Entscheidungsstichwort (Thema)
Einlage verlustträchtiger Wirtschaftsgüter
Leitsatz (NV)
1. Die Einlage von Wirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen ist nicht mehr zulässig, wenn bereits beim Erwerb erkennbar ist, daß die Wirtschaftsgüter dem Betrieb keinen Nutzen, sondern nur noch Verluste bringen.
2. Die Gesamtwürdigung durch das FG bindet den BFH, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist. Das gilt auch dann, wenn die Gesamtwürdigung nicht zwingend, sondern nur möglich ist.
Normenkette
EStG § 4; FGO § 118
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammenveranlagt werden. Der Kläger betrieb bis zum 31. Dezember 1974 eine Kfz-Vertragswerkstatt und Kfz-Handlung. Dieses Unternehmen verpachtete er am 1. Januar 1975 an die Klägerin; die Verpachtung behandelte er als ruhenden Gewerbebetrieb. Zum 31. Juli 1977 wurde das Unternehmen verkauft.
Der Kläger wurde im September 1971 von Herrn F, dem Anlageberater der F-GmbH, über Geldanlagen beraten. Herr F unterbreitete Vorschläge, wie eine höhere Rendite erzielt werden könne. Zu diesem Zweck wurde dem Kläger empfohlen, seine IOS-Anteile zu verkaufen. Nach weiteren Gesprächen wurden der F-GmbH am 24. Januar 1972 50 000 DM und am 27. Janaur 1972 42 500 DM mittels Scheck zur Verfügung gestellt. Am 17. Februar 1972 wurden zweimal 50 000 DM an das Bankhaus B zugunsten eines Kontos der F-GmbH überwiesen. Am 26. Juni 1972 erhielt Herr F 46 000 DM in bar; dieser Betrag wurde vom betrieblichen Bankkonto am gleichen Tag abgehoben und als Privatentnahme verbucht. Aus dem Verkauf der IOS-Anteile wurden der F-GmbH 22 575 DM zugeleitet. Insgesamt wurden der F-GmbH Geldmittel in Höhe von 261 075 DM, die ausschließlich aus dem Privatvermögen der Kläger stammten, zur Geldanlage zur Verfügung gestellt.
Zum 30. Juni 1972 wurde die Forderung über 261 075 DM als Einlage in das Betriebsvermögen eingebucht. Zu dieser Zeit wurden vom Kläger mit dem X-Werk und dem Autohaus A Planungen über den Ausbau des Betriebs erörtert. Konkrete Baupläne oder Genehmigungen lagen nicht vor.
Im August 1972 wurde das der F-GmbH zur Verfügung gestellte Kapital gekündigt, um festzustellen, mit welchem Erfolg die GmbH für den Kläger tätig gewesen war. Nachdem das gekündigte Kapital trotz mehrfachen Schriftwechsels im September/Oktober 1972 noch nicht zurückgezahlt war, traf der Kläger unter Mitwirkung seines Steuerberaters am 26. November 1972 mit Herrn F eine Vereinbarung, in der dieser sich anstelle der GmbH persönlich zur Rückzahlung des Geldbetrages und zur Zinszahlung verpflichtete.
Auf Grund der getroffenen Vereinbarung erhielt der Kläger von Herrn F am 5. und 28. Dezember 1972, am 5. Februar 1973, 8. März 1973 und 4. April 1973 Schecks über je 1 604,15 DM als Zinsausgleich. Die Zahlung vom 8. März 1973 brachte der Kläger einem betrieblichen Girokonto gut und verbuchte sie als Einlage. Die übrigen Schecks wurden privaten Sparkonten gutgeschrieben. Die Zinsen erklärte der Kläger nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Die Rückzahlungsvereinbarung wurde von Herrn F nicht eingehalten. Daraufhin wurde die Forderung in den Steuerbilanzen zum 31. Dezember 1974 bis 1976 mit je 52 768 DM abgeschrieben; der Restbetrag von 102 771 DM wurde in der für den Verkaufstag erstellten Schlußbilanz zum 31. Juli 1977 ausgebucht.
Nach einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Forderung nicht als Betriebsvermögen an und erhöhte die Gewinne der Streitjahre um die Forderungsabschreibungen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führt aus, der Verlust der vom Kläger zum 30. Juni 1972 eingebuchten Forderung können nicht zu einer Gewinnminderung führen, weil die Forderung nicht Betriebsvermögen des Klägers geworden sei. Nach den Gesamtumständen sei die Einlage der Forderung nicht betrieblich veranlaßt gewesen. Zur Überzeugung des FG stehe fest, daß das hier in Frage stehende Wirtschaftsgut nicht aus betrieblichem, sondern aus privatem Anlaß zum Betriebsvermögen gezogen worden sei. Mit den aufgewendeten Geldbeträgen aus seinem Privatvermögen habe der Kläger Wirtschaftsgüter erworben, die ebenfalls zu seinem Privatvermögen gehört hätten. Es könne sich hierbei entweder um die Begründung einer Forderung gegen die F-GmbH oder aber um den Erwerb von Wertpapieren gehandelt haben.
Da schriftliche Unterlagen über die Geschäfte nicht vorliegen und der Kläger auch keine Angaben über die Geschäfte im einzelnen habe machen können, sei unklar, welcher Sachverhalt tatsächlich vorgelegen habe. Diese tatsächliche Unsicherheit spiele für die Entscheidung des Rechtsstreits jedoch keine Rolle. Unabhängig davon, ob zu Recht eine Forderung eingebucht worden sei oder aber eine Einbuchung der erworbenen Wertpapiere hätte erfolgen müssen, sei keine betriebliche Veranlassung für die Einlage erkennbar.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Durch die Einlagebuchung und den Ausweis der Forderung in der Bilanz sei klar zu erkennen gewesen, daß es sich bei der Forderung um gewillkürtes Betriebsvermögen handele. Ob es sich um einen Darlehnsvertrag oder Wertpapiergeschäfte gehandelt habe, sei zwar nicht mehr zuverlässig zu rekonstruieren. Entscheidend sei jedoch, daß aus der Sicht des Klägers auf Grund der verbindlichen Zusage jederzeit die Möglichkeit der Verfügung über den hingegebenen Betrag bestanden hätte und damit die Einlagefähigkeit als gewillkürtes Betriebsvermögen gegeben gewesen sei.
Zum Zeitpunkt der Einlage am 30. Juni 1972 könne nicht von einer Verlagerung sich abzeichnender Verluste aus dem Privatvermögen in den betrieblichen Bereich ausgegangen werden. Der Kläger habe nicht das Bewußtsein eines Risikogeschäfts gehabt. Dafür könne nicht die fünf Wochen später erfolgte Kündigung des Vertrages mit der Anlagegesellschaft angeführt werden. Er habe im August 1972 den Vertrag vorsorglich gekündigt, um jederzeit über das Geld verfügen zu können, da er hoffte, das geplante Bauvorhaben in naher Zukunft beginnen zu können.
Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist haben die Kläger ausgeführt, das FG habe bei seiner Entscheidung Erfahrungssätze verletzt. So widerspreche es jeder Lebenserfahrung, Geldmittel, die zur Finanzierung eines Bauvorhabens bestimmt seien, durch eine risikoreiche Anlage einer Verlustgefahr auszusetzen. Eine weitere Verletzung von Erfahrungssätzen liege in der Annahme, es sei zum Zeitpunkt der Einlagebuchung am 30. Juni 1972 die Zweifelhaftigkeit der Forderung erkennbar gewesen, obwohl am 26. Juni 1972 eine Einzahlung von 68 575 DM geleistet worden sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die strittigen Abschreibungen gewinnmindernd zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es hält daran fest, daß die Abschreibungen auf die Forderung nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden dürfen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Auffassung des FG, daß der Verlust der vom Kläger zum 30. Juni 1972 eingebuchten Forderung nicht zu einer Gewinnminderung führen darf, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
1. Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens können solche des notwendigen oder des gewillkürten Betriebsvermögens sein. Notwendiges Betriebsvermögen ist anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter dem Betrieb in dem Sinn dienen, daß sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt sind (z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582); sie sind ohne Einlagehandlung dem Betriebsvermögen zuzuordnen. Auch die Kläger gehen davon aus, daß die eingebuchte Forderung nicht zum notwendigen Betriebsvermögen gehörte.
Dem gewillkürten Betriebsvermögen können in der Regel Wirtschaftsgüter zugerechnet werden, wenn sie objektiv dazu geeignet und erkennbar dazu bestimmt sind, den Betrieb zu fördern (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1979 IV R 125/76, BFHE 129, 40, BStBl II 1980, 40); derartige Wirtschaftsgüter gehören jedoch nur dann zum Betriebsvermögen, wenn der Betriebsinhaber seinen diesbezüglichen Willen klar erkennbar zum Ausdruck bringt.
Forderungen und Wertpapiere sind in der Regel Wirtschaftsgüter, die ein Kaufmann dem gewillkürten Betriebsvermögen widmen kann, weil sie grundsätzlich geeignet sind, die Betriebszwecke zu fördern (vgl. z. B. BHF-Urteile vom 14. November 1972 VIII R 100/69, BFHE 108, 304, BStBl II 973, 289; in BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582). Die Zugehörigkeit von Forderungen und Wertpapieren zum Betriebsvermögen ist allerdings zu verneinen, wenn besondere Umstände dies gebieten. Der BFH hat mehrfach entschieden, daß die Einlage von Wirtschaftsgütern in das Betriebsvermögen nicht mehr zulässig ist, wenn bereits beim Erwerb erkennbar ist, daß die Wirtschaftsgüter dem Betrieb keinen Nutzen, sondern nur noch Verluste bringen (Urteile vom 27. März 1974 I R 44/73, BFHE 112, 265, BStBl II 1974, 488; vom 15. November 1978 I R 57/76, BFHE 126, 530, BStBl II 1979, 257; vom 25. Februar 1982 IV R 25/78, BFHE 135, 316, BStBl II 1982, 461; vom 8. Februar 1985 III R 169/82, BFH/NV 1985, 80). Dementsprechend dürfen später eintretende Verluste nicht zu einer Minderung des betrieblichen Gewinns führen.
2. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG ausgegangen. Ihre Anwendung auf den vom FG festgestellten Sachverhalt ist ohne Rechtsfehler zustande gekommen.
Nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist der BFH an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind. Da die Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine zulässige und begründete Revisionsrüge in bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des FG vorgebracht haben, hat der BFH davon auszugehen, daß die Einbuchung der Forderung in Höhe von 261 075 DM am 30. Juni 1972 aus außerbetrieblichen Gründen erfolgt ist.
Die Bindung des BFH entfällt nur dann, wenn Folgerungen des FG aus dem festgestellten Sachverhalt mit den Denkgesetzen oder mit Erfahrungssätzen unvereinbar sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, die mit der Rechtsprechung der anderen obersten Bundesgerichte übereinstimmt, bindet die Gesamtwürdigung durch das FG den BFH, wenn sie verfahrensrechtlich einwandfei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt ist (z. B. BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442). Das gilt auch dann, wenn die Gesamtwürdigung nicht zwingend, sondern nur möglich ist.
Die Ausführungen des FG lassen keinen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen. Das FG hat nicht deshalb, wie die Kläger vortragen, gegen Erfahrungssätze verstoßen, weil es nicht mit der Lebenserfahrung vereinbar sei, Geldmittel, die zur Finanzierung eines Bauvorhabens bestimmt sind, durch eine risikoreiche Anlage einer Verlustgefahr auszusetzen. Denn nach Auffassung des FG war die Geldanlage des Klägers bei der F-GmbH nicht durch die in Aussicht genommene Erweiterung des Betriebs veranlaßt.
Eine Verletzung von Erfahrungssätzen ist entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht darin zu sehen, daß das FG in sei nem Urteil nicht ausdrücklich dazu Stellung genommen hat, daß der Kläger kurz vor der Einbuchung der Forderung eine Einzahlung in Höhe von 68 575 DM geleistet hat. Einmal ist das FG nicht verpflichtet, in seiner Entscheidung auf alle denkbaren Einwände einzugehen. Zum anderen ist es mit der Lebenserfahrung durchaus vereinbar, daß ein Steuerpflichtiger eine Forderung in Kenntnis ihrer Zweifelhaftigkeit erhöht, um hierdurch ein Beweisanzeichen für die Zugehörigkeit der Forderung zum Betriebsvermögen zu erhalten.
Die Revision läuft im Kern darauf hinaus, daß der BFH an die Stelle der Beweiswürdigung durch das FG eine eigene Beweiswürdigung setzt. Dies ist dem BFH auf Grund der Vorschrift des § 118 Abs. 2 FGO jedoch versagt.
Fundstellen
Haufe-Index 62373 |
BFH/NV 1989, 305 |