Leitsatz (amtlich)
Computerprogramme mit Beständen von Daten, die allgemein bekannt und jedermann zugänglich sind (z.B. mit Zahlen und Buchstaben) können materielle Wirtschaftsgüter sein.
Normenkette
BerlinFG § 19
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 27.10.1982; Aktenzeichen II 138/80) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in Berlin (West) eine Druckerei. Im Streitjahr 1979 erwarb sie vier Disketten, auf denen 19 verschiedene Schriftarten gespeichert sind. Mit Hilfe der Disketten stellt die Klägerin Druckschriften im Wege des Fotosatzes her.
Mit endgültigem Bescheid vom 2.April 1980 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Berlinzulage gemäß § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) fest. Dabei versagte das FA die Zulage für die streitigen Disketten mit der Begründung, daß es sich dabei um immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Dagegen hatte die Klage Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 438 abgedruckt.
Gegen das Urteil wendet sich das FA mit der Revision.
Nach seiner Auffassung können die von der Klägerin erworbenen Datenbestände zwar nicht den sonst üblichen Anwenderprogrammen gleichgestellt werden. Eine gewisse Parallelität von der Funktion her komme ihnen jedoch im Vergleich mit Betriebssystemen zu, die ebenfalls zu den immateriellen Wirtschaftsgütern zu rechnen seien. Schriftdatenbestände unterschieden sich von Betriebssystemen dadurch, daß Datensätze nur in digitalisierter Form gespeicherte Informationen enthielten, während Betriebssysteme (möglicherweise auch) Steuerungslogik enthielten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Der vom FG festgestellte Sachverhalt erlaubt dem Senat keine abschließende Entscheidung.
1. In seinem Grundsatzurteil vom 3.Juli 1987 III R 7/86 (BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728) hat der Senat entschieden, daß Computerprogramme immaterielle Wirtschaftsgüter sind, für deren Anschaffung eine Investitionszulage nach § 19 BerlinFG nicht gewährt werden kann. Im Urteilsfall handelte es sich um sog. Anwender-Standardsoftware. Der Senat hat seine Auffassung damit begründet, daß dem Programminhalt im Rechtsverkehr die überragende wirtschaftliche Bedeutung zukomme und daß der Datenträger demgegenüber zurücktrete. Der Anwender (Käufer, Nutzungsberechtigte) sei vorrangig an dem geistigen Gehalt des Programms interessiert; dafür sei er bereit, unter Umständen einen hohen Preis zu bezahlen. Gegenstand des bürgerlich-rechtlichen Austauschvertrages sei deshalb auch keine Sache (i.S. von § 90 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--), sondern --zumindest weitaus primär-- ein immaterielles Gut, nämlich das Programm als Werk mit geistigem Inhalt. Der Senat hat dabei auch auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.März 1987 VIII ZR 43/86 (Betriebs-Berater --BB-- 1987, 1277) Bezug genommen, wo die gleiche Ansicht vertreten wird. Der BGH hat inzwischen in einem weiteren Urteil (vom 4.November 1987 VIII ZR 314/86, BB 1988, 20) seine frühere Auffassung bestätigt.
2. Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728 auch bereits erkennen lassen, worin er im einzelnen den geistigen Gehalt eines Computerprogramms sieht. Er hat dazu ausgeführt: Das Programm (gemeint ist das sog. Anwenderprogramm) stelle für den Anwender einen betrieblichen Vorteil dar, indem es ihn befähige, in seinem Betrieb oder Büro vielfältige Aufgaben zu erledigen, z.B. mathematische, wissenschaftliche und technische Berechnungen durchzuführen, Produktionsvorgänge zu steuern, Kalkulationen und Buchführungsaufgaben zu lösen, Texte zu schreiben u.ä. (vgl. Engel, BB 1985, 1159).
Die Befähigung, solche Aufgaben zu lösen, sieht der Senat darin, daß Anwenderprogramme Funktionsabläufe in einer Maschine steuern. Sie enthalten Anweisungen und Befehle an eine Maschine, wie sie ein Problem im einzelnen zu lösen hat. Diese Anweisungen und Befehle an eine Maschine in einer ihr verständlichen Sprache sind das Charakteristische eines Computeranwendungsprogramms. In diesem Sinne werden sie auch in der Literatur definiert (vgl. z.B. Moritz/Tybusseck, Computer-Software, Tz.101; Kindermann, Zeitschrift für Urheberrecht und Medienrecht 1985, 2; Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 13.September 1983 3 AZR 371/81, BAGE 44, 113). So gesehen ist ein Anwenderprogramm ein geistiges Werkzeug, eine Instruktion an die Maschine. In der Literatur wird es als "künstliche Intelligenz" bezeichnet.
3. Von dieser Beurteilung sind Programme (Datenträger) auszunehmen, die lediglich Daten enthalten. Ein solches Programm enthält keine Befehle, es steuert keine Maschine. Es speichert Datenbestände, die von der Maschine verarbeitet, z.B. sortiert, gezählt, verglichen werden sollen. Solche Programme haben Ähnlichkeit mit Sachen (z.B. Büchern); sie können nicht den immateriellen Wirtschaftsgütern zugeordnet werden. Das gilt jedenfalls für Programme mit Daten, die allgemein bekannt und jedermann zugänglich sind, wie es z.B. bei Zahlen und Buchstaben der Fall ist. Diese Programme können auch nicht, wie das FA meint, mit Systemprogrammen auf eine Stufe gestellt werden. Denn auch Systemprogramme (das sog. Betriebssystem) speichern keine Daten, sondern enthalten ebenfalls Befehle an die Maschine (vgl. Moritz/Tybusseck, a.a.O. Tz.18). Schließlich kann auch das Digitalisieren, also die elektronische Verarbeitung der vorhandenen Daten ein solches Programm noch nicht zu einem immateriellen Wirtschaftsgut machen. Denn entscheidend ist nicht der Vorgang, der zu dem Wirtschaftsgut hinführt; zu beurteilen ist vielmehr das Wirtschaftsgut selbst aufgrund seiner Aufgabe und Funktion. Möglicherweise stellen sich Programme mit bloßen Datenbeständen jedoch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. als Kundenkartei oder Verlagsarchiv) als immaterielle Wirtschaftsgüter dar. Darauf braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Im vorliegenden Fall ist ein solche Ausnahme nicht gegeben.
4. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen über den Programmablauf in der Fotosetzmaschine und über den Inhalt der streitigen Disketten. Das FG wird diese Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. Zu diesem Zweck war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG wird insbesondere festzustellen haben, ob die streitigen Disketten lediglich bekannte und jedermann zugängliche Schriftarten (als eine reine Buchstabensammlung) oder darüber hinaus auch Anweisungen an die Fotosetzmaschine enthalten, wie und in welcher Reihenfolge die einzelnen Buchstaben von den streitigen Disketten abzurufen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 62277 |
BStBl II 1988, 737 |
BFHE 153, 269 |
BFHE 1989, 269 |
BB 1988, 1877-1878 (LT1) |
BB 1989, 18 |
DB 1988, 1678-1678 (ST) |
DStR 1988, 579 (ST1) |
HFR 1988, 571 (LT) |
WPg 1988, 620-620 |
StRK, BerlinFG 1970 § 19 R.74 (LT) |
NJW 1988, 2504 |
NJW 1988, 2504 (LT) |
DStZ/E 1988, 279 (S1) |
CR 1989, 199-200 (ST) |
DuD 1988, 586-587 (LT) |
NJW-CoR 1988, Nr 2, 33 (S) |
iur 1988, 403-404 (KT) |