Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nrn. 1, 2 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin beschäftigte im Jahre 1974 sieben Arbeitnehmer. In diesem Jahre stellte sie einem leitenden Angestellten (im Innendienst) und zwei Außendienstmitarbeitern je einen firmeneigenen Personenkraftwagen zur Verfügung, und zwar in erster Linie zur Wahrnehmung ihrer dienstlichen Geschäfte. Daneben war den Arbeitnehmern die private Nutzung der Fahrzeuge erlaubt. In einem der drei Fälle war zunächst arbeitsvertraglich vereinbart, daß vom Arbeitnehmer (Außendienstmitarbeiter) für die private Nutzung monatlich 85 DM zu entrichten seien. Zum Vollzug dieser Vereinbarung ist es nicht gekommen, da die Klägerin nach eigenem Vorbringen auf diese Zahlung zwecks Gleichbehandlung aller drei Arbeitnehmer verzichtet hat.
Bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Jahr 1974 sah das Finanzamt (Beklagter) in der Überlassung der firmeneigenen Personenkraftwagen zur privaten Nutzung durch die Arbeitnehmer entgeltliche Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 für gegeben. In Anlehnung an die lohnsteuerliche Behandlung ging es von einem Wert der privaten Nutzungsüberlassung in Höhe von 2 920 DM aus und setzte diesen Betrag als Bemessungsgrundlage im Sinne des § 10 UStG 1967 an.
Wegen der sich daraus ergebenden Mehrsteuer von 289,33 DM erhob die Klägerin erfolgreich Klage zum Finanzgericht. Auf die Beschwerde des Finanzamts wegen Nichtzulassung der Revision im finanzgerichtlichen Urteil hat der Bundesfinanzhof durch Beschluß vom 24. März 1983 V B 56/82 (BFHE 138,111, BStBl II 1983, 391) die Revision zugelassen.
Das Finanzamt stützt seine Revision im wesentlichen auf die Erwägung, das Urteil des Finanzgerichts verstoße gegen die vom Bundesfinanzhof zur Behandlung betrieblicher Sachzuwendungen entwickelten Auslegungsgrundsätze. Aus den getroffenen Feststellungen hätten die vom Finanzgericht vertretenen rechtlichen Beurteilungen nicht gezogen werden können. Das Finanzamt beantragt, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. In Übereinstimmung mit dem Finanzgericht sieht sie in der Pkw-Überlassung keine Vergütung für geleistete Dienste. In diese Richtung gehende schriftliche oder mündliche Abreden seien nicht getroffen worden. Davon sei abgesehen worden, weil in Anbetracht der hohen betrieblichen Fahrleistung nur mit einer geringen privaten Fahrleistung zu rechnen gewesen sei. Die private Nutzung sei deshalb von einem so geringen wirtschaftlichen Wert gewesen, daß sie keine wirtschaftliche Größe gewesen sei, die in die beiderseitigen Verpflichtungen hätte einbezogen werden müssen. Aus der Beschränkung der privaten Nutzung auf lediglich drei Mitarbeiter ihres Unternehmens könne nicht geschlossen werden, daß mit der Bevorzugung dieser Mitarbeiter eine Vergütung für geleistete Dienste habe gewährt werden sollen. Dementsprechend sei auch zu verneinen, daß eine freiwillige Sachzuwendung erbracht worden sei, für die von seiten der begünstigten Arbeitnehmer eine besondere Gegenleistung habe erwartet werden können. Sie, die Klägerin, sei nämlich einerseits der Notwendigkeit der Kontrolle unerlaubter privater Nutzung enthoben gewesen, andererseits habe sie durch ihre Großzügigkeit das Vertrauensverhältnis verbessert und die Arbeitnehmer zu verbessertem Arbeitseinsatz motiviert.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Finanzamts ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Der erkennende Senat hat in dem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluß vom 24. März 1983 V B 56/82 (BFHE 138, 111, BStBl II 1983, 391) unter Berufung auf das Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) ausgeführt, daß bei Gewährung betrieblicher Sachzuwendungen ein Leistungsaustausch zu bejahen ist, wenn diese Sachzuwendungen Vergütung für geleistete Dienste sind; das ist der Fall, wenn die Sachzuwendungen Teil derjenigen Leistungen des Arbeitgebers sind, die von ihm für die ihm versprochene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erbringen sind.
Das Finanzgericht hat unter Berufung auf die schriftliche Vertragslage verneint, daß die Pkw-Überlassung für private Zwecke als Vergütung für geleistete Dienste anzusehen sei. Es hat bezüglich des einen Außendienstmitarbeiters den Verzicht der Klägerin auf die ursprünglich arbeitsvertraglich vereinbarte Entrichtung einer Vergütung von 85 DM monatlich als eindeutigen Anhaltspunkt dafür gewertet, daß die Klägerin und dieser Außendienstmitarbeiter die Pkw-Überlassung nicht als Vergütung für geleistete Dienste ansehen wollten. Wegen aller drei Mitarbeiter hat das Finanzgericht des weiteren ausgeführt, es sei weder anhand der Arbeitsverträge noch sonstwie ersichtlich, daß die Arbeitnehmer wegen der Pkw-Überlassung eine Mehrarbeit hätten leisten wollen. Schließlich spräche gegen die Annahme eines Leistungsaustauschs, daß die Klägerin betriebliche Gründe dafür anführen könne, den drei Mitarbeitern die Pkw auch zur privaten Nutzung zu überlassen (entfallende Kontrolle der Verwendung; Möglichkeit der Arbeitsaufnahme von der Wohnung aus).
2. Diese Erwägungen des Finanzgerichts tragen die getroffene Entscheidung nicht. Indem sich das Finanzgericht auf die oben wiedergegebenen Feststellungen beschränkte und allein aus ihnen den rechtlichen Schluß einer nichtsteuerbaren Pkw-Überlassung zog, hat es den Kreis derjenigen Sachzuwendungen, die als Vergütung für geleistete Dienste erbracht werden, zu eng gezogen.
Dies ist für den Fall des leitenden Angestellten mit reiner Innendiensttätigkeit augenscheinlich. Hier konnte das Finanzgericht eine Vergütung für geleistete Dienste nicht mit dem bloßen Argument verneinen, der Arbeitsvertrag gebe dazu nichts her. Vertragliche Vereinbarungen, die im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 das Arbeitsverhältnis durch Regelungen gegenseitiger Rechte und Verpflichtungen ausgestalten, können auch neben dem vom Finanzgericht angesprochenen Formalvertrag stehen. Wäre das Finanzgericht von diesem, nach Auffassung des erkennenden Senats maßgeblichen Auslegungsverständnis ausgegangen, hätte es auch mündliche Nebenabreden und sonstige Umstände (so z. B. die faktische betriebliche Übung, insbesondere bei Arbeitnehmern gleicher Gehaltsstufe) in seine Würdigung einbezogen. Es entspricht nämlich allgemeiner Erfahrung im Wirtschaftsleben, daß bei leitenden Angestellten der firmeneigene Pkw in nicht unerheblichem Umfang zur privaten Nutzung zur Verfügung steht und deshalb neben dem ausdrücklich vereinbarten Barlohn als Bestandteil der Entlohnung angesehen wird.
Der das Vorliegen von Abreden bestreitende Vortrag der Klägerin ist neues tatsächliches Vorbringen (§ 118 Abs. 2 FGO) und kann in diesem Verfahrensstand nicht berücksichtigt werden. Dasselbe gilt zur Einlassung der Klägerin, die private Nutzung habe keine wirtschaftliche Bedeutung gehabt.
Bei den Außendienstmitarbeitern hätte sich das Finanzgericht ebenfalls nicht auf die schriftliche Vertragslage zurückziehen dürfen. Auch kann die Verneinung einer entgeltlichen Pkw-Überlassung nicht auf die Erwägung gestützt werden, es sei nicht ersichtlich, daß die Außendienstmitarbeiter deswegen hätten eine Mehrarbeit erbringen sollen. Die Pkw-Überlassung zur privaten Nutzung muß nicht zwangsläufig Auswirkungen auf den Umfang der Arbeitsleistung haben; es ist auch denkbar, daß sie die Barlohn-Gestaltung betroffen hat (z. B. durch Verzicht auf eine Anhebung des Barlohns). Ebenso sind die Motivationen, die die Klägerin zur Pkw-Überlassung für private Zwecke veranlaßt haben könnten, für die Frage nach dem Leistungsaustausch irrelevant. Das Vorliegen betrieblicher Erwägungen (was immer gegeben sein wird) schließt nicht aus, daß die Pkw-Überlassung Teil des (vertraglichen oder außervertraglichen) Arbeitsentgelts und damit zur Vergütung für geleistete Dienste geworden ist. Dies wäre bei Außendienstmitarbeitern nur dann auszuschließen, wenn - wie die Klägerin nunmehr vorbringt und das Finanzgericht nicht in seine Prüfung einbezogen hat - die private Pkw-Nutzung von derart geringer Größenordnung gewesen ist, daß sie für die Gehaltsbemessung keine wirtschaftliche Rolle gespielt hat (vgl. Urteil vom 6. Juni 1984 V R 136/83, BFHE 141, 359, UR 1984, 234). Hierbei wird vorausgesetzt, daß nach den objektiven betrieblichen Gegebenheiten eine weitergehende private Pkw-Nutzung ausscheidet. Auf das Unterlassen einer gestatteten weitergehenden Pkw-Nutzung kommt es nicht an. Dementsprechend ist ohne Ermittlung der getroffenen Abreden und der sonstigen Umstände des Arbeitsverhältnisses, bei der auch die faktische betriebliche Übung in der Pkw-Überlassung an Arbeitnehmer einzubeziehen ist, eine zutreffende Würdigung, ob die Pkw-Überlassung eine Vergütung für geleistete Dienste dargestellt hat, nicht möglich.
Da das Finanzgericht dies verkannt hat und seine Entscheidung hierauf beruht, ist sie aufzuheben. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Sache nicht spruchreif ist. Die Sache wird deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 75110 |
BStBl II 1984, 808 |
BFHE 1985, 66 |