Entscheidungsstichwort (Thema)
'Kombination" (von Kleidungsstücken) im zolltariflichen Sinne
Leitsatz (NV)
1. Voraussetzungen der Tarifierung als ,,Kombination" (von Kleidungsstücken): ,,Gleichheit" der Einzelteile.
2. Bedeutung von Tarifavisen bei der Auslegung des Zolltarifs.
Normenkette
Anm. 3b zu Kap. 62 zu KN Pos. 62.04; Anm. 13 zu Abschn. XI zu KN Pos. 62.04
Tatbestand
In der der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) . . . ordnete die beklagte Oberfinanzdirektion - OFD - ,,Kostüme" für Frauen, aus Geweben aus künstlichen Chemiefasern, getrennt nach den für den Einzelverkauf in einer gemeinsamen Umschließung befindlichen Teilen Bluse und Hosenrock, den Unterpositionen 6 206 4 000 (Blusen für Frauen, aus Chemiefasern) und 6 204 5 910 der Kombinierten Nomenklatur - KN - zu (Hosenröcke aus künstlichen Chemiefasern). Den Einspruch der Klägerin, mit dem diese eine einheitliche zolltarifliche Behandlung der Teile begehrte, wies die OFD mit der Begründung zurück, die beiden Teile seien nicht, wie nach Anm. 3b zu Kapitel 62 für ,,Kombinationen" erforderlich, aus dem gleichen Flächenerzeugnis hergestellt. Bei der Bluse seien Hals- und Ärmelausschnitte sowie der Rand der Brusttasche mit Gewirkestreifen eingefaßt; bei dem Hosenrock sei ein solcher Streifen dagegen nicht vorhanden.
Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, es handele sich um eine Kombination der Unterposition 6 204 2 919 KN. Die Voraussetzungen von Anm. 3b zu Kapitel 62 lägen vor. Insbesondere beständen beide Kleidungsstücke, Bluse und Hosenrock, aus Gewebe aus künstlichen Spinnfasern (aus Viskose), damit aus dem gleichen Flächenerzeugnis. Trotz der nur bei der Bluse vorliegenden Streifeneinfassung - Verzierungen von geringer Bedeutung - sei auch der einheitliche Stil der Zusammenstellung noch gewährleistet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Die Tarifierung in der angefochtenen vZTA ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Kombinationen i. S. von Position 6 204, z. B. Zusammenstellungen von Blusen und Hosenröcken, müssen den Anforderungen von Anm. 3b zu Kapitel 62 entsprechen. Dazu gehört, daß die einzelnen Kleidungsstücke aus dem gleichen Flächenerzeugnis hergestellt, für den Einzelverkauf aufgemacht und von gleicher Struktur, Farbe und stofflicher Zusammensetzung sowie von gleichem Stil sind, in der Größe sich gleichend oder entsprechend. Die strengen Voraussetzungen, die der Zolltarif hinsichtlich der ,,Gleichheit" der Einzelteile aufstellt, damit für ihre zolltarifliche einheitliche Bewertung als Kombination, sind im Streitfall nicht vollständig erfüllt.
Nicht zu folgen ist allerdings der Auffassung der OFD, es fehle bereits an dem Erfordernis der Herstellung aus dem gleichen Flächenerzeugnis. Bluse und Hosenrock bestehen beide aus Gewebe aus künstlichen Spinnfasern (Viskose), einem Flächenerzeugnis - Position 5 516 -, aus dem konfektionierte Waren des Kapitels 62 hergestellt sein können (Anm. 1 zu Kapitel 62; Erläuterungen - Erl - zu Kapitel 62 - Harmonisiertes System (HS) - Rz. 01.0). Die auf der Bluse vorhandenen Streifen führen nicht dazu, daß dieses Kleidungsstück als aus einem weiteren (nicht zugelassenen) Flächenerzeugnis bestehend angesehen werden müßte. Von dieser Auffassung geht im übrigen auch das von der OFD angeführte Avis aus (Erl zu Position 6 104 - HS - Rz. 14.0 und zu Position 6 110 - HS - Rz. 06.0: Pullover und Hose aus Gewirken, nur ersterer mit angenähtem Wirkbündchen, als Teile einer Zusammenstellung).
Wegen der Gewirkestreifen an mehreren Stellen - nur - der Bluse ist es jedoch ausgeschlossen, die beiden Teile als stofflich ,,gleich" zusammengesetzt anzusehen. Zwar soll es nach den einschlägigen Erläuterungen (zu Kapitel 62 KN Rz. 02.0) für die Tarifierung als ,,Kombination" unschädlich sein, wenn nur ein Teil Verzierungen aufweist, sofern die Verzierungen von geringer Bedeutung und nur an höchstens zwei Stellen (z. B. Kragen und Ärmelenden) angebracht sind. Die Gewirkestreifen der Bluse sind jedoch keine bloßen Verzierungen, schon gar nicht solche von nur geringfügiger Bedeutung. Sie stellen sich vielmehr als Randeinfassungen mit entsprechender Funktion dar; ihr Ziereffekt tritt hinter dieser Funktion zurück. Zutaten dieser Art dürfen bei der Tarifierung nicht vernachlässigt werden. Wenn nur ein Kleidungsstück einer Zusammenstellung - zusätzlich - einen Stoff enthält, der selbst oder in seiner verarbeiteten Form eine eigene funktionale Bedeutung hat, ist die Gleichheit (der stofflichen Zusammensetzung) der Teile nicht gegeben. Daran ändert hier nichts, daß der Hosenrock ein elastisches Band im Taillenbund aufweist, das farblich (schwarz) annähernd den Gewirkestreifen der Bluse angepaßt ist. Der stoffliche Unterschied zwischen beiden Teilen wird dadurch nicht aufgehoben. Ob auch der zwischen der Struktur der Gewirkestreifen und des Gewebes bestehende Unterschied tarifierungserheblich ist, kann offen bleiben.
Das Ergebnis - keine Kombination - wird gestützt durch das vorbezeichnete Tarifavis, demzufolge zwei Teile einer Zusammenstellung getrennt zu tarifieren sind, wenn ein Teil mit angenähten Wirkbündchen - auch von anderer Struktur - versehen ist, die das andere Teil nicht enthält. Wie die Erläuterungen, so sind auch die Tarifavise maßgebliche Erkenntnismittel bei der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteile vom 8. Dezember 1970 Rs. 14/70, EuGHE 1970, 1001, 1009, und vom 23. Oktober 1975 Rs. 35/75, EuGHE 1975, 1205, 1210). Das Avis betrifft zwar die Tarifierung von Bekleidung aus Gewirken / Gestricken, dabei aber die Anwendung der im wesentlichen der Anm. 3b zu Kapitel 62 enstprechenden Anm. 3b zu Kapitel 61 (Kombinationen). Ihm liegt die den zolltariflichen Rechtsvorschriften zu entnehmende Auffassung zugrunde, daß die für die Tarifierung als Kombination erforderliche ,,Gleichartigkeit" der Teile nicht gewahrt ist, wenn nur ein Teil eine stoffliche Zutat (mit eigener funktionaler Bedeutung) enthält, die das weitere Teil nicht aufweist.
Die getrennte Tarifierung ist im Streitfall richtig erfolgt (vgl. Anm. 13 zu Abschn. XI; hinsichtlich der Einzeltarifierung der Bluse - Besatz mit Gewirkestreifen - auch Erl zu Kapitel 62 HS Rz. 02.0). Soweit eine Kombination nicht vorliegt, werden gegen die Tarifierung auch von der Klägerin keine Einwendungen erhoben.
Soweit vorstehend Gemeinschaftsrecht ausgelegt worden ist, ergeben sich unter Berücksichtigung auch des vorbezeichneten Tarifavis keine Zweifel. Der Senat ist somit nicht verpflichtet, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 417064 |
BFH/NV 1991, 133 |