Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Die Erbschaftsteuerschuld entsteht bei Erwerb einer Rente von Todes wegen auch dann im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, wenn der Stpfl. Entrichtung der Steuer von dem Jahreswert der Rente anstatt von ihrem Kapitalwert wählt.
Ist die Erbschaftsteuerschuld von dem Jahreswert einer Rente in der Zeit bis zum 20. Juni 1948 entstanden, so ist die Steuerschuld in RM festzusetzen und, soweit sie vor dem 21. Juni 1948 nicht getilgt ist, im Verhältnis von 10 RM = 1 DM zu entrichten. Dies gilt auch dann, wenn die Rente im Verhältnis von 1 RM = 1 DM umgestellt worden ist.
ErbStG §§ 14 Absatz 1, 33; Verordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes über die Behandlung von steuerrechtlichen Verbindlichkeiten nach dem
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1, §§ 33, 30
Tatbestand
Streitig ist die Umstellung der von der Beschwerdegegnerin (Bgin.) nach dem Jahreswert ihrer Rente zu entrichtenden Erbschaftsteuer. Der am 22. Februar 1947 verstorbene Erblasser hat der Bgin., seiner Ehefrau, eine monatliche Rente von 1.000 RM nebst einem Wohnungsrecht vermacht. Die Erbschaftsteuer hierfür wurde zunächst nach dem Kapitalwert der Rente zuzüglich des Wohnungsrechts, später auf Antrag der Bgin. gemäß § 33 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) unter Zugrundelegung des Jahreswertes der Rente auf jährlich 24 v. H. von 12.500 RM = 3.000 RM vorläufig festgesetzt. In dem endgültigen Bescheid wurde diese Festsetzung mit dem Zusatz bestätigt: Auf Grund des Umstellungsgesetzes sind ab 22. Februar 1949 3.000 DM zu entrichten. Die Bgin. wendet sich gegen die Umstellung der Erbschaftsteuerschuld im Verhältnis von einer RM gleich einer DM. Ihr Einspruch blieb erfolglos. Das angefochtene Urteil hob die Einspruchsentscheidung auf und stellte die von der Bgin. ab 22. Februar 1949 zu entrichtende Jahressteuer auf 300 DM um. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts.
Entscheidungsgründe
Sie ist unbegründet.
Steuerpflichtige (Stpfl.) und Bgin. ist die Vermächtnisnehmerin, nicht der Bevollmächtigte der Erben. Insoweit ist der Kopf des Urteils des Finanzgerichts richtig zu stellen.
In der Sache selbst ist den zutreffenden Ausführungen des Finanzgerichts beizustimmen. Gemäß der Verordnung über die Behandlung von steuerrechtlichen Verbindlichkeiten nach dem Umstellungsgesetz vom 9. Juli 1948 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - 1948 S. 158) werden bis zum 20. Juni 1948 entstandene Steuerschulden, soweit nichts anderes bestimmt ist, in RM festgesetzt. Sind diese Steuerschulden vor dem 21. Juni 1948 nicht in RM getilgt, so sind die geschuldeten Steuerbeträge im Verhältnis von 10 RM gleich 1 DM zu entrichten (ß 1 Absatz 1, 2 a. a. O.). Schulden, die nach dem 20. Juni 1948 entstanden sind, werden - soweit nichts anderes bestimmt ist - in DM festgesetzt und sind in DM zu entrichten (ß 2 a. a. O.). Es kommt somit darauf an, wann die Erbschaftsteuerschuld der Bgin. entstanden ist. Nach § 14 Absatz 1 Ziffer 1 ErbStG entsteht die Erbschaftsteuerschuld beim Erwerb von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Unzweifelhaft gilt diese Bestimmung bei Festsetzung der Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert einer Rente. Es fragt sich jedoch, ob § 14 Absatz 1 Ziffer 1 a. a. O. anwendbar ist, wenn gemäß § 33 a. a. O. Entrichtung der Erbschaftsteuer nach dem Jahreswert der Rente gewählt wird. § 14 a. a. O. läßt in Absatz 1 Ziffer 1 a bis h, ferner in Ziffer 2, 3 und in Absatz 2 eine erhebliche Anzahl Ausnahmen von dem grundsätzlichen geltenden Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu. Der Fall der Entrichtung der Erbschaftsteuer nach dem Jahreswert von Renten ist nicht unter den Ausnahmen enthalten. Diese Tatsache spricht dafür, daß auch bei Bemessung der Erbschaftsteuerschuld nach dem Jahreswert einer Rente die allgemeine Bestimmung über den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld gilt. Auch die rechtliche Gestaltung der Erbschaftsteuer vom Jahreswert einer Rente nötigt nicht zur Annahme eines abweichenden Zeitpunktes der Entstehung der Steuerschuld. § 33 a. a. O. stellt dem Stpfl. zwei verschiedene Möglichkeiten der Steuerentrichtung zur Verfügung, von denen die eine, Entrichtung der Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert der Rente, regelmäßig, die andere Zugrundelegung des Jahreswertes der Rente, nur auf Antrag des Stpfl. zur Anwendung kommt. Stellt der Stpfl. den Antrag auf Entrichtung der Steuer nach dem Jahreswert der Rente, so entfällt die Heranziehung zur Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert der Rente. Zweck der Bestimmung ist, dem Stpfl. die Entrichtung der Erbschaftsteuer zu erleichtern, indem sie gestattet, die Steuer im gleichen Schritt mit dem Empfang der Jahresleistungen zu entrichten (Kipp, Erbschaftsteuer § 33 Anm. 3). Das Finanzgericht erblickt in dieser Gestaltung der Steuerentrichtung keinen Umstand, der auf die Entstehung der Steuerschuld von Einfluß ist. Auch bei Entrichtung der Steuer nach dem Jahreswert der Rente entstehe die Erbschaftsteuerschuld mit dem Todestage des Erblassers, lediglich die Fälligkeit der einzelnen Jahresbeträge werde hinausgeschoben. Dagegen vertritt die Rb. folgenden Standpunkt: Mit dem Tode des Erblassers entstehe zunächst nur die Erbschaftsteuer nach dem Kapitalwert der Rente. Mache der Stpfl. von der im § 33 a. a. O. eingeräumten Befugnis Gebrauch, so trete mit der Antragstellung an Stelle der Steuer nach dem Kapitalwert der Rente eine jährlich zu zahlende Steuer. Die tatsächliche Bereicherung des Stpfl. liege in diesem Falle in dem jeweiligen Jahreswert der Rente. Die jeweilige Bereicherung löse die Entstehung einer entsprechenden Erbschaftsteuerschuld aus. Die Steuerpflicht entstehe insoweit jedes Jahr neu. Aus diesem Grunde sei also die Erbschaftsteuer für das erste nach der Währungsreform laufende Steuerjahr nach dem DM-Betrag der Rente in DM festzusetzen. Die Auffassung des Finanzamts findet Unterstützung bei Eppler (Deutsche Steuerzeitung 1949 S. 400) und Glöggler (Wirtschaftszeitung Nr. 66/49 vom 17. August 1949 S. 9). Die entgegengesetzte, in der angefochtenen Entscheidung niedergelegte Ansicht wird vertreten besonders bei Egly (Deutsche Steuerzeitung 1949 S. 10) und Jahn (Wirtschaftszeitung 1949 Nr. 53 vom 2. Juli 1949 S. 13). Das Finanzamt glaubt, auch in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs eine Bestätigung seiner Ansicht zu finden, und zwar in dem Urteil vom 28. Mai 1929 V e A 885/28 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1929 S. 395). Dieses Urteil ist zu § 33 ErbStG ergangen.
Es stellt fest, daß der Stpfl., der beim Anfall einer lebenslänglichen Rente die Steuer vom Jahreswert der Rente wählt, die Steuer auf Lebenszeit alljährlich zu entrichten hat. In den Gründen wird unter Bezugnahme auf Kipp (Anm. 6 zu § 33 ErbStG) die Ansicht abgelehnt, daß § 33 a. a. O. nur die Bedeutung einer Stundungsvorschrift zukomme. Denn es sei weder Sicherheit zu leisten wie bei der Stundung noch werde bei Säumnis mit einer Jahreszahlung das Ganze fällig, sondern es sei eine jährliche Steuer zu zahlen, "als lägen jährliche Anfälle vor". Diese Worte vermögen die Ansicht des Finanzamts über eine alljährlich neu entstehende Steuerschuld nicht zu rechtfertigen. Sie lassen keinen Schluß auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu und besagen insbesondere nicht, daß bei Wahl der Steuer vom Jahreswert die jeweilige Steuerschuld mit Beginn des Jahres entsteht. Der Auffassung der Rb. über die Entstehung der Steuerschuld bei Entrichtung nach dem Jahreswert von Renten kann daher nicht gefolgt werden. Es widerspricht dem Grundgedanken des Erbschaftsteuergesetzes, in diesem Falle eine aufeinanderfolgende Reihe von selbständigen Bereicherungen in Höhe der jeweiligen Jahresrente und einer entsprechenden Reihe selbständiger, immer neu entstehender Steuerfälle anzunehmen. Dieser Standpunkt führt zu einer nicht gerechtfertigten Zerreißung des einheitlichen Rechtsverhältnisses. Das Finanzgericht weist auch zur Stütze seiner Ansicht darauf hin, daß bei selbständiger Berechnung und selbständiger Entstehung der einzelnen Jahressteuern die gesetzlichen Freibeträge in irgendeiner Form auf die einzelnen Jahre verteilt werden müßten, was jedoch im Gesetz nicht vorgesehen ist und tatsächlich auch nicht geschieht. Hiernach ist die Steuerschuld auch im Streitfall mit dem Tode des Erblassers und somit vor dem Stichtag der Währungsreform entstanden. Die Erbschaftsteuer ist daher nach § 1 der Verordnung vom 9. Juli 1948 in RM festzusetzen und im Verhältnis von 10 RM gleich 1 DM für die Zeit nach der Währungsreform umzustellen, soweit keine Ausnahmebestimmungen vorliegen. Nun hat allerdings die Gemeinsame Steuer- und Zollabteilung in dem Erlaß vom 27. Juli 1949 (StuZBl. 1949 S. 235) ausgesprochen, daß die Verordnung vom 9. Juli 1948 in den Fällen des § 33 ErbStG, wenn die Steuer jährlich im voraus nach den Jahresbeträgen zu entrichten sei, nur eingeschränkt gelte, und daß in diesen Fällen die Jahressteuerschuld für die nach dem 20. Juni 1948 fälligen Jahressteuerbeträge in DM im Verhältnis 1 RM gleich 1 DM zu entrichten sei. Dieser Erlaß enthält eine von § 1 der Verordnung vom 9. Juli 1948 abweichende Ausnahmebestimmung, die, wie das Finanzgericht mit Recht festgestellt hat, nicht in Form einer Verwaltungsanordnung der Steuer- und Zollabteilung ergehen konnte, und die daher nicht als rechtsverbindlich anzusehen ist. Es verbleibt also bei der vom Finanzgericht vorgenommenen Umstellung der Erbschaftsteuerschuld der Bgin. im Verhältnis von 10 RM gleich 1 DM. Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung, die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 320 a. a. O.
Fundstellen
Haufe-Index 407245 |
BStBl III 1951, 142 |
BFHE 1952, 361 |
BFHE 55, 361 |
StRK, ErbStG:14 R 2 |