Leitsatz (amtlich)
§ 8 Nr. 4 GewStG setzt nicht voraus, daß die persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien Mitunternehmer sind.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die früher in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG) betrieben wurde, ist im März 1971 in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) umgewandelt worden. Dabei wurden die fünf früheren Vorstandsmitglieder der AG als persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafter der Klägerin übernommen. Sie dürfen sich nicht mit einer Vermögenseinlage an der Klägerin beteiligen. Neben ihnen gibt es weitere persönlich haftende Gesellschafter mit Vermögenseinlagen, die jedoch von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind. Die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter haben Anspruch auf feste Bezüge und Tantiemen, die nach der Satzung mit dem Aufsichtsrat vereinbart werden.
Diese Vergütungen rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid vom 9. Mai 1975 unter Berufung auf § 8 Nr. 4 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.
Der vorläufige Gewerbesteuermeßbescheid wurde durch den endgültigen Gewerbesteuermeßbescheid vom 19. Dezember 1978 geändert. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies das FA mit Entscheidung vom 7. Februar 1980 zurück. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29. Februar 1980 den Antrag gestellt, den geänderten Bescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 8 Nr. 4 GewStG und des § 1 Abs. 2, 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG).
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidungen insoweit aufzuheben, als die an die geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter geleisteten Vergütungen dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 4 GewStG hinzugerechnet worden sind.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die den geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschaftern der Klägerin gezahlten Vergütungen (feste Bezüge und Tantiemen) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen sind.
1. Der endgültige Gewerbesteuermeßbescheid vom 19. Dezember 1978 in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den Einspruch gefunden hat (vgl. § 44 Abs. 2 FGO), ist auf Antrag der Klägerin gemäß §§ 68, 123 Satz 2 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Dem steht nicht entgegen, daß der Antrag erst nach Einlegung des Einspruchs und nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 1980 mit Schriftsatz vom 29. Februar 1980 gestellt wurde.
Ebensowenig wie der Vorschrift des § 68 FGO eine Befristung des Antragsrechts entnommen werden kann (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 9/70, BFHE 103, 549, BStBl II 1972, 219), kann aus ihr eine sonstige Beschränkung hergeleitet werden (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 1972 I R 102/70, BFHE 106, 415, BStBl II 1972, 952).
Der Senat braucht das angefochtene Urteil nicht aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (vgl. § 127 FGO), da nach den übereinstimmenden Äußerungen der Beteiligten auch das zweite Einspruchsverfahren ausschließlich die Frage der Anwendbarkeit des § 8 Nr. 4 GewStG betraf.
2. Gemäß § 8 Nr. 4 GewStG sind die Gewinnanteile, die an persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA auf ihre nicht auf das Grundkapital gemachten Einlagen - diese Alternative ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig - oder die als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG) hinzuzurechnen.
a) § 8 Nr. 4 GewStG erfaßt als Gewinnanteile auch feste, vom Jahresergebnis unabhängige Vergütungen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Mai 1965 I 186/64 U, BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418). Das folgt aus dem Wortlaut und dem Zweck dieser Regelung sowie aus ihrem Zusammenhang mit § 15 (Abs. 1) Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 11 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a.F. (§ 9 Nr. 2 KStG 1977).
aa) Die in § 8 Nr. 4 GewStG verwendeten Begriffe "Tantieme" und "Vergütung" stehen im Verhältnis von Art und Gattung. Tantieme ist die Art der Vergütung, die nach dem Geschäftsgewinn (Geschäftsergebnis) bemessen wird. Von dem Gewinnanteil im engeren Sinn unterscheidet sich die Tantieme durch ihren Vergütungscharakter; während jener seinen Ursprung in der bloßen Mitgliedschaft bei der Gesellschaft hat, ist diese eine Bezahlung für eine Arbeitsleistung (vgl. Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, 1929, § 29 Anm. 25).
Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, nur gewinnabhängige Vergütungen zu erfassen, hätte es nahegelegen, allein den Begriff "Tantieme" zu verwenden. Die jetzige Wortfassung der Regelung bringt dagegen zum Ausdruck, daß Tätigkeitsvergütungen jeder Art, insbesondere auch gewinnabhängige Vergütungen, hinzugerechnet werden sollen.
bb) § 8 Nr. 4 GewStG muß ferner in Zusammenhang mit § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG und § 11 Nr. 3 KStG a. F. (§ 9 Nr. 2 KStG 1977) gesehen werden.
§ 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG erfaßt alle Vergütungen der persönlich haftenden Gesellschafter für ihre Geschäftsführung als gewerbliche Einkünfte. Dementsprechend sind gemäß § 11 Nr. 3 KStG a. F. bei der Ermittlung des Einkommens einer KGaA diese Vergütungen abzuziehen. Werden aber alle Vergütungen der persönlich haftenden Gesellschafter für ihre Geschäftsführung gemäß § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG als gewerbliche Einkünfte erfaßt, so müssen diese Vergütungen diese Eigenschaft auch für die Gewerbesteuer haben. Da die persönlich haftenden Gesellschafter selbst nicht gewerbesteuerpflichtig sind, müssen ihre gewerblichen Einkünfte - § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG - im Gewerbeertrag der Gesellschaft für die Gewerbesteuer erfaßt werden. Das rechtstechnische Mittel dazu ist die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 4 GewStG (vgl. BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418).
cc) Schließlich ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, feste Vergütungen anders als vom Jahresergebnis abhängige Vergütungen zu behandeln. Die Bemessungsgrundlage der Vergütungen ist kein Kriterium, an das eine unterschiedliche rechtliche Qualifikation geknüpft werden könnte.
b) § 8 Nr. 4 GewStG setzt - ebensowenig wie § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG - nicht voraus, daß die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA Mitunternehmer sind. Es ist daher unerheblich, daß die Stellung der geschäftsführenden persönlich haftenden Gesellschafter der Klägerin wirtschaftlich betrachtet der Stellung von Vorstandsmitgliedern einer AG ähnelt.
aa) Die genannten Regelungen knüpfen mit dem Begriff "persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA" an die handelsrechtliche Rechtsstellung (§ 278 des Aktiengesetzes - AktG - 1965) an. Eine Abwandlung dieses Merkmals unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist nicht zulässig, weil das Einkommensteuerrecht in § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG - anders als in § 15 (Abs. 1) Nr. 2 EStG - nicht auf die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bestimmende Eigenschaft als Unternehmer (Mitunternehmer) abstellt (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., Stand April 1983, § 15 Rz. 388; Schmidt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 2. Aufl., 1983, § 15 Anm. 161).
Der Klägerin kann daher nicht in der Auffassung gefolgt werden, daß die gesamte Vorschrift des § 15 (Abs. 1) EStG, also auch die Nr. 3, das Merkmal "(Mit-)Unternehmer" voraussetze. Angesichts der besonderen handelsrechtlichen Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA hat der Gesetzgeber bewußt darauf verzichtet, sie als (Mit-)Unternehmer zu behandeln (vgl. Barth, Der Betrieb, Beilage Nr. 10/1961, S. 6). Die persönlich haftenden Gesellschafter werden nur wie (Mit-)Unternehmer behandelt, indem ihre Gewinnanteile und Vergütungen als gewerbliche Einkünfte erfaßt werden. Die in dem Urteil in BFHE 82, 471, BStBl III 1965; 418 beiläufig getroffene Aussage, daß das Steuerrecht die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Mitunternehmer ansehe, ist in diesem Sinne zu verstehen.
bb) Diese Auslegung des § 8 Nr. 4 GewStG und § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG verstößt schließlich nicht - wie die Klägerin meint - gegen den Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (vgl. § 1 Abs. 2, 3 StAnpG). Da der Gesetzgeber - wie ausgeführt - bewußt auf die Mitunternehmereigenschaft verzichtet hat, entspricht es durchaus dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck des § 8 Nr. 4 GewStG und § 15 (Abs. 1) Nr. 3 EStG, die Gewinnanteile und Tätigkeitsvergütungen auch solcher persönlich haftender Gesellschafter zu erfassen, deren Stellung einem Vorstandsmitglied einer AG ähnelt.
Fundstellen
Haufe-Index 74955 |
BStBl II 1984, 381 |
BFHE 1984, 465 |