Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr sind auch solche Dauerschulden dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen, die im Rahmen der nach § 64 Ziff. 1 b Satz 2 BewG abzugsfähigen Aufwendungen auf Betriebsgrundstücke den Einheitswert gemindert haben.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Ziff. 1; GewStDV § 24; BewG § 63 Abs. 3, § 106/3, § 63/4, § 106/4, § 63 Abs. 5, § 106/5, § 64/1/b, § 107/1/b
Tatbestand
Die Bgin., eine AG, betätigt sich ausschließlich durch Vermietung von Grundvermögen. Ihr Wirtschaftsjahr läuft abweichend vom Kalenderjahr vom 1. April bis 31. März. Der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags nach dem Gewerbekapital für den Erhebungszeitraum 1956 liegt der für den 1. Januar 1956 vorläufig auf minus 10.000 DM festgestellte Einheitswert des Betriebs zugrunde. Die Einheitsbewertung ist - wie bereits früher - unter Berücksichtigung von § 63 Abs. 3 bis 5 und § 64 Ziff. 1 b des Bewertungsgesetzes (BewG) vorgenommen worden. Für den Bestand und die Bewertung waren daher nicht die Verhältnisse im Feststellungszeitpunkt (1. Januar 1956), sondern am Schluß des diesem Zeitpunkt vorangegangenen Wirtschaftsjahres (31. März 1955) maßgebend. Die Bgin. hatte in der Zeit zwischen dem 31. März 1955 und dem 1. Januar 1956 auf eines ihrer Betriebsgrundstücke 1.543.424 DM aufgewandt. In dem Einheitswert des Betriebs ist dieses Betriebsgrundstück mit seinem auf den 1. Januar 1956 festgestellten Einheitswert enthalten. Infolgedessen ist gemäß § 64 Ziff. 1 b Satz 2 BewG von dem Einheitswert des Betriebsvermögens dieser Betrag abgezogen worden. In Höhe von X DM sind die Aufwendungen mit Mitteln bewirkt, die sich die Bgin. durch die Aufnahme langfristiger Darlehen in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 1955 beschafft hatte. Das Finanzamt hat neben anderen Verbindlichkeiten, die schon am Bilanzstichtag (31. März 1955) bestanden hatten, auch diese nach dem Bilanzstichtag aufgenommenen Dauerschulden dem Einheitswert des Betriebsvermögens nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals hinzugerechnet, weil sie durch den Abzug gemäß § 64 Ziff. 1 b BewG den Einheitswert gemindert hätten. Es ist der Auffassung, daß die Hinzurechnung dieser in der Zeit zwischen dem Bilanzstichtag und dem Feststellungszeitpunkt aufgenommenen Dauerschulden in analoger Anwendung des § 24 GewStDV gerechtfertigt sei.
Die Sprungberufung der Bgin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt: Als Dauerschulden dürften Verbindlichkeiten nur dann dem Einheitswert des Betriebsvermögens nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG hinzugerechnet werden, wenn sie bei der Feststellung des Einheitswerts abgezogen seien. Die nach dem Abschlußtag (31. März 1955) aufgenommenen Verbindlichkeiten seien aber in dem auf den 1. Januar 1956 festgestellten Einheitswert noch nicht berücksichtigt gewesen, weil der Einheitswertfeststellung die Verhältnisse am 31. März 1955 zugrunde gelegen hätten. Sie hätten daher den Einheitswert des Betriebs nicht geschmälert. § 24 GewStDV könne nicht angewendet werden, weil der Beginn des Erhebungszeitraums und der Feststellungszeitpunkt mit dem 1. Januar 1956 zusammengefallen seien. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift sei nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe offenbar bewußt in Kauf genommen, daß sich bei einer Einheitsbewertung nach § 63 Abs. 3 BewG gegenüber dem Regelfall Vorteile und Nachteile für den Steuerpflichtigen ergeben könnten. Denn ebenso wie der Steuerpflichtige von einem Antrag nach § 63 Abs. 3 BewG absehen könne, wenn sich daraus für ihn nachteilige Folgen ergeben würden, so könne das Finanzamt im umgekehrten Fall einen solchen Antrag ablehnen.
Mit der Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts demgegenüber geltend: Durch die Absetzung der in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 1955 auf das Betriebsgrundstück gemachten Aufwendungen gemäß § 64 Ziff. 1 b BewG hätten auch die Dauerschulden, die die Bgin. hierfür während dieses Zeitpunktes aufgenommen habe, den auf den 1. Januar 1956 festgestellten Einheitswert des Betriebs gemindert. Infolgedessen seien sie bereits nach der allgemeinen Regel des § 12 Abs. 2 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbekapitals wieder hinzuzurechnen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß die Zurechnung der umstrittenen Schulden in Höhe von X DM sich nicht unmittelbar aus § 24 GewStDV ergibt. Diese Bestimmung behandelt Veränderungen bei den Betriebsgrundstücken, die nach dem Zeitpunkt, auf den der maßgebende Einheitswert des Betriebs festgestellt worden ist, und vor dem Beginn des Erhebungszeitraums eingetreten sind. Im vorliegenden Fall ist der Einheitswert des Betriebs auf den 1. Januar 1956 festgestellt worden, mit dem zugleich der Erhebungszeitraum für die strittige Gewerbesteuer 1956 beginnt. Da beide Zeitpunkte nicht auseinanderfallen, kommt § 24 GewStDV nicht zur Anwendung.
Jedoch erscheint die Hinzurechnung, wie die Rb. ausführt, bereits nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG begründet. Bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebs der AG auf den 1. Januar 1956 sind die umstrittenen X DM tatsächlich von dem Betriebsvermögen abgezogen worden. Die Rechtslage wird nicht dadurch verändert, daß dies rein technisch betrachtet im Rahmen der auf das Grundstück gemachten Aufwendungen gemäß § 64 Ziff. 1 b Satz 2 BewG geschehen ist.
Daß für den Bestand und die Bewertung des Betriebs auf den 1. Januar 1956 mit Rücksicht auf das Wirtschaftsjahr nach § 63 Abs. 3 BewG im allgemeinen die Verhältnisse am 31. März 1955 maßgebend sind, ist nicht ausschlaggebend. Für die Betriebsgrundstücke sind nach § 63 Abs. 5 BewG die Verhältnisse am Bewertungsstichtag (1. Januar 1956) unter Beachtung des § 64 Ziff. 1 b BewG bestimmend. Auf dem gleichen Gedanken, wie er im § 24 GewStDV zum Ausdruck kommt, beruht auch die Regelung des § 64 Ziff. 1 BewG. Der Zusammenhang der Schuld mit dem Ausbau des Betriebsgrundstücks erfordert ihre Berücksichtigung bei der Gewerbesteuer. Die Dauerschuld muß daher nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG zur Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Betriebs wieder hinzugerechnet werden.
Das Finanzamt hat dem Antrag nach § 63 Abs. 3 BewG entsprochen. Es ist an dieses Verfahren ebenso wie die Steuerpflichtige für die Folge gebunden.
Da das Finanzgericht die Rechtslage verkannt hat, wird die Vorentscheidung aufgehoben.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen wird als unbegründet zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 409859 |
BStBl III 1961, 103 |
BFHE 1961, 276 |
BFHE 72, 276 |