Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung an Angehörige; Bewertung von Naturalunterhaltsleistungen (§ 33 Abs. 1 EStG)
Leitsatz (NV)
1. Ein Mietverhältnis zwischen nahen Angehörigen kann der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, wenn die Vertragsparteien einerseits eine monatliche Bruttomiete vereinbaren und der Mieter andererseits davon abweichend nur eine monatliche Nettomiete zu zahlen hat.
2. § 33a Abs. 1 EStG begünstigt typische Unterhaltsaufwendungen wie z.B. Aufwendungen zur Befriedigung leiblicher Bedürfnisse wie Wohnung, Ernährung und Kleidung. Der Begriff der Aufwendungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG umfaßt Geldausgaben und die Hingabe von Sachwerten in gleicher Weise. Sachaufwendungen sind in sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen (z.B. ortsüblicher Mietzins bei unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zu Unterhaltszwekken).
Normenkette
EStG §§ 21, 21a, 33 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, erwarb im Juli 1982 u.a. die Eigentumswohnung Nr. 1. Mit formularmäßigem schriftlichen Mietvertrag vom 20. August 1982 hat der Kläger die Eigentumswohnung ab 1. September 1982 an seine Mutter zu einer monatlichen Kaltmiete von 300 DM (§ 4 Nr. 1 des Mietvertrages) zuzüglich einer monatlichen Betriebskostenvorauszahlung von 20 DM vermietet (§ 4 Nr. 2 des Mietvertrages), die am Jahresende nach Vorlage der Rechnungen mit den tatsächlich entstandenen Betriebskosten zu verrechnen waren. § 4 Nr. 4 des Mietvertrages enthält folgende Regelung: Zur Zeit sind die Zahlungen unter Angabe der Kennziffer zu leisten an/ab 1.9. 1982 DM 300 Konto Nr. bei der X-Bank.
Die Mutter des Kläger hat monatlich einen Mietzins von 300 DM auf das Konto des Klägers bei der X-Bank überwiesen. Da die Mutter nur über ein geringes Einkommen verfügte - 19835339 DM (Rente 3731 DM + Wohngeld 1608 DM), 1984 5408 DM (Rente 3820 DM + Wohngeld 1588 DM) -, hat sie der Kläger in den Streitjahren mit monatlich 300 DM unterstützt.
In seiner Einkommensteuererklärung für die Streitjahre erklärte der Kläger für die Eigentumswohnung Nr. 1 Werbungskostenüberschüsse von 4259 DM (1983) und 6970 DM (1984). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der geänderten Einkommensteuerfestsetzung 1983 und der Einkommensteuerfestsetzung 1984 diese Werbungskostenüberschüsse nicht. Er meinte u.a., dem Mietvertrag sei die einkommensteuerrechtliche Anerkennung zu versagen, weil ein Gestaltungsmißbrauch des Rechts i.S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) vorliege. Denn die Mutter zahle wirtschaftlich die Miete aus Mitteln, die der Kläger dieser vorher als Unterhaltsleistung in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt habe.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage nach erfolglosem Einspruch abgewiesen. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604) aus, der Nutzungswert der der Mutter des Klägers überlassenen Wohnung sei nach § 21a des Einkommensteuergesetzes (EStG) im Ergebnis mit Null DM zu ermitteln und dem Kläger nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 EStG zuzurechnen, da im Streitfall der Kläger die Eigentumswohnung seiner Mutter im Rahmen einer Unterhaltsgewährung überlasse. Diese Rechtsfolge könne der Kläger nicht durch den mit der Mutter abgeschlossenen Mietvertrag umgehen, da hierin ein Gestaltungsmißbrauch des Rechts liege.
Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung von § 42 AO 1977 sowie der §§ 9 und 21 EStG.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA für die Streitjahre hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages und der Kinderfreibeträge vorläufige Änderungsbescheide erlassen (Einkommensteuerbescheide vom 11. Juni 1991). Der Kläger hat diese Bescheide gemäß § 121, § 123, § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
1. FA und FG haben im Ergebnis zutreffend Werbungskostenüberschüsse von 4259 DM (1983) und 6970 DM (1984) für die der Mutter des Klägers überlassene Eigentumswohnung Nr. 1 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt gelassen. Im Streitfall sind die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für diese Eigentumswohnung durch Pauschalierung des Nutzungswerts gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 i.V.m. § 21a Abs. 1 EStG mit Null DM zu ermitteln, weil das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Mutter einem Fremdvergleich nicht standhält.
a) Wird, wie im Streitfall, eine Wohnung an nahe Angehörige vermietet, kann dieses Mietverhältnis der Besteuerung grundsätzlich nur dann zugrunde gelegt werden, wenn der Mietvertrag bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen ist und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; vom 9. Februar 1993 IX R 86/90, BFH/NV 1993, 592; vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834; vom 22. Juni 1993 IX R 19/89, BFH/NV 1994, 96. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
b) Die steuerliche Anerkennung des Mietverhältnisses scheitert daran, daß dessen Gestaltung nicht der zwischen Fremden Üblichen entspricht.
Die zwischen dem Kläger und seiner Mutter in § 4 des Mietvertrages getroffenen Vereinbarungen über den regelmäßig zu zahlenden Mietzins einschließlich der Betriebskosten hält einem Fremdvergleich nicht stand. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist zwischen dem Kläger und seiner Mutter eine monatliche Bruttomiete von 320 DM (300 DM Kaltmiete + 20 DM Betriebskostenvorauszahlung) vereinbart worden (vgl. § 4 Nr. 1 und 2 des Mietvertrages), von der nur monatlich 300 DM (Nettomiete) zu zahlen waren (vgl. § 4 Nr. 4 des Mietvertrages).
Zwischen fremden Vertragsparteien eines Mietvertrages ist es nicht üblich, einerseits eine monatliche Bruttomiete zu vereinbaren und andererseits davon abweichend tatsächlich nur eine monatliche Nettomiete zu zahlen. Schon dieser Umstand schließt es aus, den Mietvertrag zwischen dem Kläger und seiner Mutter der Besteuerung zugrunde zu legen.
c) Ist der Mietvertrag der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, so folgt daraus, daß die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung so zu ermitteln sind, als ob der Kläger die Eigentumswohnung selbst genutzt hätte (vgl. BFH/NV 1993, 592).
Unerörtert kann damit auch bleiben, ob in dem Abschluß des Mietvertrages ein Gestaltungsmißbrauch zu sehen ist (vgl. hierzu BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).
2. Soweit der Kläger überdies die steuerliche Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 EStG in verfassungskonformer Höhe beanspruchen, genügt diese Rüge nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 FGO; denn sie läßt nicht erkennen, in welchen Grundrechten sich der Kläger verletzt fühlt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Februar 1993 IX R 229/87, BFH/NV 1993, 603 Ziff.3.).
3. Dennoch war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage teilweise stattzugeben. Das FA hat bisher nur einen Kinderfreibetrag von 432 DM in den Streitjahren berücksichtigt. Die Kläger haben jedoch nach § 54 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1322, BStBl I 1991, 665) Anspruch auf den erhöhten Kinderfreibetrag von jeweils 2432 DM.
Entgegen der Auffassung des FA sind die erhöhten Kinderfreibeträge nicht mit den nach § 33a Abs. 1 EStG bisher gewährten außergewöhnlichen Belastungen von (rechnerisch unstreitig) 1983 (3021 DM) und 1984 (2952 DM) gemäß § 177 Abs. 1 AO 1977 für Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Mutter zu saldieren. Gemäß § 33a Abs. 1 EStG sind unter bestimmten weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen typische Unterhaltsaufwendungen, wie z.B. Aufwendungen zur Befriedigung leiblicher Bedürfnisse wie Wohnung, Ernährung und Kleidung, begünstigt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 1990 III R 45/87, BFHE 162, 55, BStBl II 1991, 74). Der Begriff der Aufwendungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG umfaßt Geldausgaben und die Hingabe von Sachwerten in gleicher Weise (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 26/89, BFH/NV 1991, 669). Hierbei sind Sachaufwendungen in sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen (z.B. ortsüblicher Mietzins bei unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zu Unterhaltszwecken).
Nachdem im Streitfall aus den unter 1. aufgeführten Gründen das Mietverhältnis und die in diesem Zusammenhang geleisteten Zahlungen steuerlich nicht anzuerkennen waren, stellt die unentgeltliche Überlassung der Wohnung eine sog. Naturalunterhaltsleistung des Klägers an seine unterhaltsberechtigte Mutter dar. Denn die unentgeltlich zugewendete Wohnung ist dazu bestimmt, den zwangsläufig erwachsenden üblichen Wohnungsbedarf der unterhaltsberechtigten Mutter des Klägers zu decken. Das FA hat den Freibetrag nach § 33a Abs. 1 EStG im Ergebnis in zutreffender Höhe ermittelt und berücksichtigt. Es ist bei seiner Berechnung in den Streitjahren von Aufwendungen des Klägers von monatlich 300 DM (300 x 12 = 3600 DM) ausgegangen. Dies entspricht mindestens dem monatlichen Geldwert der der Mutter unentgeltlich überlassenen Wohnung. Die Beteiligten gehen im steuerlich nicht zu berücksichtigenden Mietvertrag selbst von einer (in der Höhe unstreitigen) ortsüblichen Kaltmiete von 300 DM aus.
4. Unter Abweisung der Klage im übrigen war daher die Einkommensteuer 1983 und 1984 aufgrund nachstehender Berechnung auf 5702 DM (1983) und 4848 DM (1984) herabzusetzen: (wird ausgeführt).
Fundstellen
Haufe-Index 64578 |
BFH/NV 1994, 474 |