Leitsatz (amtlich)
1. Unter der Bezeichnung „quartiers compensés” behandelt der GZT als eine einzige Ware nur die Gesamtheit der unzerlegten Vorder- und Hinterviertel, nicht aber auch die Gesamtheit der durch Zerlegung eines Vorder- oder Hinterviertels entstandenen Erzeugnisse.
2. Das FG darf im Rechtsstreit über die Rückforderung einer nach den Vorschriften der VO AusfErst EWG 1968 für eine bestimmte Ware gewährten Ausfuhrerstattung nicht einen Teil des Rückforderungsbescheides aufheben, weil es die Erstattung für die Ausfuhr einer anderen Ware für gerechtfertigt hält.
Normenkette
GZT Kap. 2, Zusätzliche Vorschriften I; GZT Kap. 2, Zusätzliche Vorschriften J; GZT Kap. 2, Zusätzliche Vorschriften L; VO AusfErst EWG 1968 §§ 3, 6, 7 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte (Klägerin) führte im Januar 1970 Rindfleisch nach Ungarn aus und bezeichnete es gegenüber dem Zollamt (ZA) als „quartiers compensés” der Tarifst. 02.01 A II a 1 bb 11. Sie erhielt vom Beklagten, Revisionsbeklagten und Anschlußrevisionskläger (Hauptzollamt – HZA –)gemäß Bescheid vom 4. Februar 1970 eine Ausfuhrerstattung von 28 353,65 DM. Im Jahre 1971 wurde bei einer Betriebsprüfung festgestellt, daß bei den Hintervierteln die Filets herausgelöst und den Ausfuhrsendungen nicht beigelegt gewesen seien. Daraufhin forderte das HZA die gesamte Ausfuhrerstattung durch Bescheid vom 4. September 1972 zurück. Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch machte die Klägerin geltend, die herausgelösten Filets seien den Sendungen beigelügt gewesen; ihre Trennung von den Hintervierteln habe nicht zum Verlust des Erstattungsanspruchs führen können. Das HZA wies den Einspruch zurück und führte aus: Soweit die Klägerin Hinterviertel ausgeführt habe, aus denen die Filets herausgelöst gewesen seien, hätten keine quartiers compensés vorgelegen, und zwar auch dann nicht, wenn die Filets beigepackt gewesen seien. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 24. September 1975 nur in bezug auf einen Betrag von 654,34 DM statt. Es führte aus;
Nach Art. 38 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 – VO (EWG) 805/68 – vom 27. Juni 1968 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148 vom 23. Juni 1968. BZBl 1968, 793) und Art. 1 VO (EWG) 2549/69 vom 19. Dezember 1969 (ABlEG Nr. L 320/14 vom 20. Dezember 1969) sei eine Erstattung vorgesehen für quartiers compensés. Für die Feststellung der Art und der Eigenschaft der ausgeführten Ware sei der Tag maßgebend, an dem die Zollstelle die Willenserklärung entgegengenommen habe, die Ware unter Inanspruchnahme der Erstattung auszuführen (Art. 1 Abs. 1 bis 3 VO (EWG) 1041/67 vom 21. Dezember 1967, ABlEG Nr. 314 vom 23. Dezember 1967, BZBl 1968, 904). Das sei im vorliegenden Fall der 12. Januar 1970 gewesen.
Nach Art. 9 und Art. 20 Abs. 1 VO (EWG) 805/68 werde auf die in Art. 1 genannten Erzeugnisse der Gemeinsame Zolltarif (GZT) angewendet, einschließlich seiner Allgemeinen Tarifierungs-Vorschriften (ATV). Das gelte auch für die auf der VO (EWG) 805/68 beruhenden VO (EWG) 2549/69. Ob also quartiers compensés im Sinne dieser Verordnung ausgeführt worden seien, entscheide sich nach den Vorschriften des GZT. Nach der Zusätzlichen Vorschrift IJ zu Kap. 2 GZT gälten als quartiers compensés der Tarifst. 02.01 A II a 1 bb 11 die Gesamtheit
sowohl der Vorderviertel mit allen Knochen, Hals und Schulter, mit 10 Rippen, und der Hinterviertel mit allen Knochen, Keule, Roastbeef, Hochrippe und Filet mit 3 Rippen als auch der Vorderviertel mit allen Knochen, Hals und Schulter mit 5 Rippen, mit Bauchlappen und Brust, und der Hinterviertel mit allen Knochen, Keule, Roastbeef, Hochrippe und Filet mit 8 Rippen, abgeschnitten.
Danach seien nur solche Vorder- und Hinterviertel als quartiers compensés anzusehen, die die ausgeführten Bestandteile in ihrer natürlichen Beschaffenheit und Verbundenheit aufwiesen. Das ergebe sich bereits aus der Aufzählung der Vorder- und Hinterviertel mit den dazu gehörenden Teilen unter Verwendung des Begriffes „Gesamtheit”. Selbständige, nicht mehr miteinander verbundene Bestandteile einer ursprünglich zusammenhängenden Ware seien außerdem grundsätzlich Gegenstand einer anderen Tarifierung als die gesamte Ware, wenn der Tarif besondere Positionen für die einzelnen Bestandteile vorsehe. Das ergebe sich aus der ATV 3 a, die auch sinngemäß zur Bestimmung der Tarifstelle innerhalb einer Tarifnummer anzuwenden sei (ATV 6). So liege der Fall hier.
Das Herauslösen der Filets führe dazu, daß tariflich von verschiedenen Waren ausgegangen werden müsse. Für die Vorder- und Hinterviertel nicht in Form von quartiers compensés gebe es die besonderen Positionen 02.01 A 11 a 1 bb 22 und – 33. Für Vorderviertel sei im Zeitpunkt der Ausfuhr keine Ausfuhrerstattung festgesetzt gewesen. Hinterviertel im Sinne der zuletzt genannten Tarifstellen, für die Ausfuhrerstattung festgesetzt gewesen sei, lägen jedoch nur vor, wenn sie noch die Filets enthielten (Zusätzliche Vorschrift L zu Kap. 2). Die herausgelösten Filets gehörten als Teilstücke ohne Knochen in die Tarifst. 02.01 A II a 1 cc 22.
Auf die Gründe, die zur Trennung der Filets von den Hintervierteln geführt hätten, könne bei der Tarifierung nicht abgestellt werden. Für die Tarifierung einer Ware sei ihre objektive Beschaffenheit im maßgeblichen Zeitpunkt entscheidend. Das werde bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) vom 23. März 1972 Rs. 36/71 (EGHE 1972, 187, Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1972 S. 254 – AWD 1972, 254 –), wonach es bei der Einordnung in den Tarif nur auf die objektiven Merkmale der Ware, nicht aber darauf ankomme, ob eine Zubereitung willentlich entstanden sei oder nicht. Im vorliegenden Fall sei es also unerheblich, daß die Filets auf Wunsch des Käufers herausgetrennt worden seien.
Die Klägerin verlange jedoch zu Recht, ihr für die herausgelösten Filets eine Ausfuhrerstattung zu gewähren. Aus den bei der Betriebsprüfung vorgefundenen Lieferscheinen und einem Bestätigungsschreiben der ungarischen Empfängerin gehe hervor, daß die beiden Sendungen insgesamt 363 kg Filets enthalten hätten. Für sie befrage die Erstattung 180,26 DM/100 kg.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Revision eingelegt, die sie wie folgt begründet:
Das FG habe den Begriff „Gesamtheit” in der Zusätzlichen Vorschrift IJ zu Kap. 2 des GZT verkannt. Mit seiner Auffassung, von einer Gesamtheit könne nur dann gesprochen werden, wenn die einzelnen Fleischstücke noch wie gewachsen miteinander verbunden seien, werde es dem Sinn und Zweck der Erstattungsverordnung nicht gerecht. Eine Gesamtheit liege auch dann vor, wenn die quartiers compensés in Einzelteile zerlegt seien, diese aber insgesamt gleichzeitig ausgeführt würden.
Die Klägerin beantragt, unter Änderung des FG-Urteils den Rückforderungsbescheid vom 4. September 1972 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 1973 ganz aufzuheben. Das HZA hat Anschlußrevision eingelegt. Es beantragt, die Revision zurückzuweisen und das FG-Urteil insoweit aufzuheben, als es die Verpflichtung ausgesprochen hat, den Rückforderungsbescheid vom 4. September 1972 in Höhe von 654,34 DM zurückzunehmen. Es macht geltend:
Soweit das FG der Klage stattgegeben habe, liege eine Verletzung des § 7 Abs. 1 der Verordnung Ausfuhrerstattungen EWG vom 24. Januar 1968 – VO AusfErst EWG 1968 – (Bundesanzeiger – BAnz – Nr. 18 vom 26. Januar 1968, BZBl 1968, 917) vor.
Die Klägerin habe für die Filets keine Ausgangsbescheinigung beantragt und keinen Antrag auf Zahlung der Ausfuhrerstattung (Art. 10 Abs. 1 VO (EWG) 1041/67, § 6 Abs. 1 VO AusfErst EWG 1968) eingereicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Vorschrift des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO, daß die Revisionsbegründung die verletzte Rechtsnorm bezeichnen muß, ist erfüllt. Sie verlangt nicht, daß diese Rechtsnorm ausdrücklich benannt wird; es genügt vielmehr, daß das Revisionsvorbringen sie erkennen läßt (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. Februar 1975 VII R 5/72, BFHE 115, 180, BStBl II 1975, 609, und vom 23. März 1976 VII R 64/73, BFHE 118, 424, BStBl II 1976, 456). Das ist hier der Fall, weil die Klägerin eine falsche Auslegung des Begriffes „Gesamtheit” rügt, den das FG unter Hinweis auf die Zusätzliche Vorschrift IJ zu Kap. 2 des GZT als für die Beurteilung der quartiers compensés maßgeblich behandelt hat.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Nach Art. 1 VO (EWG) 805/68 umfaßt die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch eine Preis- und Handelsregelung für bestimmte Erzeugnisse u a. für genießbares Fleisch von Hausrindern, frisch, gekühlt oder gefroren, der Stolle 02.01 A II a GZT. Die zur Regelung des Handels mit dritten Ländern gehörenden Vorschriften des Art. 9 und des Alt 2 (1 Abs. 1 VO (EWG) 805/68 bestimmen, daß auf die in Art. 1 genannten Erzeugnisse der GZT angewendet wird und für die Tarifierung der Erzeugnisse die ATV und die besonderen Vorschriften über die Anwendung des GZT gelten. Nach Art. 18 Abs. 1 VO (EWG) 805/68 kann zur Ermöglichung der Ausfuhr der in Art. 1 erwähnten Erzeugnisse auf der Grundlage von Weltmarktpreisen der Unterschied zwischen diesen und den Preisen der Gemeinschaft erstattet werden Eine entsprechende Erstattungsregelung enthält die hierzu ergangene Ausführungs-VO (EWG) 2549/69 u. a. für quartiers compensés. Das FG hat somit zu Recht die Auffassung vertreten, daß die Frage, ob die Klägerin im Sinne der VO (EWG) 2549/69 quartiers compensés ausgeführt hat, für die auf Grund des Art. 18 VO (EWG) 805/68 eine Erstattung vorgesehen ist, nach der in der Zusätzlichen Vorschrift IJ zu Kap. 2 GZT enthaltenen Begriffsbestimmung für quartiers compensés im Sinne der Tarifst. 02.01 A II a 1 bb 11 zu entscheiden ist.
Der erkennende Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß der im Rahmen dieser Begriffsbestimmung verwendete Ausdruck „Gesamtheit” dahin zu verstellen ist, daß er nur Vorder- und Hinterviertel in ihrer natürlichen Beschaffenheit und Verbundenheit umfaßt. Das FG weist hierzu mit Recht darauf hin, daß die Vorschrift die Bestandteile der Vorder- und der Hinterviertel als einheitliches Ganzes darstellt.
Das geschieht jeweils durch das Wort „mit” („Vorderviertel mit allen Knochen …”; Hinterviertel mit allen Knochen …”). Wird ein Vorder- oder Hinterviertel in seine Bestandteile zerlegt, so entstehen in der Gestalt dieser Bestandteile neue Waren (neue Erzeugnisse). Diese können auch dann nicht mehr insgesamt als Vorder- bzw. Hinterviertel angesehen werden, wenn sie gemeinsam verpackt und versandt werden. Unter der Bezeichnung quartiers compensés behandelt der GZT als einzige Ware nur die Gesamtheit der unzerlegten Vorder- und Hintervirtel (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juli 1974 VII R 14/72, BFHE 113, 328), nicht aber auch die Gesamtheit der durch Zerlegung eines Vorder- oder Hinterviertels entstandenen Erzeugnisse.
Da Vorder- und Hinterviertel nur in ihrer natürlichen Beschaffenheit als Gesamtheit quartiers compensés sein können, entfällt diese Möglichkeit schon dann, wenn – wie im vorliegenden Falle – aus den Hintervierteln die Filets herausgelöst worden sind. Nach einer solchen Maßnahme liegen Hinterviertel im Sinne der Zusätzlichen Vorschriften IJ und L zu Kap. 2 GZT nicht mehr vor.
Das FG ist somit ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gelangt, daß nach dem Herauslösen der Filets aus den Hintervierteln die Filets als Teilstücke ohne Knochen der Tarifst. 02.01 A II a 1 cc 22, der verbliebene Teil der Hinterviertel als Teilstücke mit Knochen der Tarifst. 02.01 A II a 1 cc 11 und die entsprechenden Vorderviertel als solche der Tarifst. 02.01 A II a 1 bb 22 zuzuweisen waren.
Die Klägerin übersieht, daß die als quartiers compensés zu behandelnde Gesamtheit nach den Zusätzlichen Vorschriften IJ und L zu Kap. 2 des GZT sich aus genau umschriebenen Teilen des Tierkörpers zusammensetzen muß, nämlich aus unzerlegten Vorder- und Hintervierteln, und daß demnach die bei einer auch nur teilweisen Zerlegung der Viertel entstehenden neuen Erzeugnisse keine quartiers compensés mehr bilden können, selbst dann nicht, wenn sie zusammengepackt sind. Hinterviertel, aus denen die Filets herausgelöst worden sind, stellen sich auch bei gemeinsamer Verpackung mit diesen als eine andere Ware dar als solche, die die Filets noch enthalten. Sie sind ihrer bisherigen objektiven Merkmale entkleidet worden und müssen ohne Rücksicht auf den Grund ihrer Veränderung nach dem neuen Zustand beurteilt werden.
Die Rückforderung der ursprünglich gewährten Ausfuhrerstattung durch den angefochtenen Bescheid vom 4. September 1972 beruht auf § 12 VO AusfErst EWG 1968. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme oder Änderung eines Erstattungsbescheides davon abhängig, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Erstattung nicht vorgelegen habe. Ferner ist Voraussetzung für die Rücknahme oder Änderung eines begünstigenden Verwaltungsakts, daß ihr der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegensteht; es bedarf keiner Begründung, daß dieser im Steuerrecht allgegenwärtige Rechtsgrundsatz auch ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 12 VO AusfErst EWG 1968 ist. Nach dieser Bestimmung ist dagegen nicht Voraussetzung für Rücknahme oder Änderung eines Erstattungsbescheides, daß die Interessen des Begünstigten an der Aufrechterhaltung des Bescheides und die Interessen der öffentlichen Hand an dessen Beseitigung gegenseitig abgewogen werden.
Der erkennende Senat hat zum früheren Recht (vor Inkrafttreten der VO AusfErst EWG 1968) entschieden, daß die Marktordnungsstellen die Rücknahme von Erstattungsbescheiden nur auf das allgemeine Verwaltungsrecht stützen können. Danach ist im Einzelfall die genannte Interessenabwägung vorzunehmen (vgl. z. B. Urteile vom 9. Mai 1972 VII R 22/69, BFHE 106, 150, und vom 8. Mai 1970 VII R 52/67, BFHE 99, 281, mit weiteren Nachweisen). Der erkennende Senat ist dabei zum Ergebnis gelangt, daß diese Abwägung im Hinblick auf die Wettbewerbs- und Marktvorteile des zu Unrecht durch die rechtswidrige Erstattung Begünstigten im Regelfall zu einem überwiegen des öffentlichen Interesses an der Rücknahme führt. Unter diesen Umständen liegt es nahe, das Fehlen eines Hinweises auf das Erfordernis der genannten Interessenabwägung in § 12 VO AusfErst EWG 1968 dahin zu deuten, daß bereits der Verordnungsgeber diese Interessenabwägung vorgenommen und dahin entschieden hat, daß das öffentliche Interesse stets überwiegt, wenn die Erstattung zu Unrecht gewährt wurde (und der Grundsatz von Treu und Glauben nicht der Rücknahme oder Änderung des Erstattungsbescheides entgegensteht). Er hat sich damit nicht grundsätzlich von der genannten Rechtsprechung des Senats – die vom völligen Fehlen einer normativen Regelung der Rücknahme eines Erstattungsbescheides ausging – gelöst, sondern die in dieser Rechtsprechung zum Ausdruck gekommene Regel – Überwiegen des öffentlichen Interesses – zur Norm erhoben. Das konnte der Verordnungsgeber um so eher tun, als er die Interessen des Begünstigten durch die ohnehin weiterhin gültige Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben für begünstigende Verwaltungsakte für genügend gewahrt halten konnte.
Voraussetzung für die Rücknahme oder Änderung eines Erstattungsbescheides ist nach § 12 VO AusfErst EWG 1968 also allein, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Erstattung nicht vorgelegen haben und der Grundsatz von Treu und Glauben nicht entgegensteht. Das ist eine reine Rechtsentscheidung, die der Verwaltung keine Wahl zwischen mehreren richtigen Entscheidungen offenläßt. Es kann vielmehr im Einzelfall nur entweder die Rücknahme oder die Nichtrücknahme Rechtens sein. § 12 VO AusfErst EWG 1968 räumt also in Wahrheit der Verwaltung keinen Ermessensspielraum ein und ist daher nach seinem Sinn und Zweck keine Ermessensvorschrift (vgl. das BFH-Urteil vom 3. Mai 1977 VII R 16/74, BFHE 123, 230).
Die Anschlußrevision des HZA ist begründet.
Soweit die VO (EWG) 805/68 und 2549/69 Erstattungen bei der Ausfuhr von Rindfleisch vorsehen, werden diese gem. § 1 VO AusfErst EWG 1968 nach Maßgabe dieser Verordnung gewährt. Für die Gewährung der Erstattung war auf Grund des § 3 VO AusfErst EWG 1968 das beklagte HZA zuständig. Gemäß § 6 VO AusfErst EWG 1968 hatte die Klägerin den Ausfuhrerstattungsantrag bei diesem HZA einzureichen. Sie hatte nach § 7 Abs. 1 VO AusfErst EWG 1968 die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch darzutun und die notwendigen Beweise zu erbringen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 VO AusfErst EWG 1968 hatte sie vor der Gewährung der Erstattung dem HZA durch eine Ausgangsbescheinigung gem. dem Anhang der VO (EWG) 1041/67 die Ausfuhr der Waren und den Zeitpunkt der Ausfuhr aus der Gemeinschaft nachzuweisen.
Das FG-Urteil enthält die Feststellung, daß die Klägerin am 12. Januar 1970 mit Ausgangsbescheinigung beim ZA zwei Sendungen mit insgesamt 284 Vorder- und Hintervierteln als quartiers compensés (im Gewicht von 8 946 und 9 282 = 18 228 kg) anmeldete und ihr … fertigung zum Versand beantragte, daß sie für diese beiden Ausfuhrsendungen am 20. Januar 1970 die Gewährung der Ausfuhrerstattung beantragte und daß sie den Nachweis der Erfüllung der Ausfu … mlichkeiten und des Ausgangs der Ware aus der Gemeinschaft durch die Ausgangsbescheinigungen führte. Da die ausgeführten Erzeugnisse keine quartiers compensés waren, somit also die Voraussetzungen für die durch den Bescheid vom 4. Februar 1970 gewährte Ausfuhrerstattung nicht vorgelegen haben, war die Zurücknahme dieses Bescheides und die Rückforderung der Ausfuhrerstattung durch den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 4. September 1972 in vollem Umfang rechtmäßig (vgl. § 12 VO AusfErst EWG 1968). Selbst wenn die aus den Hintervierteln herausgelösten und an sich erstattungsfähigen Filets in den Ausfuhrsendungen enthalten waren, durfte das FG der Klägerin hierfür einen Erstattungsanspruch nicht zuerkennen und nicht in dessen Höhe den angefochtenen Bescheid aufheben. Nach den Vorschriften der VO AusfErst EWG 1968 ist die Gewährung einer Erstattung für die Ausfuhr einer Ware Aufgabe bestimmter Zollstellen, denen formelle Anträge einzureichen, die Voraussetzungen für den Anspruch darzutun und die notwendigen Beweise zu erbringen sind. Das FG darf sich im Rechtsstreit über die Rückforderung einer Ausfuhrerstattung nicht an die Stelle des nach diesen Vorschriften zuständigen HZA setzen und selbst eine Ausfuhrerstattung gewähren.
Fundstellen
Haufe-Index 514693 |
BFHE 1978, 240 |