Leitsatz (amtlich)
Zahlungen, die der Mieter dem Vermieter leistet, weil der Vermieter durch die vertragswidrige Vorenthaltung der Mietsache nach Beendigung der Mietzeit Ausfälle an (höheren) Mieteinnahmen aus dem geplanten Neubau erleidet, stellen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung dar.
Normenkette
EStG § 21
Tatbestand
Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) sind Eheleute. Die gegen sie ergangenen Einkommensteuerbescheide vom 6. Mai 1964 (Anforderung von Mehrsteuern für die Jahre 1956 bis 1962) führten zu einem Rechtsstreit, in dessen Verlauf der Revisionsbeklagte (das FA) unter dem 25. März 1968 berichtigte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre erließ, mit deren Ergehen der Rechtsstreit sich mit Ausnahme der Jahre 1956, 1959 und 1962 erledigte. Nachdem die Steuerpflichtigen gemäß § 68 FGO beantragt hatten, die Bescheide vom 25. März 1968 für die noch streitig gebliebenen Jahre zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, trennte das Finanzgericht (FG) die Verfahren für die Jahre 1956 und 1959 einerseits und für das Jahr 1962 andererseits gemäß § 73 Abs. 1 FGO und wies die Klage der Steuerpflichtigen bezüglich der Jahre 1956 und 1959 ab. Es führte aus:
Die den Steuerpflichtigen zugeflossenen Zahlungen der Firma K. seien keine (steuerfreien) Schadensersatzleistungen. Die Firma, deren verspätete Freigabe des von ihr gemieteten Grundstücks B., F-Straße 10-12, den Abbruch des Gebäudes und den Beginn des beabsichtigten Neubaus verzögerte, habe sich den Steuerpflichtigen gegenüber verpflichtet, die diesen bis zum 1. Oktober 1956 von der Hypothekenbank berechneten Bereitstellungszinsen zu ersetzen, und dies auch getan. Da die Steuerpflichtigen jedoch diese Zinsen bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abgesetzt hätten, seien die Ersatzleistungen als Einnahmen des Jahres 1956 zu behandeln, auch soweit die erfüllungshalber gegebenen und von den Steuerpflichtigen angenommenen Wechsel erst im Jahre 1957 fällig geworden, jedoch im Jahre 1956 diskontiert worden seien.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Steuerpflichtigen mit dem Antrag, die Zahlungen der Firma K. als steuerfrei zu behandeln, die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 17 EStG im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an einer GmbH zu prüfen und im übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, damit dieses den Restwert des abgebrochenen Gebäudes B., F-Straße 10-12, für die Berechnung der AfA den Herstellungskosten des Neubaues hinzurechne und die Abbruchkosten als Aufwand gelten lasse.
Zur Begründung ihres Antrags lassen sie vortragen:
Die den Steuerpflichtigen berechneten Zinsen seien, wie auch das FG nicht verkannt habe, nur eine Bezugsgröße gewesen für die Berechnung aller Schäden, die den Steuerpflichtigen aus dem Verhalten der Firma K. erwachsen seien (Bereitstellungszinsen, erhöhte Baukosten, entgangene Mieteinnahmen). Auf diese Schäden, die insgesamt etwa 100 000 DM betragen hätten, seien im Jahre 1957 weitere 10 000 DM gezahlt worden, die vom FA als Schadensersatzleistungen anerkannt worden seien. Wolle man aber den Steuerpflichtigen nicht folgen, so sei der Gegenwert des Wechsels von 8 600 DM, der erst im Jahre 1957 eingelöst worden sei, dem Jahre 1957 zuzurechnen. Die Diskontierung des Wechsels noch im Jahre 1956 werde nicht bestritten; soweit das FA sich jedoch für seine Auffassung auf das Urteil des BFH I 37/52 S vom 1. Juli 1952 (BFH 56, 527, BStBl III 1952, 205) berufe, verkenne es, daß im vorliegenden Streitfall der Wechsel allein mit Rücksicht auf die Bonität der Steuerpflichtigen von der Bank diskontiert worden sei. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Wechselsumme sei erst mit der Einlösung des Wechsels durch den Aussteller gegeben (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 5 zu § 11 EStG).
Den zweiten mit der Revision weiterverfolgten Streitpunkt hätten die Steuerpflichtigen zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fallengelassen, nachdem der Vertreter des FA erklärt habe, daß über die Behandlung des Restbuchwerts des abgebrochenen Gebäudes und der Abbruchkosten in der Einspruchsentscheidung vom 3. Oktober 1962 unanfechtbar entschieden worden sei. Da ihnen diese Entscheidung nicht vorgelegen habe, hätten sie unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Richtigkeit der Erklärung des Vertreters des FA diesen Streitpunkt fallengelassen. Sie hätten jedoch alsbald nach Vorliegen einer Abschrift der Entscheidung ihre Erklärung dem FG gegenüber wegen Irrtums angefochten, das sie jedoch angesichts des Standes des Verfahrens auf die Revision verwiesen habe.
Den dritten Streitpunkt (Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 17 EStG), der allein das Jahr 1959 betrifft, haben die Steuerpflichtigen im Laufe des Revisionsverfahrens fallengelassen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt - was das Jahr 1956 betrifft - zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Sie ist - was das Jahr 1959 betrifft - zurückgenommen worden.
1. Die Rücknahme der Revision hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 1959 durch die Steuerpflichtigen ist vor Abgabe der Erklärung des FA über den Verzicht auf mündliche Verhandlung und vor Abgabe der entsprechenden Verzichtserklärung durch die Steuerpflichtigen selbst erfolgt. Der Zustimmung des FA bedurfte es daher nicht (§ 125 FGO).
2. Das FG konnte - was die Feststellung des Sachverhalts als Tatbestand betrifft - aufgrund des Vortrags der Beteiligten und des ihm vorgelegten Schriftwechsels zwischen den Steuerpflichtigen und der Fa. K. zu der Überzeugung gelangen, daß es den Steuerpflichtigen vornehmlich um die Erstattung der ihnen von der Hypothekenbank berechneten Bereitstellungszinsen gegangen sei.
Wie die Schreiben vom 6. September und 1. Oktober 1956 deutlich machen, hatten die Steuerpflichtigen mit der Fa. K. vereinbart, daß diese ihnen zumindest die aus der verzögerten Räumung erwachsenen Barauslagen vergüten solle, während sie ihrerseits auf alle weitergehenden Ansprüche verzichten wollten. Angesichts der angespannten Lage der Fa. K. erklärten sich die Steuerpflichtigen zur Annahme von Wechseln bereit, wenn die Fa. K. die Diskont- und Stempelspesen trage. Auf dieser Grundlage forderten die Steuerpflichtigen im Jahre 1956 von der Fa. K. 13 400 DM und 8 600 DM Zinsausgleichsbeträge und 115 DM Bankzinsen an. Die Anforderung von Miete für die Zeit der weiteren Nutzung (2 200 DM für November und Dezember 1956) und von Diskontspesen (415,70 DM) kann in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben, nicht dagegen die Anforderung der Miete für 1957 (700 DM) und eines weiteren Zinsausgleichsbetrages von 6 800 DM unter dem 18. Februar 1957; beide Beträge entsprechen in etwa dem nach der Vereinbarung vom 19. März 1957 abschließend zu zahlenden Betrag von 10 000 DM, mit dessen Zahlung "sämtliche Ansprüche zwischen den Vertragschließenden erledigt" sein sollten. Wenn das FG danach zu der Überzeugung gelangte, daß es den Steuerpflichtigen trotz des Schreibens vom 27. Februar 1957, in dem von Schäden im Gesamtbetrag von schätzungsweise 100 000 DM die Rede ist, im Grunde nur um die Erstattung der ihnen berechneten Bereitstellungszinsen ging, so ist das als eine mögliche Meinungsbildung nicht zu beanstanden.
Soweit das FG auf dieser Grundlage in der Vereinnahmung der streitigen Beträge negative Werbungskosten gesehen hat (analog dem BFH-Urteil VI 22/61 S vom 13. Dezember 1963, BFH 78, 477, BStBl III 1964, 184), folgt ihm der Senat jedoch nicht.
Nicht alle Zahlungen, die der Mieter über den vereinbarten Mietzins hinaus leistet, sind Leistungen, die der Vermögenssphäre, nicht der Ertragssphäre zugehören (siehe BFH-Urteile VI 264/65 vom 22. April 1966, BFH 86, 148, BStBl III 1966, 395, betreffend Zahlungen wegen übermäßiger Beanspruchung der Mietsache, und VI R 316/66 vom 29. November 1968, BFH 94, 394, BStBl II 1969, 184, betreffend Zahlungen wegen vertragswidriger Vernachlässigung der Pachtsache). Zahlungen, die der Mieter wegen vertragswidriger Vorenthaltung der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit leistet, können nach Lage der tatsächlichen Verhältnisse beim Vermieter Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sein. Im Streitfall wurden die Zahlungen den Steuerpflichtigen letztlich deshalb erbracht, weil die vertragswidrige Vorenthaltung der Mietsache bei ihnen zu Ausfällen an (höheren) Mieteinnahmen aus dem geplanten Neubau führte. Die Zahlungen erfolgten somit im Rahmen des zwischen den Steuerpflichtigen und der Fa. K. geschlossenen, wenn auch auslaufenden Mietverhältnisses und waren daher als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu behandeln.
3. Auch was die Frage des Zufließens der streitigen Beträge und ihrer - insoweit - zutreffenden steuerrechtlichen Behandlung betrifft, kann die Revision keinen Erfolg haben.
Wird ein Wechsel zahlungshalber - was die Regel ist - und nicht an Zahlungs Statt gegeben und angenommen (§ 364 Abs. 2 BGB), so ist die Wechselsumme dem Empfänger zugeflossen, wenn sie ihm aufgrund Diskontierung des Wechsels zur Verfügung steht (vgl. dazu BFH-Urteile I 37/52 S, a. a. O.; VI 52/60 U vom 3. Februar 1961, BFH 72, 432, BStBl III 1961, 159). Den von den Steuerpflichtigen offenbar gedachten Unterschied zwischen "guten" und "schlechten" Wechseln macht die Rechtsprechung nicht. Wollte man den Steuerpflichtigen hierin folgen, so müßte dies zu kaum lösbaren Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage nach der Bonität der Wechselbeteiligten (Aussteller, Akzeptant, Diskontant, Indossanten) führen. Auch der Umstand, daß die Bank dem Diskontanten die noch nicht fällige Forderung aus dem Wechsel (nur) kreditiert, führt zu keiner abweichenden Beurteilung, was die Frage nach der wirtschaftlichen Verfügungsmacht hinsichtlich der Wechselsumme betrifft, da die Diskontierung den Zweck verfolgt, den Diskontanten unabhängig von der Fälligkeit der Forderung in den Besitz der Wechselsumme zu setzen.
4. Dennoch war die Sache von Amts wegen an das FG zurückzuverweisen, da das FG trotz der Erklärung der Steuerpflichtigen, die Frage nach der zutreffenden Behandlung des Restwerts des abgebrochenen Gebäudes in B., F-Straße 10-12, und der Abbruchkosten "fallen zu lassen", die Auswirkungen dieses Streitpunkts auf die Höhe des mit dem angefochtenen Steuerbescheid festgesetzten Steuerbetrags prüfen mußte. Der Begriff des Streitgegenstands nach der FGO (siehe Beschluß des BFH Gr.S. 1/66 vom 17. Juli 1967, BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) bringt es mit sich, daß das Gericht auch dann, wenn der Kläger einen zunächst aufgegriffenen Streitpunkt im Laufe des Verfahrens nicht mehr weiterverfolgt, im Rahmen des Betrags der beantragten Herabsetzung der Steuer prüfen muß, ob der Steuerbescheid etwa in diesem Punkt zum Nachteil des Klägers fehlerhaft ist, wenn - wie hier - das Gericht dem Kläger im Hauptstreitpunkt nicht recht geben kann (siehe BFH-Urteil VI R 52/67 vom 22. November 1968, BFH 94, 310, BStBl II 1969, 169).
Fundstellen
Haufe-Index 69514 |
BStBl II 1971, 624 |
BFHE 1971, 275 |