Leitsatz (amtlich)
Eine innerhalb einer Großwohnanlage vom Vermieter vertraglich übernommene Balkonbepflanzung gegen Kostenumlage ist als übliche Nebenleistung zur Wohnungsvermietung nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG 1951 von der Umsatzsteuer befreit.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 10a
Tatbestand
Streitig ist, ob eine innerhalb einer Großwohnanlage vom Vermieter vertraglich übernommene Balkonbepflanzung gegen Kostenumlage als übliche Nebenleistung zur Wohnungsvermietung nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG 1951 von der Umsatzsteuer befreit ist.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist eine gemeinnützige Baugenossenschaft in der Rechtsform einer eGmbH. Im Rahmen der Vergabe von Wohnungen an ihre Mitglieder müssen sich in zwei Großwohnanlagen mit insgesamt 750 Wohnungen alle Mieter verpflichten, eine entgeltliche Balkonbepflanzung durch die Steuerpflichtige zu dulden. Die Balkonkästen werden bei Bezug der Wohnung von der Steuerpflichtigen gestellt und gehören zur Ausstattung einer Wohnung. Die Steuerpflichtige läßt die Balkonbepflanzung durch ein Gartenbauunternehmen vornehmen und erhebt von ihren Mietern eine einheitliche Umlage, über die am Jahresende im einzelnen abgerechnet wird. Als Kosten berechnet die Steuerpflichtige lediglich die Rechnungsbeträge des Gartenbauunternehmens zusätzlich der bisher vom Beklagten (FA) dafür geforderten Umsatzsteuer.
In der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1967 hatte die Steuerpflichtige diese Umlage nicht angegeben. Das FA behandelte in seinem Steuerbescheid für 1967 die Umlage als Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung.
Die Klage der Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Die Vorentscheidung (abgedruckt in Entscheidungen der FG 1971 S. 462) hat die Umlage als nach § 4 Nr. 10a UStG 1951 steuerfrei behandelt, weil sie als hier übliche Nebenleistung das Schicksal der steuerpflichtigen Hauptleistung (Wohnungsvermietung) teile. Das FG ist der Auffassung, daß nach wirtschaftlicher Betrachtung die Wohnraumvermietung und die Balkonbepflanzung innerhalb der der Steuerpflichtigen gehörenden Großwohnanlage eine nicht steuerbare Leistungseinheit bilde. Es wird u. a. ausgeführt, daß die Frage, ob die Balkonbepflanzung als "üblich" anzusehen sei, dem Gesamterfordernis der Gegebenheiten zu folgen habe und unter Berücksichtigung der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 1 Abs. 1 und 3 StAnpG) zu bejahen sei.
Die Revision des FA rügt unrichtige Auslegung des § 4 Nr. 10a UStG 1951. Das FA bezweifelt, daß hinsichtlich des Streitpunktes eine einheitliche Leistung vorliege; es handle sich vielmehr, wie das FA näher ausführt, um eine Leistung besonderer Art, die nicht von untergeordneter Bedeutung sei. Es besteht nach Auffassung des FA kein Anlaß, den Begriff der Nebenleistung weiter auszudehnen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist unbegründet.
In ständiger Rechtsprechung haben RFH und BFH zu den nach § 4 Nr. 10a UStG 1951 befreiten Leistungen auch die üblichen Nebenleistungen gerechnet (vgl. schon Urteil des RFH V A 390/32 vom 17. März 1933, RFH 32, 355, RStBl 1933, 1326). Eine Nebenleistung liegt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dann vor, wenn der dienende Umsatz im Verhältnis zum auslösenden Geschäft nebensächlich ist, mit ihm in engem Zusammenhang steht und in seinem Gefolge üblicherweise vorkommt (vgl. z. B. in anderem Zusammenhang Urteil des BFH V R 69/66 vom 13. August 1970, BFH 99, 507, und die Anmerkung hierzu in HFR 1970, 598). Überträgt man diese Grundsätze auf den Streitfall, so bestehen gegen die Auffassung der Vorinstanz keine rechtlichen Bedenken. Im oben angeführten Urteil des RFH V A 390/32 vom 17. März 1933 hat der RFH die Lieferung von Heizungsdampf und Warmwasser befreit, soweit sie üblich ist, "also überall dort, wo die Wohnungen mit Einrichtungen für die Sammelheizung und Warmwasserversorgung versehen sind". Im Streitfall gehören einheitliche Balkonkästen durchweg zur Wohnungsausstattung. Der Zweck dieser Einrichtung wäre verfehlt (bei Nichtbepflanzung durch den Mieter) oder doch beeinträchtigt, wenn die Mieter die Kästen uneinheitlich oder unzureichend bepflanzten.
Vor allem verkennt die Revision die Bedeutung des § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG. Mit Recht weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Rechtsprechung und Verwaltung bisher der Entwicklung der Verhältnisse gefolgt sind und Sammelheizungs- und Warmwasserversorgung, Überlassung von Waschmaschinen und Waschautomaten, Schleudern, Heißlufttrocknern, Wäschemangeln, neuzeitliche Bügelvorrichtungen u. a. als übliche Nebenleistungen beurteilt haben. Großwohnanlagen, wie sie heute entstehen, legen, wie das FG zutreffend ausführt, Vermietern und Mietern weitergehende Verpflichtungen auf, wenn anders der Gesamteindruck der Wohnanlage nicht zum Schaden der Allgemeinheit beeinträchtigt werden soll. Bei der von der Steuerpflichtigen geübten Handhabung verfolgt diese durch die Übernahme der Balkonbepflanzung auch keinen selbständigen wirtschaftlichen Zweck. Gegenüber der Hauptleistung, der Vermietung von Wohnungen, erscheint die vertragliche Übernahme der Balkonbepflanzung auch von untergeordneter Bedeutung.
Das vom FA für seine Auffassung angeführte Urteil des BFH V A 667/28 vom 30. November 1928 (RStBl 1929, 99) betrifft einen ganz anders liegenden Sachverhalt.
Fundstellen
BStBl II 1972, 203 |
BFHE 1972, 150 |