Leitsatz (amtlich)
Eine beim Empfänger den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnende verdeckte Gewinnausschüttung wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß bei einem Grundstücksverkauf einer Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter die Bestimmung des angemessenen Kaufpreises vor Abschluß des Kaufvertrages einem Sachverständigen übertragen wird.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; KStG § 6 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine mit ihm zusammenveranlagte Ehefrau waren im Streitjahr 1966 Gesellschafter zu je 1/2 der B GmbH (GmbH). Der Kläger war zugleich Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Die GmbH hatte 1956 ein 578 qm großes Grundstück für 19 000 DM erworben und das aufstehende Einfamilienhaus aus dem Jahre 1908 in ein Zweifamilienhaus mit einer Wohnfläche von 150 qm umgebaut. Die 1956 aktivierten Anschaffungs- und Umbaukosten betrugen 32 935 DM. In den Jahren 1957 und 1958 wandte die GmbH weitere Umbaukosten in Höhe von 4 872 DM auf und ließ 1966 für 9 336 DM eine Gasheizung einbauen. 1966 veräußerte sie das Grundstück an die Ehefrau des Klägers zu dem vor Abschluß des Kaufvertrages von dem Sachverständigen T geschätzten Wert von 37 000 DM.
Da dem Beklagten und Revisionskläger (FA) dieser bei einer Betriebsprüfung festgestellte Preis zu niedrig erschien, veranlaßte er eine Schätzung durch das Finanzbauamt. Dieses kam zu einem Wert von 73 500 DM. Das FA errechnete hieraus eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Ehefrau des Klägers in Höhe von 36 500 DM (73 500 DM abzüglich 37 000 DM) und berichtigte sowohl die Körperschaftsteuerveranlagung der GmbH als auch die Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner Ehefrau nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es den Gewinn der GmbH und die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Ehefrau des Klägers um jeweils 36 500 DM erhöhte.
Dem Einspruch gegen den berichtigten Einkommensteuerbescheid gab das FA teilweise statt und setzte die verdeckte Gewinnausschüttung entsprechend dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Körperschaftsteuersache der GmbH nur noch mit 13 000 DM an. In jenem Verfahren hatte die GmbH zunächst ein Gutachten des Bausachverständigen N vorgelegt, in welchem der Verkehrswert des Grundstücks auf 52 000 DM geschätzt wurde. Nachdem das FG im Klageverfahren ein weiteres Gutachten des Sachverständigen S eingeholt hatte, einigten sich die Beteiligten auf den darin ermittelten Verkehrswert von 50 000 DM und erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. S hatte für das Grundstück einen Sachwert von 68 177 DM errechnet und wegen des niedrigeren Ertragswerts den Verkehrswert auf 50 000 DM geschätzt. Der Ermittlung des Ertragswerts lagen die tatsächlich erzielten Mieteinnahmen von 2 682 DM zugrunde. Der von der GmbH beauftragte Gutachter N hatte demgegenüber unter Zugrundelegung der erzielbaren Miete von 3 600 DM einen Ertragswert von 50 000 DM angesetzt und einen Sachwert von 53 500 DM ermittelt.
Die Klage, mit der der Kläger die ersatzlose Aufhebung des berichtigten Einkommensteuerbescheids 1966 begehrte, hatte Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Ehefrau des Klägers das Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis erworben habe. Denn der Sachverhalt lasse nicht die Feststellung zu, daß die GmbH den streitigen Grundstückskaufvertrag nicht auch mit einem fremden Dritten abgeschlossen hätte. Etwaige Fehler in dem Gutachten des Sachverständigen T hätte auch ein gewissenhafter und sorgfältiger Geschäftsführer mangels eigener Sachkunde nicht erkennen können. Die sich bei einer jährlichen Rohmiete von ca. 2 700 DM und einem durchschnittlichen Reinertrag von 1 500 DM ergebende Verzinsung von 4 v. H. habe den Gutachterwert von 37 000 DM bestätigt. Auch im Hinblick auf den Einheitswert des Grundstücks zum 1. Januar 1964 von 14 200 DM habe der Kläger annehmen dürfen, daß der Gutachterwert nicht zu niedrig gewesen sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 20 EStG). Es macht geltend: Die GmbH habe das Grundstück unstreitig unter dem Verkehrswert veräußert. In Höhe von 13 000 DM liege auch eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Denn die Lebenserfahrung spreche dafür, daß ein gewissenhafter und ordentlicher Geschäftsführer angesichts der Grundstücksaufwendungen von mindestens 47 143 DM und der laufenden Steigerung der Grundstückspreise sich bei einem derartigen Objekt keinesfalls mit dem für die Gesellschaft ungünstigen Gutachten zufrieden gegeben hätte, ohne zu prüfen, ob der Grundstücksmarkt nicht doch einen höheren Preis als 37 000 DM hergebe. Dies gelte um so mehr, als Anhaltspunkte für besondere Wertminderungen nicht vorgelegen hätten.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält die Würdigung des FG für zutreffend. Im übrigen entspreche die Übertragung der Wertbestimmung auf einen unbeteiligten und sachverständigen Dritten dem Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers, wie der BFH in seinem Urteil vom 10. März 1971 I R 178/69 (BFHE 102, 247, BStBl II 1971, 566) bestätigt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Sonstige Bezüge aus Gesellschaftsanteilen (verdeckte Gewinnausschüttungen) i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind gegeben, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Dabei ist weder die Absicht der Kapitalgesellschaft, den Gewinn verdeckt zu verteilen, noch die Einigung der Parteien darüber, daß die Zuwendung mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis erfolgt, erforderlich. Andererseits genügt bei einem Geschäft zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung für sich allein noch nicht für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung. Hinzukommen muß, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer dieses Mißverhältnis erkannt und keinen rechtlichen oder betrieblichen Anlaß gesehen hätte, das Geschäft dennoch abzuschließen (BFH-Urteil vom 10. Januar 1973 I R 119/70, BFHE 108, 183, BStBl II 1973, 322).
Das FG ist einem Rechtsirrtum unterlegen, soweit es die Frage unentschieden und unerörtert gelassen hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die GmbH der Ehefrau des Klägers einen objektiven Vorteil aus dem Gesellschaftsverhältnis zugewandt hat.
Der Begriff der Zuwendung setzt zwar voraus, daß sich der Geschäftsführer zumindest der Möglichkeit der Vorteilszuwendung bewußt ist (vgl. BFH-Urteile I R 119/70; vom 16. November 1965 I 302/61 S, BFHE 84, 268, BStBl III 1966, 97). Wegen der auch im Hinblick auf die weitgehende Identität der Interessenlage meist nur schwer nachprüfbaren subjektiven Seite kommt dabei jedoch den objektiven Beweisanzeichen besondere Bedeutung zu. Deshalb kann grundsätzlich nicht darauf verzichtet werden, das Leistungsverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zumindest überschlägig auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen, weil im allgemeinen mangels sonstiger ausreichender Anhaltspunkte nur auf diese Weise Rückschlüsse auf die innere Willensrichtung des Zuwendenden möglich sind. Ergibt diese Überprüfung ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, wird in der Regel die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung gerechtfertigt sein, sofern nicht gewichtige und nachprüfbare Gründe vorliegen, die geeignet sind, diese Vermutung zu widerlegen (zur Darlegungslast bei Zuwendungen an nahestehende Personen vgl. u. a. BFH-Urteil vom 27. November 1974 I R 250/72, BFHE 114, 236, BStBl II 1975, 306; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 KStG, Anm. 224). Unabhängig von der Frage der Ausgewogenheit des Leistungsverhältnisses dürfte sich dagegen eine verdeckte Gewinnausschüttung nur ausnahmsweise und lediglich aufgrund ganz besonderer Umstände ausschließen lassen.
Im Streitfall sind solche Umstände nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht ersichtlich.
Insbesondere scheidet eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach nicht schon deshalb aus, weil die GmbH zur Ermittlung des angemessenen Kaufpreises einen öffentlich bestellten Sachverständigen herangezogen hat. Denn es ist nach der Lebenserfahrung möglich und naheliegend, daß sich der Kläger als Geschäftsführer der GmbH im Hinblick auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten von mindestens 47 000 DM, die laufende Steigerung der Baukosten und der Grundstückspreise und den guten baulichen Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt der Veräußerung eigene vom Gutachten abweichende Vorstellungen über den Wert des Grundstücks gebildet hat und eine u. U. zu niedrige Schätzung als ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer im Verhältnis zu einem fremden Dritten nicht akzeptiert hätte.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seine abweichende Rechtsauffassung auf das BFH-Urteil I R 178/69. In jenem Fall hat der BFH lediglich entschieden, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht gegeben ist, wenn ein von der GmbH an den Mehrheitsgesellschafter zu zahlender "vorläufiger" Pachtzins, dessen endgültige Bestimmung einem Sachverständigen überlassen wurde, nachträglich entsprechend dem Ergebnis des Gutachtens erhöht wird. Entscheidungserheblich war hiernach nur die Frage, ob eine rückwirkende Erhöhung der ursprünglich vereinbarten Leistung vorliegt, die nach der Rechtsprechung die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung rechtfertigt. Die Angemessenheit des gutachtlich festgestellten neuen Pachtzinses selbst war dagegen zwischen den Beteiligten unstreitig.
Auch die Überlegungen des FG zur Rendite des Grundstücks lassen eine abschließende Beurteilung des Streitfalls nicht zu. Denn zum einen steht nicht fest, ob die vom FG zugrunde gelegte tatsächliche Jahresmiete von 2 700 DM auch der nachhaltig erzielbaren Miete entspricht. Eine solche Feststellung wäre insbesondere deshalb geboten gewesen, weil der von der GmbH beauftragte Sachverständige N in seinem Gutachten eine Jahresrohmiete von 3 600 DM angesetzt hat. Zum anderen erscheint es ungewiß, ob ein sorgfältiger und gewissenhafter Geschäftsführer den erzielbaren Kaufpreis im Falle eines erheblich höheren Sachwerts im wesentlichen nach dem niedrigeren Ertragswert des Grundstücks bemessen hätte.
Schließlich eignet sich auch der Einheitswert des Grundstücks nicht für die Überprüfung der Angemessenheit des Kaufpreises, da dieser Wert erfahrungsgemäß oft erheblich unter dem Verkehrswert liegt.
Die nicht entscheidungsreife Sache ist hiernach gemäß § 126 Abs. 3 FGO an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Das FG wird unter Einbeziehung des Verkehrswerts des Grundstücks erneut zu prüfen haben, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 72628 |
BStBl II 1978, 109 |
BFHE 1978, 475 |