Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für den Anschluß eines Hauses, das bisher eine Sickergrube hatte, an die gemeindliche Kanalisation sind Erhaltungsaufwand.
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung der einmaligen Kanalanschlußgebühr, die die Steuerpflichtigen mit 1 274,18 DM für den Anschluß ihres Mietwohngrundstücks an die städtische Entwässerungsanlage zu leisten haben. Das im Jahr 1929 erbaute Haus der Steuerpflichtigen hatte, bis es im Jahre 1959 zwangsweise an die städtische Anlage angeschlossen wurde, eine Sickergrube, die noch benutzbar war. Die Anschlußgebühr war in fünf Teilbeträgen zu bezahlen, davon im Streitjahr 1961 350 DM.
Das Finanzamt hat diese Zahlung nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen, wie es die Steuerpflichtigen beantragt hatten, weil der Wertverzehr, die anfallenden Reparaturen und die laufende Unterhaltung der Kanalisation zu Lasten der Stadt gehe. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg.
Die Berufung der Steuerpflichtigen führte zum Abzug des streitigen Betrags. Das Finanzgericht ließ es dahingestellt, ob die Anschlußkosten Herstellungsaufwand seien oder ob sie zum Erhaltungsaufwand für die stillgelegte Sickergrube gehörten. Denn der streitige Betrag und auch die ganze in fünf Jahren zu tilgende Gesamtschuld sei eine geringfügige Aufwendung, die, gleichviel ob sie zum Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand rechne, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sofort in voller Höhe abgezogen werden könne.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt unrichtige Rechtsanwendung und hat ausgeführt: Aufwendungen für Gebäude, deren Verwendung und Nutzung sich erfahrungsgemäß auf mehr als ein Jahr erstrecke, seien auf die Dauer der voraussichtlichen Nutzung zu verteilen, wenn der Wertverzehr des Wirtschaftsguts zu Lasten des Steuerpflichtigen gehe. Im Streitfall trage den Wertverzehr der Kanalisationsanlage aber nicht der Steuerpflichtige, sondern die Gemeinde, die nach § 11 der Ortssatzung die in ihrem Eigentum stehende Anschlußleitung bis zur Grundstücksgrenze habe bauen lassen; ihr obliege auch die Unterhaltung und etwaige änderung dieses im öffentlichen Verkehrsraum liegenden Teils der Anschlußleitung. Wenn auch nach § 17 der Ortssatzung die von den Steuerpflichtigen laufend zu zahlenden Kanalbenutzungsgebühren der Unterhaltung und Erneuerung der Kanalisationsanlage dienten, so habe das nicht zur Folge, daß, wie das Finanzgericht glaube, die Steuerpflichtigen den Wertverzehr trügen. Die Gemeinde habe übrigens auch nicht die vollen Kosten umgelegt, sondern nur einen Beitrag erhoben. Die von der Gemeinde ausgestellte Bescheinigung nach § 79 Abs. 4 Ziff. 2 EStDV sei ohne Bedeutung, da diese Vorschrift nur für Steuerpflichtige gelte, die Gewinne auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung versteuerten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. gegen das in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S 12 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts ist im Ergebnis nicht begründet.
Die Kanalanschlußkosten sind nicht, wie der Vorsteher des Finanzamts offenbar annimmt, den Straßenanliegerbeiträgen vergleichbar. Straßenanliegerbeiträge werden für den Bau der Straße, des Gehsteigs usw. bezahlt, also für Anlagen, die außerhalb des Grundstücks liegen. Sie sind zwar in der Regel zu irgendeiner Zeit von den Grundstückseigentümern zu entrichten; von ihrer Bezahlung hängt aber die bestimmungsgemäße Nutzung des Gebäudes nicht ab. Im Gegensatz dazu sind die Kanalanschlußkosten Aufwendungen für die Entwässerungsanlage, die sich zwar zum Teil auch außerhalb des Hausgrundstücks befindet, die aber doch in das Grundstück und in das Haus hineinreicht. Anders als bei den mit den Straßenanliegerbeiträgen finanzierten Anlagen kann ein Haus ohne eine Entwässerungsanlage nicht bewohnt werden. Daß der Senat hinsichtlich der Straßenanliegerbeiträge die dem Urteil VI 138/55 U vom 20. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 343, Slg. Bd. 65 S. 285) zugrunde liegende Rechtsauffassung im Urteil VI 100/63 S vom 18. September 1964 (BStBl 1965 III S. 85, Slg. Bd. 81 S. 233) aufgegeben hat, ist daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung.
Das Finanzgericht hat offengelassen, ob die streitigen Kosten des Anschlusses an die gemeindliche Kanalisationsanlage Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand sind, weil es sich um verhältnismäßig geringe Aufwendungen handele. Da die Abgrenzung zwischen Herstellungs- und Erhaltungsaufwand oft schwer zu ziehen ist, ist in Abschn. 157 Abs. 3 EStR zugelassen, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung kleinere Aufwendungen des Steuerpflichtigen ohne nähere Prüfung im Jahr der Zahlung als Werbungskosten zu behandeln. Für das Streitjahr 1961 galt die Grenze von 1 000 DM; inzwischen wurde sie auf 1 500 DM erhöht. Der Bundesfinanzhof hat diese der Vereinfachung dienende Verwaltungsübung mehrfach gebilligt, z. B. in den Urteilen VI 61/57 vom 23. Januar 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 50; VI 168/61 vom 9. Mai 1961, StRK, Einkommensteuergesetz, § 9 Satz 1 und 2, Rechtsspruch 176). Im Streitfall betrugen die Kanalanschlußkosten 1 397,93 DM, zu denen aber noch die nicht streitigen Kosten des von den Steuerpflichtigen bezahlten Hausanschlusses mit etwa 600 DM kommen. Beide Beträge ergeben erst zusammen die vollen Kosten des Kanalanschlusses und müssen daher auch für die Besteuerung einheitlich behandelt werden. Ob die danach etwa 2 000 DM betragenden Kanalanschlußkosten noch geringfügig im Sinne der EStR sind, ist zweifelhaft.
Herstellungsaufwand ist anzunehmen, wenn ein Gebäude in seiner Substanz vermehrt oder in seiner Wesensart oder seinem Zustand wesentlich geändert und verbessert wird. Daß die Kosten für die Abwässerbeseitigung bei der Errichtung eines Gebäudes zu dessen Herstellungskosten gehören, bedarf keiner Begründung; denn eine moderne Abwässerbeseitigung ist Voraussetzung für die Benutzung des Hauses. Für diese Auffassung spricht auch die in § 51 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. b EStG 1961 enthaltene Ermächtigung und die zu ihrer Durchführung in § 79 Abs. 2 Ziff. 1 EStDV 1961 getroffene Regelung, die allerdings im Streitfall nicht unmittelbar anwendbar ist. Ob die Entwässerung durch Sickergruben oder durch den Anschluß an eine Kanalisationsanlage vorgenommen wird, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab.
Die Kosten der laufenden Instandhaltung einer ordnungsmäßigen Abwässerbeseitigung sind ohne Zweifel Erhaltungsaufwand. Das gilt nicht nur, wenn eine schadhafte Sickergrube ausgebessert wird, sondern auch, wenn eine unbrauchbar gewordene Sickergrube durch eine neue ersetzt wird; denn in beiden Fällen wird die vorhandene Entwässerungsanlage erhalten. Entschließt sich der Eigentümer, statt die schadhafte Sickergrube zu erneuern, das Haus an eine Kanalisationsanlage anzuschließen, so bedeutet das zwar eine Verbesserung und Werterhöhung des Hauses. Gleichwohl sind die Kosten dafür Erhaltungsaufwand, weil das Haus durch den Anschluß an die Kanalisation in seiner Substanz nicht geändert wird, sondern seine Einrichtungen lediglich den modernen Bedürfnissen angepaßt werden. Da diese Modernisierung aus hygienischen Gründen auch im öffentlichen Interesse liegt, ist es nicht angebracht, steuerlich den Fortschritt durch verhältnismäßig unbedeutende fiskalische Erwägungen zu hemmen.
Auch die Fälle, in denen Hauseigentümer durch Ortsstatut gezwungen werden, eine noch brauchbare Sickergrube stillzulegen und ihr Haus an die gemeindliche Kanalisation anzuschließen, sind nicht anders zu beurteilen. Eine solche im öffentlichen Interesse liegende zwangsweise Modernisierung ist, ohne daß es dabei auf die Höhe der Kosten ankommt, immer als Erhaltungsaufwand zu behandeln.
Die Entscheidung des Finanzgerichts, die den im Streitjahr von den Steuerpflichtigen für den Kanalanschluß bezahlten Betrag als Werbungskosten abgezogen hat, ist damit im Ergebnis richtig.
Fundstellen
Haufe-Index 411754 |
BStBl III 1965, 615 |
BFHE 1966, 317 |
BFHE 83, 317 |
BB 1965, 1135 |
DB 1965, 1542 |
DStR 1965, 636 |