Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigungsanspruch durch Zwangsversteigerung eines absonderungsberechtigten Grundschuldgläubigers stellt Massekosten dar, begründet eigenen Steuertatbestand und ist keine aufschiebend bedingte Forderung - Umsatzsteuer bei Lieferung des Sicherungsguts ebenso Massekosten
Leitsatz (amtlich)
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch des FA nach § 15a UStG 1980, der dadurch entsteht, daß ein absonderungsberechtigter Grundschuldgläubiger ein zur Konkursmasse gehörendes Grundstück zwangsversteigern läßt, ist den Massekosten i.S. des § 58 Nr.2 KO zuzurechnen.
Orientierungssatz
1. Bei der Zwangsversteigerung eines zur Konkursmasse gehörenden Grundstücks erfolgt zwar die abgesonderte Befriedigung des Gläubigers unabhängig vom Konkursverfahren (§ 4 Abs. 2 KO); das Grundstück bleibt aber bis zum Eigentumswechsel in der Konkursmasse. Übersteigt der Versteigerungserlös die Forderung des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers, gebührt der Überschuß der Konkursmasse (vgl. Literatur).
2. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980, der einen eigenen Steuertatbestand begründet, ist keine aufschiebend bedingte Forderung i.S. des § 67 KO. Der Vorsteuerabzug wird --anders als die Rechtslage beim 3-Jahres-Zeitraum bei der Investitionszulage (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.1977 III R 111/75) oder bei der Nachsteuer im alten Grunderwerbsteuerrecht-- nicht unter der Bedingung gewährt, daß das angeschaffte Wirtschaftsgut 5 oder 10 Jahre im Unternehmen verbleibt.
3. Die Umsatzsteuer, die bei der Lieferung des Sicherungsgebers (Konkursverwalters) an den Sicherungsnehmer nach Konkurseröffnung entsteht, gehört zu den Massekosten i.S. von § 58 Nr. 2 KO (vgl. BFH-Urteil vom 4.6.1987 V R 57/79).
Normenkette
UStG 1980 § 15a; KO §§ 3, 4 Abs. 2, § 58 Nr. 2; UStG 1980 § 15 Abs. 1 Nr. 1; KO § 67
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der M GmbH (Gemeinschuldnerin). Der Konkurs wurde am 17.November 1980 eröffnet.
Zur Konkursmasse gehörte u.a. ein Grundstück in S. Auf diesem hatte die spätere Gemeinschuldnerin eine Produktionshalle errichtet und aus den Baukosten im Jahre 1979 Vorsteuern in Höhe von 147 874,54 DM geltend gemacht.
Am 10.Juli 1981 wurde das Grundstück mit aufstehenden Gebäuden auf Antrag der Sparkasse S zwangsversteigert. Die Sparkasse war bereits vor Konkurseröffnung Inhaberin einer vollstreckbaren Grundschuld. Die Vollstreckungsklausel ließ sie nach Konkurseröffnung auf den Kläger als Konkursverwalter umschreiben. Sodann beantragte sie beim Amtsgericht T als Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung des Grundstücks.
Die Beteiligten ermittelten den sich aus der vorzeitigen steuerfreien Verwendung des Wirtschaftsguts ergebenden Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 übereinstimmend mit 121 075,50 DM. Streitig blieb zwischen ihnen die konkursrechtliche Einordnung dieses Anspruchs als Massekostenforderung oder Konkursforderung.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah die Umsatzsteuerforderung aus der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG 1980 als Massekostenforderung i.S. des § 58 Nr.2 der Konkursordnung (KO) an und erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid, in dem die Steuerschuld auf 244 261 DM festgesetzt wurde (Umsatzsteuerbescheid vom 14.Dezember 1982). Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid hatten keinen Erfolg.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Vorsteuerberichtigungsanspruch sei bereits vor der Konkurseröffnung gemäß § 3 KO begründet gewesen. Die steuerfreie Veräußerung des Grundstücks während des Konkurses führe lediglich zum Entstehen eines längst begründeten Anspruchs und zu dessen betragsmäßiger Fixierung. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch könne auch als aufschiebend bedingte (Steuer-)Forderung i.S. des § 67 KO angesehen werden. Jedenfalls sei der Vorsteuerberichtigungsanspruch im Streitfall keine Massekostenforderung i.S. des § 58 Nr.2 KO, da er nicht aus einer Verwertungshandlung des Konkursverwalters, sondern aus einer gegen den Konkursverwalter gerichteten Verwertungshandlung resultiere.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die festgesetzte Umsatzsteuer um 121 075,50 DM zu ermäßigen.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 58 Nr.2 KO sind Ausgaben für die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse Massekosten. Der Vorsteuerberichtigungsanspruch, der dadurch entsteht, daß der absonderungsberechtigte Grundschuldgläubiger das zur Konkursmasse gehörende Grundstück versteigern läßt, gehört zu den Ausgaben für die Verwaltung oder Verwertung der Masse. Er entsteht, weil ein der Verwaltung des Konkursverwalters unterliegender Massegegenstand verwertet wird.
Mit der Zwangsversteigerung des Grundstücks hat der Gemeinschuldner das Grundstück an den Ersteher geliefert; dieser Umsatz ist nach § 4 Nr.9 Buchst.a UStG steuerfrei (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Dezember 1985 V R 139/76, BFHE 146, 484, BStBl II 1986, 500). Durch die steuerfreie Grundstückslieferung (Zwangsversteigerung) im Jahre 1981 änderten sich die Verhältnisse, die bei der erstmaligen Verwendung der Produktionshalle für den Vorsteuerabzug maßgebend waren. Deshalb war im Jahre 1981 der Vorsteuerabzug nach § 15a UStG 1980 zu berichtigen.
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980 ist keine bereits zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens begründete Konkursforderung (vgl. § 3 KO). Er ist im Jahre 1981, also nach Eröffnung des Konkurses, entstanden; erst zu diesem Zeitpunkt wurde der Tatbestand des § 15a UStG 1980 verwirklicht. Der Senat hat dies bereits für den Fall entschieden, daß der Vorsteuerberichtigungsanspruch durch eine Verwertungshandlung des Konkursverwalters entstanden ist (Urteil vom 9.April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527). Für den Streitfall kann nichts anderes gelten.
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980 ist keine aufschiebend bedingte Forderung i.S. des § 67 KO, da der Vorsteuerabzug nach § 15 UStG 1980 und die Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1980 als selbständige Tatbestände nebeneinander stehen. Der Vorsteuerabzug wird nicht unter der Bedingung gewährt, daß das angeschaffte Wirtschaftsgut 5 oder 10 Jahre im Unternehmen verbleibt. Vielmehr ist er unabhängig von der Verbleibensdauer dann gerechtfertigt, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 UStG 1980 erfüllt sind. Verbleibt das Wirtschaftsgut keine fünf oder zehn Jahre im Unternehmen, begründet § 15a UStG 1980 einen eigenen Steuertatbestand, der die Steuer lediglich in der in dieser Vorschrift bestimmten Höhe entstehen läßt und den Vorsteuerabzug nicht schlechthin rückgängig macht. Insofern ist die Rechtslage --entgegen der Auffassung des Klägers-- anders als bei der Investitionszulage, die nur unter der Voraussetzung gewährt wird, daß das begünstigte Wirtschaftsgut drei Jahre in der Betriebsstätte verbleibt (vgl. BFH-Urteil vom 14.Oktober 1977 III R 111/75, BFHE 124, 122, BStBl II 1978, 204). Sie ist auch anders als bei der Nachsteuer im alten Grunderwerbsteuerrecht, die in einigen Fällen der Grunderwerbsteuerbefreiung zu erheben war, bei denen der mit dem Grunderwerb verfolgte begünstigte Zweck nicht eintrat (für die Gleichbehandlung dieser Fälle mit dem Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 15a UStG 1980 allerdings Onusseit, Betriebs- Berater --BB-- 1988, 674, 678).
Der Senat folgt bezüglich des streitigen Vorsteuerberichtigungsanspruchs auch nicht der Auffassung, daß Massekosten i.S. von § 58 Nr.2 KO nur solche Ausgaben sind, die durch die Amtstätigkeit des Konkursverwalters ausgelöst werden (so aber allgemein Jaeger/Lent, Kommentar zur Konkursordnung, 8.Aufl. 1958 bis 1973, § 58 Anm.1, und für die Einkommensteuer auf Nachkonkursgewinne BFH-Urteil vom 14.Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356). Der Wortlaut des § 58 KO gibt für eine derartige Einschränkung nichts her. Nach den Materialien zur KO (vgl. Hahn, IV.Band: Die gesammelten Materialien zur Konkursordnung, Berlin 1881, S.229) können zwar die Kosten einer von einem Sondergläubiger betriebenen Zwangsversteigerung nicht aus der Konkursmasse erhoben werden. Der Gesetzgeber des Jahres 1877 hat hierbei aber nicht an die Umsatzsteuer gedacht, da es diese damals noch nicht gab (vgl. Onusseit, Umsatzsteuer im Konkurs, 1988, S.143). Es erscheint auch sachlich nicht gerechtfertigt, die Konkursmasse von der Umsatzsteuer freizustellen, die durch die Veräußerung eines Massegegenstandes entsteht. Bei der Zwangsversteigerung eines zur Konkursmasse gehörenden Grundstücks erfolgt zwar die abgesonderte Befriedigung des Gläubigers unabhängig vom Konkursverfahren (§ 4 Abs.2 KO); das Grundstück bleibt aber bis zum Eigentumswechsel in der Konkursmasse. Übersteigt der Versteigerungserlös die Forderung des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers, gebührt der Überschuß der Konkursmasse (Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht, Bd.2, 12.Aufl. 1990, Rz.15.1). Dem entspricht es, daß die Umsatzsteuer, die bei der Zwangsversteigerung des Grundstücks entsteht, aus der Konkursmasse zu zahlen ist. Sie gehört zu den Massekosten nach § 58 Nr.2 KO (im Ergebnis ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 31.Januar 1989 V 49/87, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1989, 604; Mößlang, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1989, 194, 198; Wetzel, Deutsche Steuer-Zeitung 1991, 233; Weiß, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1989, 201 gegen FG Köln, Urteil vom 3.August 1988 9 K 4888/87, UR 1989, 218, das die Sache für ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- hält; vgl. auch zur Wertzuwachssteuer Bescheid des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 27.August 1929 II A 422/29, RFHE 25, 328, und RFH-Urteil vom 6.April 1932 II A 393/31, RFHE 30, 264).
Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Senats zur Verwertung von Sicherungsgut im Konkurs. Danach sind bei der Verwertung von Sicherungsgut durch den Sicherungsnehmer sowohl zwischen dem Sicherungsnehmer und Erwerber als auch zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber steuerbare Umsätze gegeben. Die Umsatzsteuer, die bei der Lieferung des Sicherungsgebers (Konkursverwalters) an den Sicherungsnehmer nach Konkurseröffnung entsteht, gehört zu den Massekosten i.S. von § 58 Nr.2 KO (BFH-Urteil vom 4.Juni 1987 V R 57/79, BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741, mit weiterem Nachweis). In diesen Fällen geht es ebenso wie im Streitfall um die Verwertung von Massegegenständen durch einen absonderungsberechtigten Gläubiger. Die durch die Verwertung des Massegegenstandes in der Person des Gemeinschuldners entstandene Umsatzsteuer muß in beiden Fällen gleichermaßen den Massekosten des § 58 Nr.2 KO zugerechnet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 63915 |
BFH/NV 1991, 65 |
BStBl II 1991, 817 |
BFHE 165, 113 |
BFHE 1992, 113 |
BB 1991, 1622 |
BB 1991, 1622-1623 (LT) |
DB 1991, 1916 (T) |
DStZ 1991, 571 (KT) |
HFR 1991, 612 (LT) |
StE 1991, 292 (K) |