Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme verkaufter Umzugskartons gegen Entgelt: Keine Berichtigung der Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung
Leitsatz (amtlich)
Bietet ein (Umzugs-)Unternehmen seinen Kunden an, von ihm verkaufte Umzugskartons in verwertbarem Zustand gegen ein bestimmtes Entgelt zurückzunehmen, und machen die Kunden davon Gebrauch, ist die Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung nicht zu berichtigen. Vielmehr liegt eine selbständige sog. Rücklieferung vor.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1, § 17 Abs. 1-2; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil A Abs. 3; EWGRL 388/77 Art. 11 Teil C Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein Unternehmen, das Umzüge durchführt und einen sog. Umzugsshop unterhält, in dem sie u.a. Falt- und Bücherkartons verkauft. Für neuwertige Kartons berechnete sie gegen Ende des Streitzeitraums 4 DM und für gebrauchte Kartons 3,50 DM. Ihre Angebote und Werbung enthielten Zusätze wie: "Rückgabe gegen Entgelt", "Wir erstatten unsere gebrauchten Kartons im wiederverwertbaren Zustand mit 2,00 DM" oder "Bei Rückgabe der Kartons erstatten wir 2,00 DM/Stück". Tatsächlich erstattete sie den ausgelobten Betrag nur bei Kartons mit dem firmeneigenen Logo. Dies geschah in geringem Umfang auch bei Kartons, die bei Schwestergesellschaften der Klägerin erworben worden waren. Bei größeren Rückgaben prüfte sie, ob die Umzugsrechnung bereits bezahlt war. Die Anschaffungskosten für fabrikneue Kartons lagen zwischen 1,80 DM und 2,05 DM, wobei Bücherkartons ca. 0,10 DM preiswerter waren.
Die Erstattungen für die Kartons, die in den Streitjahren zwischen 107 731 DM netto und 215 437 DM netto betrugen, behandelte die Klägerin als Erlösschmälerung. Bis auf einen relativ geringen Anteil erfolgten die Erstattungen an Privatpersonen.
Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Erstattungen für Kartonrückgaben nicht als Erlösschmälerungen. Der Rückkauf sei ein eigenständiger Umsatz, für den jedoch mit Ausnahme geringer Beträge für Gutschriften an Unternehmer keine zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen oder Gutschriften vorlägen. Der Einspruch der Klägerin gegen die entsprechenden Umsatzsteueränderungsbescheide für 1995 bis 1999 hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 297).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG). Das vereinbarte Pfand für die Kartons gehöre zur Bemessungsgrundlage für die Kartonüberlassung. Die Abrede, dass der Empfänger durch die Rückgabe der Kartons den Pfandbetrag zurückerhalten könne, sei eine Vereinbarung einer Entgeltminderung. Die herkömmliche Bepfandungspraxis sei nicht zuletzt im Hinblick auf die Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom 21. August 1998 (BGBl I 1998, 2379) überholt. Die Kartons hätten nur geringen Wert und könnten im Sinne der genannten Verordnung nur über den Pfandanreiz an die Klägerin zurückgelangen. Unerheblich sei die mangelnde Identität zwischen dem Verkaufs- und Rücknahmepreis. Beide seien klar vereinbart. Das Urteil des FG widerspreche zudem den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Januar 2006 V R 3/04 (BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479) und vom 13. Juli 2006 V R 46/05 (BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) dürfe nach geltendem Umsatzsteuersystem nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der Umsatzsteuer belastet werden. Für Unternehmer müsse die Umsatzsteuer neutral wirken, d.h. dem Fiskus dürfe letztendlich nur der Betrag zufließen, den der Endverbraucher tatsächlich wirtschaftlich aufwende.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Oktober 2003 und der Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1999 vom 30. Juli 2003 die Umsatzsteuer wie folgt geändert festzusetzen:
- Umsatzsteuer 1995 |
1 037 880 DM/ |
530 659,62 € |
- Umsatzsteuer 1996 |
1 228 967 DM/ |
628 360,85 € |
- Umsatzsteuer 1997 |
1 514 491 DM/ |
774 346,95 € |
- Umsatzsteuer 1998 |
1 831 210 DM/ |
936 282,81 € |
- Umsatzsteuer 1999 |
2 091 240 DM/ |
1 069 234,03 € |
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist als unbegründet zurückzuweisen. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Verkauf der Kartons durch die Klägerin wurde weder rückgängig gemacht (§ 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG), noch wurde das hierfür vom Kunden zu zahlende Entgelt nachträglich gemindert, noch gelten die Sonderregelungen für mit Pfand belegte Gegenstände.
1. Der Verkauf der Umzugs-/Bücherkartons ist eine "Lieferung". Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen Leistungen, durch die der Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Diese Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um und erfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstandes durch eine Partei, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 8. Februar 1990 Rs. C-320/88 --Shipping and Forwarding Enterprise Safe--, Slg. 1990, I-285, Randnr. 7). Dies setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476). Liegt eine Lieferung vor, scheidet nach § 3 Abs. 9 UStG eine sonstige Leistung z.B. in Form einer Gebrauchsüberlassung aus.
Die Klägerin hat dem jeweiligen Erwerber die Verfügungsmacht über die Kartons verschafft. Die Käufer konnten über die Kartons nach eigenem Belieben verfügen. Eine Pflicht zur Rückgabe bestand weder aufgrund des Kaufvertrages noch aufgrund der Verpackungsverordnung. Aus einer nach § 4 der Verpackungsverordnung bestehenden Rücknahmepflicht ergibt sich keine korrespondierende Rückgabepflicht der Erwerber.
2. Bemessungsgrundlage für diese Lieferung ist das Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG). Dies ist hier der Preis, den die Erwerber der Kartons beim Kauf gezahlt haben und der unstreitig ist.
3. Bei dieser Bemessungsgrundlage verbleibt es auch in solchen Fällen, in denen die Erwerber auf das Angebot der Klägerin eingegangen sind, die Kartons gegen Zahlung von 2 DM zurückzugeben.
a) Durch die Rückgabe der Umzugskartons wurde deren ursprüngliche Lieferung durch die Klägerin nicht i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig gemacht.
aa) Die Rückgabe eines gelieferten Gegenstandes durch den Käufer kann den zugrunde liegenden Leistungsaustausch berühren (Rückgängigmachung) oder aber auf einem neuen, also weiteren Leistungsaustausch beruhen (sog. Rücklieferung; vgl. z.B. Weiss, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1982, 76). Ob eine Rückgängigmachung einer Lieferung oder eine selbständige Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des Empfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen Lieferers (hier: der Klägerin) zu beurteilen. Eine Rückgängigmachung ist anzunehmen, wenn der Liefernde oder der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäftes zurückgibt. Dagegen liegt eine einen selbständigen Umsatz auslösende Rücklieferung vor, wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung überträgt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1995 V R 27/94, BFHE 178, 277, BStBl II 1995, 756, m.w.N.). Bei der Rückgängigmachung liegt typischerweise eine Vertragsstörung im weiten Sinne vor (vgl. auch z.B. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1981 V R 75/77, BFHE 135, 115, BStBl II 1982, 233; vom 8. Mai 2003 V R 20/02, BFHE 203, 181, BStBl II 2003, 953; vom 28. November 2002 V R 51/01, BFH/NV 2003, 515; Fischer, jurisPR-SteuerR 51/2006 Anm. 3; Schwarz in Vogel/Schwarz, UStG, § 17 Rz 168). Sie ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass das ursprüngliche Entgelt zurückzuzahlen ist. Der Beseitigung eines Leistungsaustauschs ist ein anderer Kaufpreis als der ursprünglich vereinbarte fremd (vgl. Weiss, UR 1982, 76, 78 a.E.; Widmann in Plückebaum/Malitzky/Widmann, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 10 Rz 149 ff.).
Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Wiederverkäufer ein Unternehmer oder eine Privatperson ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juni 2002 V B 113/01, BFH/NV 2002, 1353).
bb) Nach diesen Grundsätzen kann von einer Rückgängigmachung des Kaufs der Kartons i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG nicht ausgegangen werden. Weder die Klägerin noch der jeweilige Käufer haben die Wirksamkeit des Erstverkaufs in Zweifel gezogen. Der Erstkäufer verkaufte die Kartons gegen Zahlung eines anderen als den ursprünglichen Kaufpreis. Die Rückgabe der auch anderweitig nutzbaren Kartons (z.B. zur Lagerung) entsprang seinem autonomen, von der Klägerin unabhängigen Entschluss (vgl. auch z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 VIII ZR 213/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 506).
b) Das Angebot der Klägerin, wiederverwertbare Kartons zurückzunehmen, ist auch kein (nachträglicher) Preisnachlass für deren ursprüngliche Lieferung i.S. des § 17 Abs. 1 UStG, Art. 11 Teil C Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG.
Ein Preisnachlass ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Lieferer, ggf. auch der Hersteller, das Entgelt für seine Lieferung herabsetzt. Das war hier nicht der Fall. Die Klägerin hat für die zurückübereigneten und wiederverwertbaren Kartons das versprochene Entgelt gezahlt. Maßgebliche Bemessungsgrundlage für ihre Lieferung bleibt, was die Kunden vereinbarungsgemäß für die Leistung aufgewendet haben (vgl. BFH-Urteil vom 11. Mai 2006 V R 33/03, BFHE 213, 264, BStBl II 2006, 699). Das waren im Streitfall nach den Feststellungen des FG 4 DM bzw. 3,50 DM je Karton.
Auch die Voraussetzungen des Art. 11 Teil A Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 77/388/EWG sind nicht erfüllt. Danach sind in die Besteuerungsgrundlage nicht miteinzubeziehen das Skonto und die Rabatte und Rückvergütungen auf den Preis, die dem Abnehmer eingeräumt werden und die er zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem der Umsatz bewirkt wird. Im Streitfall knüpft die "Erstattung" nicht an den Zeitpunkt der ursprünglichen Lieferung, sondern an die spätere Rückübereignung an.
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin gelten hier auch nicht die Sonderregelungen für bepfandete Gegenstände. Art. 11 Teil C Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht Behältnisse jedweder Art, sondern nur Warenumschließungen. Solche liegen vor, wenn aufgrund der Eigenart einer Ware eine bestimmte Umschließung erforderlich ist, um diese verkaufs- und absatzfähig zu machen (vgl. BFH-Urteile vom 2. Februar 1990 III R 126/85, BFHE 160, 356, BStBl II 1990, 593; vom 7. Mai 1987 V R 56/79, BFHE 150, 85, BStBl II 1987, 582; Heidner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl., § 10 Rz 18; ähnlich § 10 Abs. 1 der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung 1993 vom 11. August 1992 --BGBl I 1992, 1526--; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG Rz 62; Weiss, UR 1987, 230). Die hier streitigen Kartons umschließen keine Waren der Klägerin.
d) Der ungekürzten Besteuerung der Einnahmen aus den Kartonverkäufen steht nicht entgegen, dass durch das Mehrwertsteuersystem im Prinzip nur der Endverbraucher belastet werden soll (vgl. hierzu im Einzelnen z.B. EuGH-Urteil vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 --Elida Gibbs Ltd.--, Slg. 1996, I-5339, Randnr. 19 ff.; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186). Zur Wahrung der Neutralität der Mehrwertsteuer auf der Unternehmerebene sehen § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG einen Vorsteuerabzug vor. Abgezogen werden können danach aber nur (Vor-)Steuern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmen an das Unternehmen ausgeführt worden sind. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Normen bestehen keine Zweifel, dass ein Unternehmer, dem von einer Privatperson Gegenstände (ohne Inrechnungstellung von Umsatzsteuer) geliefert werden, letztendlich mit Umsatzsteuer belastet bleibt, die diese an einen Vorlieferanten gezahlt hat. Im Übrigen eröffnet § 25a UStG gerade für den hier vorliegenden Fall der Lieferung von Gebrauchtgegenständen die Möglichkeit, die Differenzbesteuerung in Anspruch zu nehmen. Wie die Klägerin aber vorgetragen hat, erfüllt sie die Voraussetzungen für die Anwendung des § 25a UStG in den Streitjahren nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 2089964 |
BFH/NV 2009, 333 |
BFH/PR 2009, 107 |
BStBl II 2009, 558 |
BFHE 2008, 515 |
BFHE 223, 515 |
DB 2009, 156 |
DStRE 2009, 295 |
DStZ 2009, 224 |
HFR 2009, 284 |
UR 2009, 84 |
NWB 2009, 16 |
BBK 2009, 111 |
StuB 2009, 203 |
KÖSDI 2009, 16327 |
NWB direkt 2009, 14 |
RdW 2009, 372 |
StBW 2009, 6 |
StX 2009, 26 |
SJ 2009, 8 |
StB 2009, 8 |
stak 2009 |