Leitsatz (amtlich)
Eine erst im maßgeblichen Veranlagungszeitraum von der Körperschaftsteuer befreite landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaft verliert ihre Steuerfreiheit nicht allein deshalb, weil sie in diesem Veranlagungszeitraum eine während der Zeit ihrer Steuerpflicht gebildete Rücklage nach § 6 b EStG auflöst und den aus der Auflösung herrührenden Gewinn zum größten Teil an ihre Mitglieder ausschüttet.
Normenkette
EStG § 6b; KStG 1968 § 23 Nr. 1; KStDV 1968 § 31 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung - ist eine landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaft. Ihr gehörte ein land- und forstwirtschatlicher Betrieb, dessen landwirtschaftliche Flächen von den Mitgliedern der Klägerin entsprechend dem Genossenschaftszweck als gemeinschaftliche Weide für ihr Vieh genutzt wurden. Den Waldbesitz bewirtschaftete die Klägerin ebenfalls selbst und erzielte hieraus hauptsächlich Einnahmen aus Nichtmitgliedergeschäften.
Im Jahre 1969 veräußerte die Klägerin ihren Grundbesitz. Dadurch entfiel der satzungsmäßige Zweck des Erwerbs und Betriebs eines gemeinschaftlichen Weideplatzes. Die Mitglieder der Klägerin beabsichtigten ursprünglich, nach dem Verkauf des Grundbesitzes die Klägerin aufzulösen; sie hielten das Verkaufsgeschäft für steuerunschädlich. Wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen der Klägerin und dem Beklagten und Revisionsbeklagten (dem Finanzamt - FA -) über die steuerrechtliche Beurteilung dieses Verkaufs wurde durch Beschluß der Generalversammlung der Genossenschaftszweck auf "Erwerb und Benutzung landwirtschaftlicher Betriebseinrichtungen und Maschinen" ausgedehnt. Die Klägerin stellte den Gewinn aus der Veräußerung des Grundbesitzes in Höhe von ... DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1969 in eine Rücklage nach § 6 b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ein. Das FA ließ die Rücklagenbildung zwar zu, sah die Klägerin wegen des Verkaufs ihres gesamten Grundbesitzes jedoch als steuerpflichtig an und setzte unter Anrechnung eines Verlustabzugs aus dem Jahr 1968 die Körperschaftsteuer 1969 auf null DM fest. Auch im Jahre 1970 zog das FA die Klägerin wegen Nichterfüllung ihres ursprünglichen Genossenschaftszwecks zur Körperschaftsteuer heran.
Die Klägerin übertrug von der Rücklage nach § 6 b EStG im Jahr 1970 ... DM und im Jahr 1971 weitere ... DM auf die Wertansätze neu angeschaffter landwirtschaftlicher Maschinen. Den verbleibenden Teil der Rücklage in Höhe von ... DM löste die Klägerin im Streitjahr 1971 gewinnerhöhend auf. Im Jahr 1972 schüttete sie von dem Gewinn 1971 insgesamt ... DM an ihre Mitglieder aus.
Mit Bescheid vom ... veranlagte das FA die Klägerin für 1971 zu einer Körperschaftsteuer von ... DM mit der Begründung, die Bildung der Rücklage nach § 6 b EStG dürfe nicht dazu führen, daß steuerpflichtige Gewinne der Besteuerung entzogen würden (§ 6 b Abs. 4 Nr. 4 EStG); die Klägerin sei darüber hinaus voll steuerpflichtig, denn die verzinsliche Anlage des Veräußerungserlöses habe nicht der Satzung entsprochen.
Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Begehren erhoben, sie für den Veranlagungszeitraum 1971 in vollem Umfange von der Körperschaftsteuer freizustellen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die gewinnerhöhende Auflösung der Rücklage im Jahre 1971 habe in diesem Jahr zu einem steuerschädlichen Geschäft geführt, das die Besteuerung der Klägerin in diesem Jahr auslöse. Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 100 veröffentlicht.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung entsprechend ihrem Klageantrag zu entscheiden.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Das FG hätte der Klägerin die Steuerfreiheit für den Veranlagungszeitraum 1971 nicht allein deshalb versagen dürfen, weil sie die im Jahr 1969 gebildete Rücklage nach § 6 b EStG im Streitjahr 1971 gewinnerhöhend aufgelöst hat, soweit diese Rücklage zwischenzeitlich nicht auf angeschaffte Wirtschaftsgüter übertragen worden war.
1. Die Klägerin nimmt für das Streitjahr 1971 die Steuerfreiheit für landwirtschaftliche Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStDV) in Anspruch. Diese Vorschrift hat eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Die in § 23 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStG) ausgesprochene Ermächtigung zum Erlaß der Durchführungsbestimmung geht in ihrer Fassung, soweit sie die Steuerbefreiung land- und forstwirtschaftlicher Nutzungs- und Verwertungsgenossenschaften betrifft, auf Art. 4 Nr. 12 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern vom 16. Dezember 1954 (BGBl I, 373, BStBl I 1954, 575) zurück. Die Ermächtigungsvorschrift ist mit Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar. Sie ist nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt. Der Gesetzgeber hat angeordnet, welche Fragen geregelt werden sollen; er hat weiterhin die Grenzen einer solchen Regelung verdeutlicht und angegeben, welchem Ziel diese Regelung dienen soll. Das in der Ermächtigungsvorschrift dem Verordnungsgeber anvertraute Programm ist ohne weiteres erkennbar (vgl. die zur Ermächtigungsvorschrift des § 23 Nr. 2 KStG ergangene Entscheidung des Senats vom 10. Dezember 1975 I R 192/73, BFHE 118, 7, BStBl II 1976, 351).
2. Das FG geht bei seiner Entscheidung zutreffend von der Tatsache aus, daß die Klägerin im Jahr 1969 eine Rücklage nach § 6 b EStG gebildet hat. In diesem Jahr hat das FA die Klägerin für steuerpflichtig gehalten. Die Veräußerung des Grundbesitzes hat in diesem Jahr stattgefunden. Die Klägerin konnte für diesen Veranlagungszeitraum die Versteuerung des hohen Veräußerungsgewinns dadurch vermeiden, daß sie ihn einer Rücklage nach § 6 b Abs. 3 EStG zuführte. Das FA hat die Rücklagenbildung anerkannt und die Steuer für 1969 auf null DM festgesetzt. Die Veranlagung ist bestandskräftig.
Die Klägerin hat sich, wie das FG richtig ausgeführt hat, durch die Bildung der Rücklage die Möglichkeit offengehalten, in den folgenden Jahren den Veräußerungserlös in steuerunschädlicher Weise auf Ersatzwirtschaftsgüter zu übertragen. Ihr verblieb aber auch die Möglichkeit, die Rücklage - soweit noch vorhanden - am Schluß des zweiten, gegebenenfalls des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen. Der Senat folgt auch der Auffassung des FG, daß die Klägerin an der Bildung der Rücklage im Jahre 1969 nicht gehindert war, wenn die Möglichkeit bestand, daß sie in einem der folgenden Wirtschaftsjahre nach § 23 Nr. 1 KStG 1968 i. V. m. § 31 Abs. 1 Nr. 1 KStDV 1968 von der Körperschaftsteuer befreit sein könnte. § 6 b EStG enthält keine derartige Einschränkung. Eine Einschränkung läßt sich auch nicht aus § 6 b Abs. 4 Nr. 4 EStG herleiten, der als Voraussetzung für die Bildung der Rücklage u. a. anordnet, daß der bei der Veräußerung entstandene Gewinn bei der Ermittlung des im Inland steuerpflichtigen Gewinns nicht außer Ansatz bleibt. Wie das FG in seiner Entscheidung richtig bemerkt, besagt diese Vorschrift lediglich, daß die Rücklage nur für einen im Inland steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn gebildet werden kann und deshalb in allen Fällen, in denen ein Gewinn nach Gewinnermittlungsvorschriften außer Ansatz oder der Gewinn steuerfrei bleibt, keine Rücklage gebildet werden darf.
3. Das FG hat aber rechtsfehlerhaft die Klägerin im Streitjahr 1971 zur Körperschaftsteuer herangezogen, weil sich nach seiner Meinung der Verkauf des Grundbesitzes im Jahr 1969 erst im Streitjahr 1971 als für eine landwirtschaftliche Nutzungsgenossenschaft steuerschädliches Nebengeschäft dargestellt hat. Das FG leitet seine Auffassung daraus her, bis zur Auflösung der noch verbleibenden Rücklage nach § 6 b EStG sei offengeblieben, in welcher Weise die Klägerin den Veräußerungserlös endgültig - ob für Rationalisierungsmaßnahmen oder für eine Ausschüttung an die Mitglieder - verwenden wollte. Infolge der Auflösung der Rücklage im Jahr 1971 und der Ausschüttung von ... DM vom Gewinn dieses Jahres an die Mitglieder sei offenbar geworden, daß mit der Veräußerung des Grundbesitzes das Ziel verfolgt worden sei, den Mitgliedern den größten Teil des Veräußerungsgewinnes auszukehren.
In dem Urteil BFHE 118, 7, BStBl II 1976, 351, das auch das FG zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen hat, hat der erkennende Senat ausgeführt, wenn eine Genossenschaft bei bevorstehender Verschmelzung mit einer anderen Genossenschaft ihr Betriebsgrundstück veräußere und den Erlös an ihre Mitglieder ausschütte, erscheine es nicht ausgeschlossen, daß das Grundstück nicht aus Gründen der Rationalisierung, sondern in der steuerschädlichen Absicht veräußert worden sei, einen großen Teil des Vermögens von der Übertragung auf die aufnehmende Genossenschaft auszunehmen und den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft zuzuwenden. Diese Grundsätze können nicht entsprechend angewendet werden, wenn es darum geht, welche Folgen sich für eine Genossenschaft daraus ergeben, daß die in der Zeit ihrer Steuerpflicht zulässigerweise gebildete Rücklage nach § 6 b EStG in einem späteren Jahr, in dem die Genossenschaft von der Körperschaftsteuer befreit ist, gewinnerhöhend aufgelöst und dieser Gewinn an die Mitglieder ausgeschüttet wird. Veräußerung des Grundbesitzes und Auflösung der anläßlich der Veräußerung gebildeten Rücklage nach § 6 b EStG sind getrennte Geschäftsvorfälle, die sich in verschiedenen Veranlagungszeiträumen abgespielt haben: die Veräußerung im Jahre 1969 und die Auflösung der Rücklage im Streitjahr 1971. Sie sind je für sich bei den Veranlagungen dieser Jahre zu würdigen. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, daß bei der Veranlagung des Jahres der Veräußerung (1969) Schlüsse auf die Art des Geschäfts - ob steuerschädliches Nebengeschäft oder steuerunschädliches Hilfsgeschäft - daraus gezogen werden können, was die betreffende Genossenschaft mit dem Veräußerungserlös in der Folgezeit gemacht und für welche Zwecke sie ihn endgültig verwendet hat. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das Veräußerungsgeschäft im Jahr 1969 stattgefunden hat und demzufolge seine Auswirkungen auf die Veranlagung der Körperschaftsteuer 1969 beurteilt werden müssen. Es geht nicht an, die im Jahre 1969 liegende Veräußerung wegen der zwei Jahre später stattgefundenen Auflösung der in Anspruch genommenen Rücklage nach § 6 b EStG als "ein steuerschädliches Nebengeschäft des Jahres 1971" anzusehen, wie das FG ausgeführt hat.
Die Auflösung einer Rücklage nach § 6 b EStG - gegebenenfalls zum Zwecke der Ausschüttung eines größeren Geldbetrags an die Mitglieder der Genossenschaft - stellt für sich betrachtet kein steuerschädliches Nebengeschäft dar. Wie die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung zutreffend ausgeführt hat, ist die Auflösung einer solchen Rücklage ein interner Vorgang im Leben der Genossenschaft. Er rechnet nicht zum Kreis der Geschäfte, die der Geschäftsbetrieb einer landwirtschaftlichen Nutzungsgenossenschaft mit sich bringt. In den Bereich des Geschäftsbetriebs gehören die Zweckgeschäfte mit Mitgliedern und Nichtmitgliedern, die Gegengeschäfte, die zur Durchführung der Zweckgeschäfte erforderlich sind, weiterhin Hilfsgeschäfte und Nebengeschäfte. Nur von der Art dieses Geschäftsbetriebs - ob Geschäfte auch mit Nichtmitgliedern oder dem Satzungszweck nicht entsprechende Nebengeschäfte vorliegen - hängt die Steuerfreiheit der Genossenschaft ab. Bei den in den Bereich des Geschäftsbetriebs fallenden Geschäften muß es sich jeweils um Geschäfte handeln, die ein Tätigwerden der Genossenschaft nach außen, die Entfaltung einer werbenden Tätigkeit, voraussetzen. Die Genossenschaft muß mit diesen Geschäften gegenüber Mitgliedern oder Nichtmitgliedern Lieferungen oder Leistungen erbringen oder von diesen erhalten. Die Auflösung einer Rücklage nach § 6 b EStG gehört nicht in diesen Bereich. Sie ist ein Akt der Geschäftsführung des Vorstands, der im Rahmen seiner Pflicht handelt, auf für die internen Angelegenheiten der Genossenschaft zu sorgen. Die Auflösung der Rücklage schlägt sich in der Buchführung und im Jahresabschluß nieder, den der Vorstand nach Abschluß des Geschäftsjahres aufzustellen (§ 33 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -) und über den die Generalversammlung einschließlich des auf jeden Genossen entfallenden Gewinns oder Verlustes zu beschließen hat (§ 48 Abs. 1 GenG). Beschlüsse über die Auflösung einer Rücklage und den auszuschüttenden Gewinn sind Ergebnisse der Willensbildung der Organe der Genossenschaft und betreffen in erster Linie die inneren Rechtsverhältnisse dieser Körperschaft.
4. Aus § 6 b EStG selbst (über § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG) ist eine Steuerpflicht der Klägerin im Streitjahr 1971 ebenfalls nicht herzuleiten. In § 6 b Abs. 3 EStG ist nur gesagt, daß die nach einer bestimmten Zeit noch vorhandene Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen ist. Das Gesetz schreibt nicht vor, daß der Auflösungsbetrag zu diesem Zeitpunkt zu versteuern oder einer Art Nachversteuerung, vergleichbar der des § 10 a EStG, zu unterwerfen sei. Im Regelfall wird - davon geht der Gesetzgeber offensichtlich aus - die Auflösung der Rücklage zu einer Erhöhung des steuerpflichtigen Gewinns und als dessen Folge zu einer höheren Steuer führen, so daß der Effekt der Bildung der Rücklage nach § 6 b EStG, soweit diese nicht auf andere Wirtschaftsgüter übertragen werden konnte, im Hinausschieben der Versteuerung eines Veräußerungsgewinns auf spätere Jahre besteht. Diese Wirkung kann aber z. B. dann nicht eintreten, wenn die erfolgswirksame Auflösung in einen Veranlagungszeitraum fällt, in dem das betreffende Unternehmen nur Verluste erwirtschaftet hat. Erstreckt sich die Verlustphase über noch weitere Wirtschaftsjahre, kann sich unter Umständen ein Verlustvortrag nicht mehr auswirken und die Versteuerung der aufgelösten Rücklage kann deshalb indirekt ganz entfallen. Damit mußte der Gesetzgeber rechnen, wenn er die erfolgswirksame Erfassung eines Veräußerungsgewinns durch Zulassung einer im Veräußerungsjahr zu bildenden Rücklage auf spätere Jahre verlagert.
Gleiches ergibt sich für eine Genossenschaft, die während der Zeit ihrer Steuerpflicht eine Rücklage nach § 6 b EStG gebildet hat, die Auflösung der Rücklage aber in einen Veranlagungszeitraum fällt, in dem sie von der Körperschaftsteuer befreit ist. Die Auflösung der Rücklage erhöht zwar im Auflösungsjahr ihren Gewinn, dieser ist aber im Auflösungsjahr nicht steuerpflichtig. Ein gesetzlicher Grund für die Besteuerung der Genossenschaft, die aufgrund ihrer Zwecksetzung und der Art ihres Geschäftsbetriebs steuerfrei ist, ist in diesem Fall nicht gegeben. Sie läßt sich für das Jahr der Auflösung der Rücklage - hier das Streitjahr 1971 - nicht daraus herleiten, daß die aus bestimmten erfolgsneutralen Übertragungsvorgängen - Überführung eines Wirtschaftsguts von einem Betrieb in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen, Einbringung eines Einzelunternehmens zu Buchwerten in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten - herrührenden stillen Reserven in dem Zeitpunkt versteuert werden müssen, in dem ihre spätere steuerliche Erfassung nicht mehr gewährleistet erscheint (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung in dem Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168; ferner BFH-Urteil vom 26. Januar 1977 VIII R 109/75, BFHE 121, 63, BStBl II 1977, 283). Die für die Gewinnrealisierung bedeutsame Sicherstellung der künftigen Besteuerung stiller und auch offener Rücklagen bedeutet indessen nicht, daß die spätere Auflösung dieser Rücklagen tatsächlich zu einer Besteuerung führt. In der Entscheidung vom 25. Mai 1962 I 155/59 U (BFHE 75, 231, BStBl III 1962, 351) hat es der BFH als rechtmäßig angesehen, daß bei einer steuerbefreiten Genossenschaft die Auflösung einer (stillen) Rücklage, die sie während der Zeit ihrer Steuerpflicht zu Lasten des steuerpflichtigen Gewinns gebildet hat, der Besteuerung dann entgeht, wenn die Auflösung während der Zeit ihrer Steuerfreiheit vor sich geht.
Ob eine Rücklage nach § 6 b EStG in dem Zeitpunkt aufzulösen ist, in dem eine bisher nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG 1968 steuerpflichtige Genossenschaft in die Körperschaftsteuerfreiheit nach § 31 KStDV 1968 eintritt, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden; denn das Ende der Steuerpflicht der Klägerin hat - ihre Steuerfreiheit in 1971 unterstellt - vor dem Beginn des Streitjahres gelegen. Auch aus den Grundsätzen des § 13 KStG 1977, der bei einer Körperschaft für den Wechsel von der Steuerpflicht zur Steuerfreiheit die Aufstellung einer Schlußbilanz, in die die Wirtschaftsgüter mit den Teilwerten - zur steuerlichen Erfassung der stillen Reserven - einzusetzen sind, läßt sich - abgesehen davon, daß die genannte Vorschrift nicht auf die vor dem Jahr 1977 liegenden Veranlagungszeiträume angewendet werden kann - nichts herleiten.
Das Körperschaftsteuergesetz 1968 und die von ihm in Bezug genommenen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes kennen keinen gesetzlichen Tatbestand, wonach die Klägerin allein infolge der Auflösung der Rücklage aus § 6 b EStG mit dem Auflösungsbetrag zur Körperschaftsteuer herangezogen werden könnte. In der Entscheidung BFHE 121, 63, BStBl II 1977, 283 ist unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung hervorgehoben worden, daß es im Einkommensteuerrecht nicht möglich ist, einen den Steuerpflichtigen belastenden Tatbestand im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie zu schaffen. Es ist daher nicht möglich, die Besteuerung der Klägerin etwa aus einem im Wege der Analogie gebildeten Rechtssatz herzuleiten, eine Rücklage dürfe nach § 6 b EStG nicht dazu führen, daß steuerpflichtige Gewinne einer späteren Besteuerung entzogen werden.
5. Die Vorentscheidung ist daher schon aus vorstehenden Gründen aufzuheben, ohne daß es auf die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung, die übrigens nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und damit verspätet vorgebracht worden ist, noch ankommt. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird prüfen müssen, ob andere Umstände der Steuerfreiheit der Klägerin im Veranlagungszeitraum 1971 entgegenstehen. Aus dem Steuerbescheid und aus der Einspruchsentscheidung ergibt sich, daß das FA aus der verzinslichen Anlage des Veräußerungserlöses ebenfalls Schlüsse auf die Steuerpflicht der Klägerin gezogen hat. Hiermit hat sich das FG noch nicht befaßt, da es die Steuerpflicht der Klägerin schon aus einem anderen, wenn auch nicht zu billigenden Grunde, bejaht hat. Die Sache ist daher in die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 73578 |
BStBl II 1980, 577 |
BFHE 1980, 528 |