Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Geht der Gewerbebetrieb infolge des Todes des Alleininhabers im ganzen auf eine Erbengemeinschaft über, so ist Unternehmerwechsel im Sinne des § 5 Abs. 2 GewStG gegeben. Für den bisherigen Unternehmer und den neuen Unternehmer sind gesonderte Gewerbesteuermeßbeträge festzusetzen.
Die Umrechnungsbestimmungen in § 11 Abs. 5 und § 13 Abs. 4 GewStG für die Fälle, in denen die Steuerpflicht nicht während des ganzen Erhebungszeitraums bestanden hat, verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG).
Ist in der Rechtsbeschwerde auch die Streitwertfeststellung der Vorinstanz angefochten, so ist dies bei der Feststellung des Streitwerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren nach freiem Ermessen (ß 320 Abs. 4 AO) zu berücksichtigen.
Normenkette
GewStG § 5 Abs. 2, § 11/5, § 13 Abs. 4; AO § 320 Abs. 1, § 255/1, § 320 Abs. 4
Tatbestand
Die X.-Fabrik wurde bis zum 6. November 1955 als Einzelunternehmen geführt. Nach dem in diesem Zeitpunkt erfolgten Tod des Inhabers wurde der Betrieb unverändert durch eine Erbengemeinschaft fortgeführt.
Das Finanzamt ging nach § 5 Abs. 2 GewStG 1955 davon aus, daß ein Unternehmerwechsel, die Einstellung des Betriebs des Erblassers und die Neugründung des im ganzen auf die Erbengemeinschaft übergegangenen Betriebs vorliege. Es setzte demgemäß für 1955 - neben dem einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für den Alleininhaber - gesondert einen Steuermeßbetrag für die Erbengemeinschaft fest, wobei es von dem Gewerbeertrag für die Zeit vom 7. November bis 31. Dezember 1955 ausging und mit Rücksicht auf den verkürzten Erhebungszeitraum beim Gewerbeertrag und Gewerbekapital die Umrechnungen gemäß § 11 Abs. 5 und § 13 Abs. 4 GewStG vornahm.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Die Rb. rügt unrichtige Anwendung des Gesetzes. Sie gibt zu, daß der Gewerbebetrieb beim Tod des Inhabers auf die Erben übergeht, hält aber eine einheitliche Festsetzung der Steuerschuld trotzdem für geboten, weil die Erben in die bisherige Rechtsstellung des Erblassers als Steuerschuldner einträten und damit für den gesamten Erhebungszeitraum steuerpflichtig seien. Die Voraussetzung für die Festsetzung der Steuerschuld gegen verschiedene Personen liege daher nicht vor. Sofern die Bestimmungen der §§ 11 Abs. 5 und 13 Abs. 4 GewStG zu einer Mehrbelastung der Steuerpflichtigen führten, könnten sie nicht mit Vereinfachungserwägungen begründet werden, sondern verstießen gegen den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -). Im übrigen sei der Streitwert für alle Verfahrensstufen unrichtig berechnet.
Entscheidungsgründe
Die Rb. konnte nur hinsichtlich der Einwendungen gegen die Streitwertfeststellung Erfolg haben.
Das GewStG bestimmt in § 5 Abs. 1, daß derjenige als Unternehmer gilt und Steuerschuldner ist, für dessen Rechnung das Gewerbe betrieben wird. Es bestimmt in § 5 Abs. 2 für den Fall, daß ein Gewerbebetrieb im ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht, daß der bisherige Unternehmer bis zum übergang, der neue Unternehmer vom Zeitpunkt des übergangs an Steuerschuldner ist. Hiernach war im Streitfall bis zum Tod des Alleininhabers dieser, nach seinem Tod die Erbengemeinschaft Steuerschuldnerin. Die Rb. gibt zu, daß ein Gewerbebetrieb beim Tode des Inhabers auf die Erben übergehe. Sie glaubt jedoch aus dem Umstand, daß die Erben in die Rechte und Pflichten des Erblassers eintreten, schließen zu können, daß die Erben für den gesamten Erhebungszeitraum steuerpflichtig sind. Dem kann nicht gefolgt werden. Das GewStG bestimmt in § 5 Abs. 2 ausdrücklich, daß der Betrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt und durch den neuen Unternehmer neu gegründet gilt. Nach dieser klaren Anordnung kommt eine Zusammenfassung der Meßbetragsfestsetzung für den Erblasser und die Erbengemeinschaft auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Frage, daß auf die Erbengemeinschaft, die nur hinsichtlich ihres eigenen Betriebs Unternehmerin und unmittelbare Steuerschuldnerin ist, die unmittelbare Steuerschuld des Erblassers aus dem Rechtsgrund der Gesamtrechtsnachfolge übergeht (ß 8 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anm. 13 Buchst. d zu § 5 GewStG; Blümich-Boyens-Steinbring-Klein, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., Anm. 13 Abs. 6 Satz 1. Die Rechtsprechung hat auch für die Frage des Verlustabzugs nach § 10 a GewStG ausgesprochen, daß mit der Erbfolge ein Unternehmerwechsel verbunden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs I 139/57 U vom 23. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 426, Slg. Bd. 67 S. 400). Hiernach war die Auffassung der Vorinstanz, daß für den Alleininhaber und die Erbengemeinschaft gesonderte Meßbetragsfestsetzungen vorzunehmen seien, nicht zu beanstanden.
Streit besteht ferner über die Anwendung der im GewStG für Fälle, in denen die Steuerpflicht nicht während des ganzen Erhebungszeitraums bestanden hat, getroffenen Regelungen. § 11 Abs. 5 bestimmt hierzu für die natürlichen Personen und Gesellschaften mit gestaffelten Steuermeßzahlen (ß 11 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG), daß der Gewerbeertrag auf einen Jahresbetrag umzurechnen und dabei die Kalendermonate, in denen die Steuerpflicht nur während eines Teils bestanden hat, voll zu rechnen sind; der für ein Jahr sich ergebende Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag ist entsprechend der Zahl der vollen oder angefangenen Kalendermonate des Zeitraums umzurechnen, während dessen die Steuerpflicht im Erhebungszeitraum bestanden hat. § 13 Abs. 4 GewStG bestimmt für die gleichen Fälle, daß sich der Steuermeßbetrag nach dem Gewerbekapital auf soviel Zwölftel ermäßigt, wie die Steuerpflicht volle oder angefangene Kalendermonate im Erhebungszeitraum bestanden hat. Die Bfin. führt aus, daß es, wenn bei der Berechnung der Meßbeträge sowohl für den Betrieb des Erblassers als auch für den Betrieb der Erbengemeinschaft ein angefangener Monat voll berücksichtigt würde, zu einer ungerechtfertigten Mehrbelastung kommen müßte; denn die Meßbeträge umfaßten dann insgesamt 13 Monatsbeträge. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 GG).
Auch dieser Auffassung der Bfin. kann nicht zugestimmt werden. Die Bfin. hat in ihrem an das Finanzgericht gerichteten Schreiben zutreffend ausgeführt, daß die Anwendung der Umrechnungsregel auf den Erblasserbetrieb und auf den Erbenbetrieb zu Steuermeßbeträgen nach dem Gewerbeertrag von insgesamt ... DM führe, während bei Zusammenfassung zu einem Jahresergebnis der Steuermeßbetrag ... DM betrage. Es ergibt sich also beim Gewerbeertrag nicht ein höherer, sondern ein (um rund 20 DM) niedrigerer Steuermeßbetrag. Eine Mehrbelastung entsteht allerdings bei der Umrechnung der Steuermeßbeträge nach dem Gewerbekapital. Zutreffend sind diese in dem genannten Schriftsatz für den Betrieb des Erblassers mit ... DM, für den Betrieb der Erben mit insgesamt ... DM, für den zusammengefaßten Betrieb mit ... DM angegeben. Die Mehrbelastung beträgt somit hier rund 360 DM.
Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, daß die Umrechnungsvorschriften gegen den Grundsatz der steuerlichen Gleichmäßigkeit verstoßen. Die Umrechnung des Gewerbeertrags und der Steuermeßbeträge nach vollen Kalendermonaten ist wesentlich einfacher als die Umrechnung nach Tagen. Mehrbelastungen treten bei den Steuermeßbeträgen nach dem Gewerbeertrag nur in Ausnahmefällen auf. Die Mehrbelastung bei den Steuermeßbeträgen nach dem Gewerbekapital ist infolge der niedrigen Steuermeßzahl (2 v. T.) selbst in Fällen mit höherem Gewerbekapital tragbar; sie beträgt im Streitfall bei einem Gewerbekapital von ... DM nur rund 360 DM. Eine unzumutbare Mehrbelastung wird durch die Umrechnungsvorschriften weder in den gewöhnlichen Fällen des Beginns oder des Endes der Steuerpflicht während des Erhebungszeitraums noch in den Sonderfällen des Unternehmerwechsels nach § 5 Abs. 2 GewStG - in dem die Mehrbelastung allerdings deutlicher in Erscheinung treten kann - herbeigeführt. Es ist kein Verstoß gegen die Gleichheit vor dem Gesetz, wenn der Gesetzgeber die zumutbaren Mehrbelastungen aus Vereinfachungsgründen in Kauf genommen hat.
Die Entscheidung der Vorinstanz ist hiernach in materiell-rechtlicher Beziehung frei von Rechtsverstoß.
Hingegen sind die Einwendungen der Rb. gegen die Feststellungen des Wertes des Streitgegenstandes begründet. Aus den Rechtsmittelschriften der Bfin. ist ersichtlich, daß sie in allen Verfahrensstufen keinen niedrigeren Steuermeßbetrag begehrt hat, als den, der sich bei einheitlicher Festsetzung für das ganze Kalenderjahr ergeben würde. Hiernach ist der Wert des Streitgegenstandes wie folgt festzustellen:
a) Für das Einspruchsverfahren Streitwert --------------------------------- 1.035 DM (früher 8.988 DM). b) Für das Berufungsverfahren Streitwert --------------------------------- 1.026 DM (bisher 9.771 DM). c) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren wegen Anfechtung der Meßbetragsfestsetzung (wie im Berufungsverfahren) ---------------- 1.026 DM wegen Anfechtung der im Einspruchsverfahren und im Berufungsverfahren festgestellten Streit= werte (nach freiem Ermessen gemäß § 320 Abs. 4 AO) ----------------------------------- 818 DM -------------------------------------------- 1.844 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 410094 |
BStBl III 1961, 357 |
BFHE 1962, 247 |
BFHE 73, 247 |