Leitsatz (amtlich)
1. § 8 Ziff. 6 GewStG ist mit dem GG vereinbar.
2. Die Zurechnung nach § 8 Ziff. 6 GewStG erstreckt sich auch auf Rückstellungen für Pensionsanwartschaften, die wegen Versorgungszusagen an wesentlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer gebildet worden sind.
Normenkette
GG Art. 3, 6, 14; GewStG § 8 Ziff. 6
Tatbestand
An dem Stammkapital der beschwerdeführenden GmbH von 351 000 DM sind W. L. mit 175 500 DM, F. L. mit 121 500 DM und dessen Ehefrau C. L. mit 54 000 DM beteiligt. Die Gesellschafter W. und F. L. sind gleichzeitig Geschäftsführer der GmbH. Diese hat den beiden Gesellschafter-Geschäftsführern Versorgungszusagen gegeben und hat dafür 1951 = 96 563 DM und 1953 = 49 347 DM zu Lasten des Gewinns zurückgestellt. Das Finanzamt rechnete zur Ermittlung des Gewerbeertrags außer den Barbezügen auch diese Beträge gemäß § 8 Ziff. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn der Beschwerdeführerin (Bfin.) wieder zu.
Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es stützte seine Entscheidung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943 (Reichssteuerblatt -- RStBl-- 1944 S. 148, Slg. Bd. 54 S. 33) und das Urteil des Bundesfinanzhofs I 41/54 U vom 17. August 1954 (Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1957 III S. 53, Slg. Bd. 64 S. 138).
Mit der Rechtsbeschwerde greift die Bfin. die bisherige Rechtsprechung an. Sie führt aus, die bisherige Auslegung des § 8 Ziff. 6 GewStG gehe auf die grundlegende Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 313/41 vom 29. Oktober 1941 (RStBl 1941 S. 867) zurück, die aber mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar sei. Pensionsanwartschaften seien weder, wie die Rechtsprechung annehme, zurückbehaltene Gehaltsteile noch bilanzierungsfähige Wirtschaftsgüter; sie seien also keine "gewährte Vergütung" im Sinne des § 8 Ziff. 6 GewStG. Die Bfin. hat ein Gutachten von Dr. M. eingereicht. Dieser weist u. a. darauf hin, daß die bisherige Rechtsprechung zu § 8 Ziff. 6 GewStG mit den Urteilen des Reichsfinanzhofs I 206/39 vom 1. Oktober 1940 (RStBl 1941 S. 36, Slg. Bd. 49 S. 181) und I 3/40 vom 9. April 1940 (RStBl 1940 S. 621, Slg. Bd. 48 S. 248) unvereinbar sei. Denn nach diesen Urteilen könnten Rückstellungen für Pensionsanwartschaften, die wirtschaftlich im laufenden Geschäft ihre Begründung hätten, bei Ermittlung des Gewerbekapitals nicht wieder zugerechnet werden. Im Urteil des Reichsfinanzhofs IV 750/39 vom 13. März 1940 (RStBl 1940 S. 474) sei auch klar herausgearbeitet worden, daß nur "gewährte" Vergütungen zuzurechnen seien. Die vom Finanzgericht gebilligte Zurechnung der Gehälter und Rückstellungen sei aber schon deshalb unzulässig, weil § 8 Ziff. 6 GewStG verfassungswidrig sei. Es widerspreche dem Wesen der Gewerbesteuer als Sachsteuer, bei einer Kapitalgesellschaft für die Höhe der Gewerbesteuer auf die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter abzustellen, wie es durch die Zurechnungsvorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG geschehe. Die Vorschrift sei auch mit der Eigentumsgarantie in Art. 14 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) unvereinbar. Ferner verletze sie den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, weil nur der kleine Kreis der an einer Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligten Gesellschafter entgegen der sonstigen Regelung des GewStG benachteiligt werde. Von den unter § 8 Ziff. 6 GewStG fallenden Kapitalgesellschaften werde vom Gesetzgeber ein willkürliches Sonderopfer verlangt. Da für die Berechnung der wesentlichen Beteiligung auch die Beteiligung von Angehörigen berücksichtigt werde, führe § 8 Ziff. 6 GewStG zu einer Sippenbesteuerung, die dem GG widerspreche.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Nach § 8 Ziff. 6 GewStG werden Gehälter und sonstige Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte oder ihre Ehegatten für eine Beschäftigung im Betrieb gewährt worden sind, dem Gewinn wieder zugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden waren. Der Begriff der wesentlichen Beteiligung ergibt sich aus § 20 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) 1951, § 18 GewStDV 1955 (vgl. dazu auch Abschnitt 54 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1955). Im Streitfall haben die Vorinstanzen auf Grund dieser Bestimmungen die Barbezüge der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer sowie die für sie gebildeten Pensionsrückstellungen zugerechnet.
Der Einwand der Bfin., die Zurechnung verstoße gegen Grundrechte des GG, greift nicht durch. Der Senat hat in der Entscheidung I 42/58 U vom 13. Mai 1958 (BStBl 1958 III S. 315) bereits ausgesprochen, daß § 8 Ziff. 6 GewStG nicht Art. 3 und Art. 6 GG verletzt. Grundsätzlich ist es eine Frage des steuerpolitischen Ermessens des Gesetzgebers, wie er den für die Gewerbesteuer einer Kapitalgesellschaft maßgebenden Gewerbeertrag abgrenzt. § 8 Ziff. 6 GewStG liegt vor allem der Gedanke zugrunde, eine Kapitalgesellschaft, an der natürliche Personen wesentlich beteiligt sind (sogenannte personenbezogene Kapitalgesellschaften), gewerbesteuerlich nicht besserzustellen als Einzelunternehmen oder Personengesellschaften. Bei solchen Unternehmen kann der Gewinn auch nicht um einen Unternehmerlohn gemindert werden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bfin. dagegen, daß nach § 8 Ziff. 6 GewStG auch Bezüge eines nicht oder nicht wesentlich beteiligten Ehegatten eines Gesellschafters wieder zugerechnet werden müssen, sind für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer jeder für sich allein wesentlich beteiligt sind. Der weitere Einwand der Bfin., die Gewerbesteuer verletze die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG, ist ebenfalls nicht begründet. Die Steuererhebung auf Grund ordnungsmäßig zustande gekommener Gesetze ist kein unzulässiger Eingriff des Staates in das Eigentum der Staatsbürger.
Die Bfin. wendet sich hilfsweise dagegen, daß die Pensionsrückstellungen zugerechnet werden, weil es sich dabei nicht um "gewährte sonstige Vergütungen" im Sinne des § 8 Ziff. 6 GewStG handle. Nach der Rechtsprechung des Senats, die zuletzt in der Entscheidung I 42/58 U vom 13. Mai 1958 (BStBl 1958 III S. 315) bestätigt worden ist, erstreckt sich die Zurechnung auch auf Pensionsrückstellungen. Einkommensteuerlich fließt einem Arbeitnehmer Arbeitslohn gemäß § 11 des Einkommensteuergesetzes nicht bereits in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber Pensionsrückstellungen bildet, sondern erst, wenn der Arbeitnehmer Pensionszahlungen erhält. Die Begriffe "Vergütungen" und "gewähren" in § 8 Ziff. 6 GewStG decken sich aber nicht mit den Begriffen "Arbeitslohn" und "zufließen" im Sinne des Einkommensteuerrechts, wie insbesondere die Entscheidung I 41/54 U vom 17. August 1954 (BStBl 1957 III S. 53, Slg. Bd. 64 S. 138) ausgeführt hat (vgl. auch die Entscheidung I 188/53 U vom 12. Januar 1954, BStBl 1954 III S. 60, Slg. Bd. 58 S. 389, betreffend § 6 Abs. 4 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft). Dem Anwachsen der Verpflichtung des Arbeitgebers steht ein Anwachsen der Anwartschaft des Berechtigten gegenüber. Der Arbeitgeber "gewährt" dem Arbeitnehmer etwas, er vergütet Arbeitsleistung durch Gewährung eines von Jahr zu Jahr in seinem Werte wachsenden Pensionsanspruchs. Der Arbeitnehmer mißt diesem Anwachsen des Anspruchs erhebliche Bedeutung zu. Bei der Auslegung des § 8 Ziff. 6 GewStG sind das Wesen der Gewerbesteuer als Realsteuer und der Zweck der Vorschrift zu berücksichtigen. Die Gewerbesteuer als Realsteuer macht den objektiven Ertrag eines Unternehmens zur Besteuerungsgrundlage. § 8 Ziff. 6 GewStG hat, wie bereits erwähnt, den besonderen Zweck, Kapitalgesellschaften, an denen Gesellschafter wesentlich beteiligt sind und die in vielem Personengesellschaften wirtschaftlich ähnlich sind, Personengesellschaften gewerbesteuerlich gleichzustellen, indem die Gehälter der wesentlich beteiligten Gesellschafter, soweit sie den Gewinn gemindert haben, wieder zugerechnet werden. Entsprechend dem Realsteuercharakter der Gewerbesteuer legt das GewStG, wie sich aus dem einleitenden Obersatz zu § 8 GewStG (". . ., soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind") ergibt, das Schwergewicht darauf, ob eine Minderung des Gewinns des Unternehmens eingetreten ist. Wollte man im übrigen die Pensionsrückstellungen nicht im Jahr ihrer Bildung, in dem sie die Gewinne gemindert haben, zurechnen, so müßte man die Pensionen im Jahr der Auszahlung zurechnen. Die Erfassung in diesem Zeitpunkt ist aber nach dem Gesetz nicht möglich, soweit die Pensionen zu Lasten der Rückstellung gezahlt werden; denn insoweit mindern sie den Gewinn im Jahr der Zahlung nicht.
Die Bfin. weist darauf hin, daß ungewiß sei, ob die Gesellschafter-Geschäftsführer später in den Genuß der Pensionen kämen und ob nicht die Pensionsrückstellung ganz oder teilweise zugunsten des Gewinns der Kapitalgesellschaft wieder aufgelöst würde. Für diesen Fall ist aber bereits in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943 (RStBl 1944 S. 148, Slg. Bd. 54 S. 33) ausgeführt worden, daß dann der Gewerbeertrag um den Teil des Gewinns gekürzt werden muß, der aus der aufgelösten Rückstellung stammt. Ebenso muß man auch vorgehen, wenn aus irgendwelchen Gründen ein zunächst als Betriebsausgabe gezahltes und dem Gewinn wieder zugerechnetes Gehalt in einem späteren Jahr zurückgezahlt wird und dann den Gewinn erhöht. Die Auffassung der Bfin., es werde § 8 Ziff. 6 GewStG entgegen seinem klaren Wortlaut und Sinn ausgelegt, ist unzutreffend.
Die von der Bfin. angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I 3/40 und I 206/39 vom 1. Oktober 1940 stehen zur Rechtsprechung des Senats nicht in Widerspruch. Sie sind zu § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG ergangen und sprechen aus, daß Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen, die wirtschaftlich im laufenden Geschäft begründet werden, bei der Ermittlung des Gewerbekapitals nicht zugerechnet werden können. Der Reichsfinanzhof verweist in diesem Zusammenhang auf § 8 Ziff. 2 GewStG, wonach Renten und dauernde Lasten bei der Ermittlung des Gewerbeertrags dem Gewinn aus Gewerbebetrieb nur dann hinzuzurechnen sind, wenn sie wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen. Diese beiden Entscheidungen betrafen aber nicht den Fall von wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern. Sie haben deshalb mit der Auslegung des § 8 Ziff. 6 GewStG, um den es im Streitfall geht, nichts zu tun.
Fundstellen
Haufe-Index 425864 |
BStBl III 1958, 427 |
BFHE 1959, 403 |