelungen in § 82 Abs. 1 Nr. 3 und § 92 Abs. 4 BewG. Nach Auffassung des Senats ist es sachgerecht, die Höhe des Abschlags grundsätzlich nach der Verkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer des Gebäudes infolge der vertraglichen Abbruchverpflichtung zu bemessen (Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 94 BewG Anm. 17).
a) Bei der Bewertung von bebauten Grundstücken nach dem Ertragswertverfahren soll der Abschlag wegen Abbruchverpflichtung nach der - ergänzten - Tabelle in Anlage 9 BewRGr bemessen werden (vgl. die Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens, herausgegeben vom Bundesminister der Finanzen - BdF -, Bonn 1978, S. 185). Danach bestimmt sich die Höhe des Abschlags nach dem - allerdings nur pauschal berücksichtigten - Alter des Gebäudes im Hauptfeststellungszeitpunkt, nach dessen restlicher Lebensdauer sowie nach der Bauart und Bauausführung. Der Abschlag beträgt z. B. bei massiven Nachkriegsbauten mit Mauerwerk aus Ziegelsteinen je nach der restlichen Lebensdauer zwischen 10 % (restliche Lebensdauer 46 - 49 Jahre) und 90 % (restliche Lebensdauer fünf Jahre) des Gebäudewerts.
b) Im Urteil in BFHE 106, 570, BStBl II 1972, 896 hat es der Senat abgelehnt, die Ermäßigung des Gebäudewerts wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei bebauten Grundstücken, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind, in der Form eines Globalabschlags oder unter Zugrundelegung der vorstehend erwähnten Tabelle für das Ertragswertverfahren (Anlage 9 BewRGr) zu schätzen. Unter Hinweis auf Abschn. 50 Abs. 3 BewRGr i. V. m. Abschn. 44 Abs. 7 BewRGr vertrat der Senat die Auffassung, daß der Abschlag wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei einer Bewertung von bebauten Grundstücken im Sachwertverfahren unter Berücksichtigung der Abbruchverpflichtung individuell nach der hierdurch verkürzten Lebensdauer zu ermitteln sei. Dabei wurde die Ermäßigung nach dem Verhältnis der nach der gewöhnlichen Lebensdauer bemessenen Wertminderung wegen Alters und derjenigen Wertminderung bestimmt, die sich bei Zugrundelegung der infolge vorzeitigen Abbruchs verkürzten Lebensdauer errechnet. Bei der Bewertung eines vor dem 1. Januar 1964 errichteten Gebäudes zum 1. Januar 1964 wurde dessen Alter am Stichtag zu dessen infolge der vertraglichen Abbruchverpflichtung verkürzten Gesamtlebensdauer ins Verhältnis gesetzt. Der sich hieraus ergebende Gesamtabschlag, vermindert um die (bereits berücksichtigte) Alterswertminderung gemäß § 86 BewG ergab den Vomhundertsatz der Ermäßigung wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung (BFHE 106, 570, 575, BStBl II 1972, 896).
c) Zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Bemessung des Abschlags wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die nach dem 31. Dezember 1963 errichtet und nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind, hat die Finanzverwaltung Abschlagstabellen aufgestellt (vgl. den Erlaß, a. a. O.). Hierbei wurde davon ausgegangen, daß der Abschlag wegen Abbruchverpflichtung seiner Natur nach eine besondere Form der gewöhnlichen Wertminderung wegen Alters i. S. von § 86 BewG ist, eine solche für die Zeit nach dem 31. Dezember 1963 nicht gewährt wird (§ 86 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BewG) und das Näherrücken des Abbruchzeitpunkts während des Hauptfeststellungszeitraums nicht zu berücksichtigen sein soll (Abschn. 7 Abs. 1 letzter Satz FortschR). Außerdem wurde angestrebt, die Abschläge wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei den nach dem 31. Dezember 1963 errichteten Gebäuden der Höhe nach in ein vertretbares Verhältnis zu den Abschlägen zu setzen, die bei den nur kurze Zeit vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) bezugsfertig errichteten Gebäuden gewährt werden. Aus diesen Erwägungen liegt den Abschlagssätzen in dem Erlaß für alle nach dem 31. Dezember 1963 errichteten Gebäude einheitlich ein fiktives Baujahr - und zwar das Jahr 1963 - zugrunde. Auf diese Weise wurde erreicht, daß bei Gebäuden, die nach dem 31. Dezember 1963 bezugsfertig erstellt sind, der wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung zu gewährende Abschlag nicht höher ist als die Summe der Wertminderung wegen Alters (§ 86 BewG) und des Abschlags wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei Gebäuden, die vor dem 1. Januar 1964 bezugsfertig geworden sind. Diese Gestaltung der Abschlagstabelle in dem Erlaß hat allerdings zur Folge, daß die dort festgelegten Abschlagssätze ganz erheblich unter den Ermäßigungen liegen, die nach Anlage 9 BewRGr im Ertragswertverfahren gewährt werden und die nach Abschn. 7 Abs. 4 i. V. m. Abschn. 7 Abs. 3 Satz 3 und Abschn. 7 Abs. 2 FortschR als Anhalt für die Schätzung des Abschlags bei nach dem 31. Dezember 1963 erstellten und im Sachwertverfahren zu bewertenden Gebäuden dienen sollen. Im Streitfall käme z. B. nach der Abschlagstabelle des Erlasses ein Abschlag von 5 %, nach Abschn. 7 Abs. 4 i. V. m. Abschn. 7 Abs. 3 Satz 3 und Abschn. 7 Abs. 2 FortschR i. V. m. Anlage 9 BewRGr jedoch ein Abschlag von 35 % in Betracht. Die Abweichung zwischen den nach Anlage 9 BewRGr und den nach der Abschlagstabelle des Erlasses zu gewährenden Abschlägen erhöht sich tendenziell mit der Abnahme der restlichen Lebensdauer. So beträgt z. B. der Abschlag bei massiven Nachkriegsbauten mit Mauerwerk aus Ziegelsteinen (gewöhnliche Lebensdauer 80 Jahre) bei einer restlichen Lebensdauer von nur fünf Jahren nach Anlage 9 BewRGr 90 %, nach der Abschlagstabelle des Erlasses dagegen nur 15 %.
d) Die in dem Erlaß festgelegten Abschlagssätze liegen nach Auffassung des Senats der absoluten Höhe nach aber auch im Vergleich zu den Abschlägen, die nach Anlage 9 BewRGr im Ertragswertverfahren zu gewähren sind, unvertretbar niedrig. Ertragswert- und Sachwertverfahren sind jedoch gleichermaßen darauf gerichtet, den - typisierten - gemeinen Wert für b baute Grundstücke zu ermitteln. Aus dieser Sicht erscheint es - trotz Inkaufnahme systembedingter Abweichungen im Einzelfall - nicht zulässig, daß im Ertragswert- und im Sachwertverfahren für dieselben wertmindernden Umstände durchgängig weit voneinander abweichende Abschläge gewährt werden. Es kommt hinzu, daß sich die Abweichung, die sich bereits aus den unterschiedlichen Abschlagssätzen ergibt - insoweit allerdings systembedingt -, dadurch erhöht, daß die Bemessungsgrundlage, nämlich der sog. Gebäudewert, gemäß § 85 BewG bei im Sachwertverfahren zu bewertenden Gebäuden regelmäßig höher ist als der lediglich um pauschalierte Bodenwertanteile gekürzte Grundstückswert bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren. Wird nur auf Grundstücke abgestellt, die nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sind, führt die Anwendung der Abschlagssätze des Erlasses deshalb zu einer ungleichmäßigen Besteuerung, weil die vertragliche Abbruchverpflichtung bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden nicht ausreichend berücksichtigt wird und diese Grundstücksgruppe steuerlich stärker belastet wird als vergleichbare Grundstücke ohne eine solche Verpflichtung. Dies verdeutlicht das in dem Erlaß aufgeführte Beispiel. Danach soll bei einem 1974 errichteten Gebäude mit einer gewöhnlichen Lebensdauer von 100 Jahren die Verpflichtung zum Abbruch in 1985 bei einer Fortschreibung zum 1. Januar 1980 durch einen Abschlag von 8 % zu berücksichtigen sein. Ein Abschlag in dieser Höhe gilt jedoch die durch die Abbruchverpflichtung verursachte Wertminderung des Gebäudes offensichtlich nicht angemessen ab. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß, wie der Vertreter der Finanzverwaltung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, infolge Ausbleibens einer neuen Hauptfeststellung und der dadurch fehlenden Aktualisierung des Einheitswertsniveaus der unter Anwendung der Abschlagssätze des Erlasses festgestellte Einheitswert jedenfalls im Ergebnis zu keiner unvertretbar hohen steuerlichen Belastung des Grundstückseigentümers führe. Diese Auffassung verkennt, daß in den Genuß der niedrigen, längst überholten Einheitswerte nicht nur die Eigentümer von mit einer Abbruchverpflichtung belasteten bebauten Grundstücken, sondern sämtliche Eigentümer von Grundbesitz gelangen. Das - bei den einzelnen Grundstücksarten allerdings in unterschiedlichem Ausmaß - generell zu niedrige Niveau der Einheitswerte des Grundbesitzes schafft mithin keinen adäquaten Ausgleich für diejenige Gruppe von Grundstückseigentümern, deren nach dem Sachwertverfahren zu bewertende Gebäude infolge vertraglicher Abbruchverpflichtung wertgemindert sind.
e) Nach Auffassung des Senats bestehen keine Bedenken dagegen, die Grundsätze der in BFHE 106, 570, 575, BStBl II 1972, 896 dargestellten Berechnungsart zur Berücksichtigung einer vertraglichen Abbruchverpflichtung bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden auch dann entsprechend anzuwenden, wenn die Gebäude erst nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt bezugsfertig erstellt sind. Danach ist der Abschlag wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung nach dem Verhältnis des tatsächlichen Alters des Gebäudes im Feststellungszeitpunkt zu der verkürzten Gesamtlebensdauer zu bemessen. Der Abschlag wegen Abkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden infolge vertraglicher Abbruchverpflichtung ist seiner Natur nach etwas anderes als die Wertminderung wegen Alters i. S. von § 86 BewG. Die Abkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bewirkt eine Wertminderung, die ähnlich wie die Werteinbuße von Gebäuden infolge der Notwendigkeit baldigen Abbruchs oder infolge wirtschaftlicher Überalterung - und zwar unabhängig von der Wertminderung wegen Alters - durch einen Abschlag eigener Art zu berücksichtigen ist. Diese Auffassung entspricht der Systematik des Bewertungsgesetzes. So führt z. B. die Notwendigkeit baldigen Abbruchs im Ertragswertverfahren gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 3 BewG, im Sachwertverfahren gemäß § 88 BewG (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 88 BewG Anm. 21) unabhängig davon zu einer Ermäßigung, ob und wie sich die Wertminderung wegen Alters auswirkt. Dem entspricht es, die Ermäßigung wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung ebenfalls ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob die Gebäude vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt bezugsfertig erstellt sind. Diese Auffassung findet ihre Bestätigung in der ausdrücklichen Regelung des § 88 Abs. 2 BewG. Danach kann wegen wirtschaftlicher Überalterung eine Ermäßigung des Gebäudesachwerts unabhängig davon in Betracht kommen, ob die wirtschaftlich überalterten Gebäude vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt bezugsfertig errichtet wurden und eine Wertminderung wegen Alters gemäß § 86 BewG berücksichtigt ist. In ähnlicher Weise wie die Notwendigkeit baldigen Abbruchs oder die wirtschaftliche Überalterung wirkt sich eine vertragliche Abbruchverpflichtung auf den Wert eines bebauten Grundstücks aus. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine unterschiedliche Berücksichtigung dieser wertmindernden Umstände rechtfertigen könnten. Auch die Prämisse der Finanzverwaltung, daß das Näherrücken des Abbruchzeitpunkts während des Hauptfeststellungszeitraumes selbst bei Überschreiten der Fortschreibungsgrenzen des § 22 BewG zu keiner Wertfortschreibung führen soll (Abschn. 7 Abs. 1 FortschR), läßt sich nicht auf eine gesetzliche Vorschrift stützen. Die Auffassung der Finanzverwaltung erscheint um so weniger begründbar, je länger der Hauptfeststellungszeitraum 1964 dauert. Dem steht nicht entgegen, daß das Zunehmen des Gebäudealters während des Hauptfeststellungszeitraums gemäß § 86 BewG außer Ansatz zu bleiben hat. Die Abkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer eines Gebäudes durch eine vertragliche Abbruchverpflichtung ist - vergleichbar der Abkürzung der gewöhnlichen Lebensdauer durch die Notwendigkeit baldigen Abbruchs oder infolge wirtschaftlicher Überalterung - Ausfluß tatsächlicher Verhältnisse und daher während des Hauptfeststellungszeitraums durch Wertfortschreibung zu berücksichtigen, soweit die übrigen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Der Senat vertritt daher die Auffassung, daß die Wertminderung bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung bei der Ermittlung des Gebäudewerts in einem solchen Ausmaß zu berücksichtigen ist, als sich die Abbruchverpflichtung in dem jeweiligen Feststellungszeitpunkt wertmindernd auswirkt. Der in dieser Weise geschätzte Abschlag wegen vertraglicher Abbruchverpflichtung ist nicht um die fiktive, rechnerische Absetzung für Abnutzung (AfA) für die Zeit zwischen Hauptfeststellungs- und Fortschreibungszeitpunkt zu kürzen. Im Hinblick auf die Dauer des nunmehr schon annähernd 20 Jahre laufenden Hauptfeststellungszeitraums 1964 erscheint es nicht vertretbar, das Näherrücken des Abbruchzeitpunkts bei der Einheitsbewertung von bebauten Grundstücken außer Betracht zu lassen. Die gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung, wonach die Abbruchverpflichtung bei dem hier streitbefangenen und zum 31. Dezember 1985 abzubrechenden Gebäude anläßlich einer Wertfortschreibung selbst zum 1. Januar 1982 mit einem Abschlag von nur 5 % zu berücksichtigen wäre, erscheint im Ergebnis nicht tragbar.
3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung war der berichtigte Einheitswertbescheid dahin zu ändern, daß der Einheitswert auf 10 900 DM festgestellt wird.
Berechnung des Einheitswerts:
Gesamtgebäudewert lt.
berichtigtem Einheitswertbescheid: 21 738 DM
Alter der Tankstellengebäude
am 1. Januar 1974: 7 Jahre
restliche Lebensdauer
(1. Januar 1974 bis
31. Dezember 1985): 12 Jahre
Gesamtlebensdauer: 19 Jahre
Abschlagssatz: 7/19 x 100 = (rd.) 37 %
Ermäßigung des Gesamtgebäudewerts:
21 738 DM x 37/100 = ./. 8 043 DM
Ausgangswert 13 695 DM
Wertzahl: 80 %
Grundstückswert: 80 % von 13 695 DM = 10 956 DM
Einheitswert (abgerundet) 10 900 DM
Fundstellen
Haufe-Index 413679 |
BStBl II 1981, 761 |
BFHE 1981, 41 |