Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung unter Ehegatten; Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer; Vorsteuerabzug bei Bauherrengemeinschaft
Leitsatz (NV)
1. Die Inanspruchnahme des Kleinunternehmerfreibetrages früheren Rechts rechtfertigte bei einer Vermietung unter Ehegatten nicht die Anwendung des § 42 AO 1977.
2. Bei der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung einer Wohnung rechnet das vom Mieter zusätzlich zum Mietzins übernommene Hausgeld zur Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer.
3. Einem Wohnungseigentümer steht der Vorsteuerabzug aus Rechnungen nicht zu, die der Bauherrengemeinschaft, der er angehört, für von ihr in Auftrag gegebene Leistungen erteilt wurden.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 9, § 4 Nr. 12 Buchst. a, Nr. 13, §§ 9-10, 14-15, 19; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb am 25. August 1981 die Eigentumswohnung Nr. ... im Haus ... zu einem Kaufpreis von ... DM. Sie verpflichtete sich gegenüber ihrem Ehemann, nicht ohne seine Mitwirkung oder Zustimmung zu seinen Lebzeiten über die Eigentumswohnung zu verfügen, andernfalls ihm die Eigentumswohnung unentgeltlich zu übertragen. Diese Verpflichtung sollte auch bei Eheauflösung bestehen; sie wurde durch eine Auflassungsvormerkung gesichert. Ferner verpflichtete sich die Klägerin, auf Verlangen ihres Ehemannes auf dessen Kosten ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht bezüglich der Eigentumswohnung eintragen zu lassen. Dieses Wohnrecht ist zwischenzeitlich im Grundbuch eingetragen.
Das Gebäude wurde zum Kaufzeitpunkt umgebaut. Hierfür entstanden Aufwendungen in Höhe von ca. ... DM. Die Bauarbeiten hatte die von der Wohnungseigentümerversammlung bestellte Verwalterin des Grundstücks, die Firma R, für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Auftrag gegeben. Die Rechnungen wurden im wesentlichen der R für diese Gemeinschaft erteilt. Die R verteilte die entstandenen Kosten auf die Wohnungeigentümer. Auf die Klägerin entfiel nach den Schreiben der R vom 1., 20. und 28. Oktober und 7. Dezember 1981 ein Bruttobetrag von insgesamt ... DM. Als auf die Klägerin entfallenden Anteil an der Umsatzsteuer errechnete die Verwalterin ... DM. Im Schreiben vom 1. Oktober 1981 forderte die R einen Anteil von ... DM an, ohne die anteilige Umsatzsteuer anzugeben.
Vom 1. Oktober 1981 an vermietete die Klägerin die Wohnung an ihren Ehemann zum Betrieb einer Praxis als Rechtsanwalt und Notar zu einem monatlichen Mietzins von ... DM zuzüglich Umsatzsteuer. Zusätzlich wurde vereinbart, daß der Mieter das jeweils zur Erhebung gelangende Hausgeld zu zahlen habe, jedoch ohne Verwalterkosten.
Die Klägerin verzichtete gegenüber dem Beklagten, Revisionsbeklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nach § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze und erklärte für 1981 steuerpflichtige Umsätze zu 13 v.H. in Höhe von ... DM und Vorsteuerabzüge von ... DM.
Das FA setzte im Umsatzsteuerbescheid vom 17. Mai 1984 für 1981 Umsatzsteuer in Höhe von ... DM mit der Begründung fest, eine Unternehmereigenschaft der Klägerin könne nicht anerkannt werden; die Klägerin schulde die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG 1980. Der Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf ./. ... DM begehrte, setzte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer auf ... DM herab und wies die Klage im übrigen ab. Die Klägerin sei zwar, so führte das FG aus, Unternehmerin gewesen. Die Wohnung sei nicht ihrem Ehemann als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen. Die vereinbarte Verfügungsbeschränkung und das unentgeltliche Wohnrecht hätten nach den schuldrechtlichen Vereinbarungen der Ehegatten Sicherungscharakter. Der Ehemann dürfe die Wohnung aufgrund des Wohnrechts nicht als Rechtsanwaltspraxis nutzen. Auch Rechtsmißbrauch liege nicht vor. Die Klägerin könne jedoch Vorsteuerbeträge weder aufgrund der der Wohnungeigentümergemeinschaft erteilten Rechnungen noch aufgrund der Aufteilung der von den jeweiligen Wohnungseigentümern zu tragenden Kosten durch die R geltend machen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 1, 2, 10 und 14 UStG 1980 sowie des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Es vertritt die Auffassung, die Klägerin sei nicht Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 UStG 1980. Die Wohnung sei ihrem Ehemann als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen. Außerdem liege Gestaltungsmißbrauch vor. Zumindest müsse aber die Umsatzsteuer nach der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG 1980 berechnet werden.
Die Klägerin hat ebenfalls Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des § 15 UStG 1980. Sie meint, die für die Wohnungseigentümergemeinschaft ausgestellten Rechnungen seien als für die einzelnen Wohnungseigentümer je nach ihrem Anteil ausgestellt anzusehen. Die anteilige Weitergabe der Rechnungen durch die R an die einzelnen Wohnungseigentümer unter Ausweisung der Umsatzsteuer sei einer gesonderten Rechnungserteilung gleichzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Die Revision des FA ist insoweit begründet, als es sich gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage durch das FG wendet.
a) Das FG hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin im Streitjahr 1981 steuerpflichtige Umsätze ausführte. Sie war Unternehmerin (§ 2 Abs. 1 UStG 1980). Sie erbrachte durch die Vermietung eine sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 UStG 1980, die - als Dauerleistung - auch nachhaltig ausgeführt wurde.
Daß die Klägerin ihrem Ehemann auch ein Wohnrecht (§ 1093 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) unentgeltlich einräumte, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Entscheidend für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist die tatsächliche Nutzungsüberlassung gegen Entgelt.
b) Die Klägerin hat wirkam auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Buchst. a, § 19 Abs. 1 UStG 1980) verzichtet (§§ 9, 19 Abs. 2 UStG 1980).
§ 42 AO 1977 steht dem nicht entgegen.
Der vorliegende Sachverhalt ist mit den Fällen nicht vergleichbar, in denen der Senat den Abschluß eines Mietvertrags zwischen Ärzten und ihren Ehegatten über Praxisräume als rechtsmißbräuchlich beurteilt hat (Senatsurteile vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 10. September 1992 V R 104/91, BFHE 169, 258). Denn anders als ein Arzt oder Zahnarzt ist der Ehemann der Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980). Der Umstand, daß der Klägerin der Kleinunternehmerfreibetrag (§ 19 Abs. 3 UStG 1980 a.F.) zustand, rechtfertigt die Anwendung des § 42 AO 1977 nicht (Senatsurteil vom 14. Mai 1992 V R 56/89, BFHE 168, 472, BStBl II 1992, 859, m.w.N.).
c) Der Senat kann über die Revision des FA nicht abschließend entscheiden. Das FG ist bei der Berechnung der Umsatzsteuer für 1981 nur von dem erklärten Umsatz von ...DM ausgegangen und hat nicht berücksichtigt, daß der Mieter zusätzlich das jeweils zur Erhebung gelangende Hausgeld (ohne Verwalterkosten) zu zahlen hat. Diese zusätzliche Leistung ist Bestandteil des Entgelts, das Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1980). Nicht zum Entgelt gehören durchlaufende Posten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980. Hierzu zählt das vom Ehemann der Klägerin zu bezahlende Hausgeld nicht. Die Klägerin vereinnahmt das Hausgeld vom Mieter nicht im Namen und für Rechnung eines anderen, wie es § 10 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980 voraussetzt, sondern kann es aufgrund des Mietvertrags aus eigenem Recht fordern; umgekehrt ist der Mieter nicht zur Zahlung an die Wohnungseigentümergemeinschaft verpflichtet (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1969 V R 104/66, BFHE 97, 449, BStBl II 1970, 191). Das FG hat Feststellungen hierzu nachzuholen.
Das FG hat ferner nicht geprüft, ob das vereinbarte Mietentgelt für die Vermietungsleistungen der Klägerin nicht unter der sog. Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1980 liegt. Auf den Vorlagebeschluß des Senats vom 24. Juni 1992 V R 151/84 (BFHE 168, 477) wird hingewiesen.
2. Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Die Klägerin kann den begehrten Vorsteuerabzug weder auf die der Wohnungseigentümergemeinschaft erteilten Rechnungen noch auf die Schreiben der R vom 1., 20. und 28. Oktober und 7. Dezember 1981 stützen.
Der Unternehmer kann die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980). Die Vorschrift knüpft mit den Worten: Rechnungen im Sinne des § 14 an die Regelung der Rechnung in § 14 Abs. 4 UStG 1980 an, nicht an § 14 Abs. 1 UStG 1980 (Senatsurteil vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688). Rechnung i.S. des § 14 Abs. 4 UStG 1980 ist jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Der leistende Unternehmer muß in der Rechnung so bezeichnet sein, daß eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift möglich ist (Senatsurteile vom 24. April 1986 V R 138/78, BFHE 146, 489, BStBl II 1986, 581; vom 10. Mai 1990 V R 17/85, BFH/NV 1991, 201).
Die Klägerin kann Vorsteuerbeträge aufgrund der der Bauherrengemeinschaft erteilten Rechnungen nicht geltend machen, weil diese Gemeinschaft als Auftraggeberin der erbrachten Bauleistungen Leistungsempfängerin und Rechnungsadressatin war (vgl. Senatsurteil vom 26. November 1987 V R 85/83, BFHE 151, 479, BStBl II 1988, 158). Die Rechnung ging auch nicht an die Klägerin und die anderen Mitgemeinschafter als bloße Sammelrechnung über ein Bündel von Einzelaufträgen der Gemeinschafter.
Die von R gefertigten Anforderungen der auf die Klägerin entfallenden Kosten berechtigen die Klägerin ebenfalls nicht zum Vorsteuerabzug. Die R rechnete darin nicht über von ihr erbrachte Leistungen ab. Sie hatte die Bauarbeiten für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Auftrag gegeben. Die Rechnungen hierfür waren ihr im wesentlichen für diese Gemeinschaft erteilt worden.
Die Kostenanforderungen können auch nicht als Rechnungen der Gemeinschaft über von ihr ausgeführte Leistungen den Vorsteuerabzug rechtfertigen. Die Gemeinschaft ist in den Rechnungen nicht als leistendes Unternehmen angegeben.
Die nachträgliche Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis, die die Eigentümergemeinschaft als leistendes Unternehmen ausweist (Leistungen i.S. von § 4 Nr. 13 UStG 1980), könnte erst in dem Jahr, in dem sie erfolgt, den Vorsteuerabzug begründen (Senatsurteil vom 26. November 1987 V R 29/83, BFHE 152, 170, BStBl II 1988, 387).
3. Die Kostenentscheidung wird nach § 143 Abs. 2 FGO auf das FG übertragen. Dies ist zulässig, obwohl die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13. Februar 1980 I R 178/78, BFHE 130, 48, BStBl II 1980, 386).
Fundstellen
Haufe-Index 418761 |
BFH/NV 1994, 196 |