Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Die Zustellung einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheide an einen von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft benannten Vertreter im Sinne des § 219 Abs. 1 Satz 2 AO ist auch einem ausgeschiedenen Gesellschafter gegenüber wirksam erfolgt, solange sein Ausscheiden im Handelsregister nicht eingetragen ist oder dem Finanzamt nicht sonst bekanntgeworden ist.
Normenkette
AO § 219 Abs. 1
Tatbestand
Auf Grund des Ergebnisses von Betriebsprüfungen sind für die OHG, an der der Bf. beteiligt war, berichtigte einheitliche Gewinnfeststellungen für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 erfolgt. Die berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheide sind am 20. Februar und 9. Juli 1952 der Gesellschaft zu Händen des Gesellschafters A. zugestellt worden, der in ihren Erklärungen als Vertreter im Sinne des § 219 Abs. 1 Satz 2 AO benannt war.
Im April 1957 beantragte der Bf., ihm persönlich die bezeichneten Gewinnfeststellungsbescheide nachträglich zuzustellen, da er im Zeitpunkt der Absendung der Bescheide bereits aus der OHG ausgeschieden gewesen sei. Beschwerde und Berufung gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzamts blieben erfolglos. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts ist das zum 31. März 1952 erfolgte Ausscheiden des Bf. aus der OHG erst am 14. August 1952 zur Eintragung im Handelsregister angemeldet worden und dem Finanzamt nicht vor diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Das Finanzgericht war der Ansicht, nach § 15 HGB könne das frühere Ausscheiden des Bf. aus der OHG dem Finanzamt gegenüber nicht geltend gemacht werden.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. bleibt ohne Erfolg.
Die Zustellung von Bescheiden über die einheitliche Feststellung des gewerblichen Gewinns von Personengesellschaften (§ 215 Abs. 2 Ziff. 2 AO) entsprechend den Bestimmungen des § 219 Abs. 1 AO ist für und gegen alle Gesellschafter wirksam. Gegen einen Beteiligten, der im Zeitpunkt des Zugehens des Bescheids an einen von den Gesellschaftern benannten Vertreter bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden war, ergibt sich diese Wirkung nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs I 171/57 U vom 1. April 1958, BStBl 1958 III S. 285, Slg. Bd. 67 S. 35). Dies gilt jedoch nur mit nachfolgender Einschränkung.
In ihrer Gewinnerklärung für die verbundenen Geschäftsjahre II/1948 und 1949 vom 16. Juli 1951, also zu einer Zeit, als der Bf. unstreitig noch Gesellschafter war, hat die OHG dem Finanzamt den Gesellschafter A. als Zustellungsvertreter benannt. Diese Erklärung beinhaltet im Sinne von § 219 Abs. 1 Satz 2 AO die dem Gesellschafter A. von seinen damaligen Mitgesellschaftern erteilte Ermächtigung, für sie die im § 215 AO vorgesehenen Feststellungsbescheide, soweit sie die einheitliche Feststellung des Gewinns betreffen, in Empfang zu nehmen. Die dem Zustellungsvertreter durch diese Erklärung gegenüber dem Finanzamt erteilte Vollmacht bleibt entsprechend der Regelung in § 102 AO, § 171 BGB so lange in Kraft, bis dem Finanzamt das Erlöschen der Vollmacht von der OHG oder von einem Gesellschafter, der die Vollmacht für sich widerrufen hat, angezeigt ist. Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der OHG kann ein Erlöschen der einem bisherigen Mitgesellschafter als Zustellungsvertreter erteilten Vollmacht bedeuten.
Das Ausscheiden des Bf. aus der OHG ist dem Finanzamt erst am 14. August 1952 mitgeteilt und gleichzeitig zur Eintragung im Handelsregister angemeldet worden. Auf ein Erlöschen der Vollmacht vor diesem Zeitpunkt kann sich der Bf. gemäß § 15 HGB nicht berufen, da er vor der Eintragung einen Widerruf der Vollmacht dem Finanzamt nicht mitgeteilt hat. Infolgedessen muß der Bf. die Zustellungen der gemäß § 222 und § 218 AO erlassenen Bescheide vom 20. Februar und 9. Juli 1952 an den Gesellschafter A. gegen sich gelten lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 409538 |
BStBl III 1960, 96 |
BFHE 1960, 261 |
BFHE 70, 261 |