Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Eine übernahme als Familienheim oder Eigenheim im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 8 des hamburgischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 20. August 1957 ist nur dann gegeben, wenn der Erwerber das Familien- oder Eigenheim schon im Zeitpunkt seines Erwerbs oder alsbald nachher - sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte - bezieht. Dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 171/41 vom 6. Mai 1943 (RStBl 1943 S. 660, Slg. Bd. 53 S. 165) wird beigetreten.
Entscheidend ist lediglich, ob das Familien- oder Eigenheim im Zeitpunkt des Erwerbs oder alsbald nachher tatsächlich übernommen wurde oder nicht. Auf die Gründe, die Veranlassung gegeben haben, das Eigenheim nicht zu beziehen, kommt es nicht an.
Werden Grundstücke und Gebäude weiterveräußert, bevor der Erwerber das Gebäude als Familien- oder Eigenheim übernommen hatte - vereitelt er also die Möglichkeit, das Gebäude als Familien- oder Eigenheim zu übernehmen -, so muß er ein solches Verhalten vertreten.
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; hamburgisches Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Der Bg. erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 13. September 1957 von dem Wirtschaftsprüfer E. ein in Hamburg belegenes, 1.180 qm großes, mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für einen Kaufpreis von 85.000 DM. Die erforderliche Wohnsiedlungsgenehmigung wurde am 7. Oktober 1957 erteilt.
Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG unterliegt der Steuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf übereignung begründet. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 8. Mai 1959 auf 5.950 DM fest. Der Bescheid erging nicht früher, weil der Bg. das Finanzamt mehrfach gebeten hatte, ihm für die Ausfüllung des Fragebogens eine Frist zu geben, da er mit dem Verkäufer des Grundstücks noch verhandele. Er überreichte dem Finanzamt auch den Durchschlag eines Schreibens an den Verkäufer vom 22. Januar 1959, in dem er sich über erhebliche bauliche Mängel des Grundstücks beschwerte. Am 29. April 1959 teilte der Bg. dem Finanzamt dann mit, daß er beabsichtigte, das Grundstück weiterzuverkaufen. Schon am .... verkaufte er das Grundstück nebst einer inzwischen hinzuerworbenen kleinen Parzelle an Frau A für einen Kaufpreis von 104.000 DM.
Der Bg. machte geltend, daß es sich um den Erwerb eines Einfamilienhauses handele; dieser Erwerb sei gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 8 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiungen beim Aufbau der Freien und Hansestadt Hamburg in der Fassung vom 20. August 1957 (BStBl 1957 II S. 1062) steuerbefreit. Nach dieser Vorschrift ist von der Grunderwerbsteuer auf Antrag auszunehmen der Erwerb eines Grundstücks, auf dem ein Familienheim, Eigenheim oder Kaufeigenheim "durch eine Person errichtet wurde, die das Grundstück als Familienheim oder Eigenheim übernimmt".
Das Finanzamt vertrat demgegenüber unter anderem die Ansicht, dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 8 des vorerwähnten Gesetzes sei zu entnehmen, daß der Erwerber des Grundstücks tatsächlich ein Eigenheim "übernehmen", d. h. selbst beziehen müsse. Hier habe aber der Bg. das Haus nicht bezogen und damit auch nicht übernommen. Das Haus sei vielmehr bis zum Weiterverkauf durch den Bg. an verschiedene Parteien vermietet gewesen und infolgedessen auch in der Person des Bg. nicht zu einem Eigenheim geworden.
Der Bg. erwiderte, er habe allerdings nach einem Unfall seiner Ehefrau zunächst versucht, den Kaufvertrag rückgängig zu machen; dies ändere aber nichts an der Tatsache, daß er zuvor das Grundstück erworben habe, um es selbst als Eigenheim zu benutzen, und daran nur durch den Unfall seiner Ehefrau und die Folgen dieses Unfalls verhindert worden sei.
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Berufung wurden die Einspruchsentscheidung sowie der Steuerbescheid des Finanzamts aufgehoben und der Bg. von der Grunderwerbsteuer freigestellt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall ein Eigenheim gegeben sein kann, obwohl das Gebäude zeitweilig von drei Parteien bewohnt wurde; es kann auch unerörtert bleiben, ob im Sinn der Nr. 8 in Verbindung mit Nr. 7 des § 1 Abs. 1 des oben erwähnten Gesetzes vom 20. August 1957 von grundsteuerbegünstigten Wohnungen gesprochen werden kann, wenn die Grundsteuerbegünstigung seitens der zuständigen Behörde erst mit Wirkung ab 1. Januar 1962 anerkannt wurde.
Die Anwendbarkeit der Steuervergünstigung des § 1 Nr. 8 des Gesetzes vom 20. August 1957 scheitert bereits deshalb, weil der Eigentümer das Haus nicht "als Eigenheim übernommen" hat.
Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II 171/41 vom 6. Mai 1943 (RStBl 1943 S. 660, Slg. Bd. 53 S. 165), dem sich der Senat anschließt, wird ein Wohngebäude nur dann als Eigenheim übernommen, wenn der Erwerbsvorgang von dem ernstlichen Willen des Erwerbs beherrscht wird, das Gebäude sobald als möglich den Zwecken des Eigenheims, d. h. der Bewohnung durch den Erwerber und seine Familie zuzuführen. Danach ist notwendig, daß der Erwerber das Eigenheim schon beim Erwerb oder kurze Zeit nachher - sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte - bezieht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Vielmehr hat der Bg. das neu erworbene Eigenheim nicht bezogen.
In diesem Sinn hat auch der Senat sich in dem Urteil II 250/57 U vom 9. Dezember 1959 (BStBl 1960 III S. 202, Slg. Bd. 70 S. 542) ausgesprochen. Dieses Urteil betrifft zwar die Vorschrift des § 1 Ziff. 1 und 4 des nordrheinwestfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952. Es besteht aber keine Veranlassung, für das vorerwähnte hamburgische Gesetz vom 20. August 1957 eine andere Auffassung zu vertreten. In beiden Fällen handelt es sich um die Auslegung der Worte "übernahme als Eigenheime". Eine solche übernahme hat im Streitfall nicht stattgefunden.
Für die Richtigkeit der hier vertretenen Meinung spricht auch, daß nach § 8 des vorerwähnten Gesetzes vom 20. August 1957 die Steuer nachzuerheben ist, wenn die im § 1 Abs. 1 Nrn. 3 bis 7 des Gesetzes bezeichneten Befreiungstatbestände nicht erfüllt werden. Gleiches gilt nach § 8 Abs. 2 für die in den Nrn. 8 und 9 bezeichneten Tatbestände. Es handelt sich dabei um Vorgänge, bei denen nicht bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs fest steht, ob die Befreiungsvoraussetzungen eintreten werden oder nicht. Deshalb ist vorgesehen, daß die Steuererhebung einstweilen unterbleibt, aber später nachzuholen ist, wenn die Beteiligten den zum Eintritt der Befreiung erforderlichen Tatbestand nicht verwirklichen. Eine entsprechende Nachversteuerungsvorschrift ist für die Fälle des § 1 Abs. 1 Nr. 8 dann nicht vorgesehen, wenn die "übernahme als Eigenheim" nicht stattfindet. Das bedeutet aber nicht, daß in diesen Fällen die Steuer bereits unerhoben bleiben soll, wenn die Beteiligten erklären, daß sie die übernahme als Eigenheim beabsichtigen. Da die Befreiungstatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 8 und die des § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 einander gleichwertig sind, ist vielmehr umgekehrt anzunehmen, daß eine Steuerbefreiung nicht eintreten soll, wenn nicht die übernahme als Eigenheim im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs oder alsbald nach dem Erwerbsvorgang stattfindet. Es mag zutreffen, daß der Bg. Schwierigkeiten hatte, die vorhandenen Mieter aus dem Gebäude zu entfernen. Erwarb er aber unter diesen Umständen das Grundstück mit aufstehendem Eigenheim, so muß er auch die steuerlichen Auswirkungen tragen, die eintreten, wenn er das Eigenheim nicht rechtzeitig - sei es vollständig, sei es mindestens zur Hälfte - bezieht.
Die Steuerbefreiung ist jedenfalls auch dann nicht anwendbar, wenn beachtliche Gründe persönlicher Art Veranlassung gegeben haben, das Eigenheim für eine gewisse Zeit nicht zu beziehen. Entscheidend ist lediglich, ob das Eigenheim im Zeitpunkt des Erwerbs oder alsbald nach dem Erwerb als solches tatsächlich übernommen wurde oder nicht. Bei einer 1 1/2jährigen Nichtübernahme kann eine "alsbaldige" übernahme des Eigenheims nicht mehr als gegeben angesehen werden.
Im Streitfall kommt außerdem hinzu, daß der Bg. Grundstück und Gebäude weiterveräußerte. Damit vereitelte er die Möglichkeit, das Gebäude als Eigenheim zu übernehmen. Ein solches Verhalten muß er vertreten.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410613 |
BStBl III 1963, 17 |
BFHE 1963, 45 |
BFHE 76, 45 |
StRK, GrEStG:1 R 103 |