Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von vor Ablauf der Nutzungswertbesteuerung entstandenem Erhaltungsaufwand nach derem Ablauf
Leitsatz (amtlich)
Unabhängig von der Gewinnermittlungsart sind Aufwendungen für Erhaltungsmaßnahmen, die der Landwirt noch vor dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung an der selbst genutzten Wohnung oder einer Altenteilerwohnung durchführt, auch dann in vollem Umfang als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Zahlung erst nach Ablauf der Nutzungswertbesteuerung erfolgt ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3, § 11 Abs. 2 S. 1; EStG 1987 § 52 Abs. 15 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Ehegatten, die für das Streitjahr (1998) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Sie unterhalten einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, dessen Gewinn sie für das Normal-Wirtschaftsjahr seit Beginn des Wirtschaftsjahrs 1998/99 nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln. Den Mietwert der eigengenutzten Wohnung erfassten die Kläger bis zum 31. Dezember 1998 bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft.
Im November und Dezember 1998 erneuerten die Kläger in dieser Wohnung die Heizungsanlage mit einem Kostenaufwand von 32 019 DM. Die Rechnung vom 22. Dezember 1998 überwiesen die Kläger am 5. Januar 1999 und buchten die Ausgabe bei der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1998/99 als Betriebsausgabe.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erhöhte den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1998/99 um 32 019 DM, mit der Begründung, dieser Betrag sei erst 1999, nach Ablauf der Übergangsregelung des § 52 Abs. 15 EStG a.F. abgeflossen. Auf dieser Grundlage erging der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1998.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 555 veröffentlichten Gründen statt.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es trägt vor, zwar handele es sich bei der Verbindlichkeit für die Erneuerung der Heizung für das Wohngebäude im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen im Zeitpunkt ihres Entstehens um eine betriebliche Schuld, die jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 1998 kraft Gesetzes zu einer Privatschuld wurde. Nach Ablauf der Nutzungswertbesteuerung seien Leistungen auf die Verbindlichkeit daher unabhängig von der Gewinnermittlungsart steuerlich nicht mehr relevant.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat den Abzug der Aufwendungen für die Erneuerung der Heizung zutreffend als Betriebsausgaben bei Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1998/99 anerkannt.
1. Zu Unrecht geht das FA davon aus, dass der gesetzlich vorgesehene Ablauf der Nutzungswertbesteuerung zugleich den betrieblichen Zusammenhang wohnungsbedingter Verbindlichkeiten gelöst habe, so dass nach dem Stichtag geleistete Zahlungen auf zuvor durchgeführte Erhaltungsmaßnahmen unabhängig von der Gewinnermittlungsart nicht mehr gewinnmindernd zu berücksichtigen seien.
a) Nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 EStG in der für das Streitjahr (1998) geltenden Fassung gehörte auch der Nutzungswert der Wohnung des Steuerpflichtigen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, wenn die Wohnung die bei Betrieben gleicher Art übliche Größe nicht überschritt (sog. Nutzungswertbesteuerung). Sofern die Voraussetzungen dieser Vorschrift bereits im Veranlagungszeitraum 1986 vorgelegen hatten, galt die Nutzungswertbesteuerung letztmals für den Veranlagungszeitraum 1998 (§ 52 Abs. 15 Satz 2 EStG 1987/1998; im Folgenden § 52 Abs. 15 EStG a.F.). Für die land- und forstwirtschaftliche Gewinnermittlung folgt daraus, dass die Wohnung des Land- und Forstwirts bis zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung notwendiges Betriebsvermögen ist und dem Ansatz fiktiver Mieteinnahmen alle wohnungsbedingten Aufwendungen als Betriebsausgaben gegenüberzustellen sind (vgl. nur Senatsurteil vom 14. März 1985 IV R 2/83, BFH/NV 1985, 37, m.w.N.). Sonderregelungen zum Abzug betrieblich veranlasster Aufwendungen nach Ablauf der Nutzungswertbesteuerung sieht das Gesetz nicht vor. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze.
b) Im Streitfall gehen die Beteiligten ohne nähere Begründung davon aus, dass die Erneuerung der Heizung vor dem 31. Dezember 1998, dem Zeitpunkt des Wegfalls der Nutzungswertbesteuerung, betrieblich veranlasst war. Unterschiedliche Auffassungen bestehen nur hinsichtlich des Fortwirkens der betrieblichen Veranlassung. Insoweit vertritt das FA die Auffassung, mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung und dem dadurch bedingten Übergang der Wohnung vom (notwendigen) Betriebsvermögen zum (notwendigen) Privatvermögen werde zugleich der Veranlassungszusammenhang der Erhaltungsmaßnahmen mit dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb unterbrochen, so dass die geleisteten Zahlungen zu nichtabziehbaren Aufwendungen für die Lebensführung würden. Für diese Auffassung sind die verschiedenen Gewinnermittlungsarten und unterschiedlichen Zeitpunkte der Gewinnrealisierung konsequenterweise ohne Bedeutung.
2. Auch der erkennende Senat bejaht im Streitfall eine betriebliche Veranlassung der Erneuerungsmaßnahmen, obwohl diese nicht ausschließlich durch die zurückliegende Nutzung der Wohnung als Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens bedingt sein dürften, sondern in einem ebenso konkreten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der künftigen steuerlich unbeachtlichen Wohnungsnutzung stehen. Eine derart gemischte Veranlassung könnte die Anwendung des Aufteilungs- und Abzugsverbots gemäß § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nahe legen, wie dies der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in einem Fall der Renovierung nach Beendigung der Vermietung und vor Aufnahme der Selbstnutzung entschieden hat (BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 IX R 62/91, BFH/NV 1995, 108).
a) Im Streitfall sind die Erhaltungsmaßnahmen jedoch nicht erst nach dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung vorgenommen worden, sondern tatsächlich noch einem Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens zugute gekommen. Dies mag zwar noch nicht für eine ausschließliche betriebliche Veranlassung der Aufwendungen sprechen. Der Senat sieht in der stichtagsbezogenen Regelung des § 52 Abs. 15 Satz 1 und 2 EStG a.F. jedoch eine angemessene gesetzliche Typisierung von Veranlassungszusammenhängen. Danach sind alle vor dem Stichtag getroffenen Maßnahmen im Interesse der Klarheit und Eindeutigkeit, aber auch aus Gründen der Steuervereinfachung betrieblich veranlasst; andererseits ist es dem Steuerpflichtigen verwehrt, für Erhaltungsmaßnahmen erst nach dem Stichtag eine betriebliche Veranlassung ―etwa unter Hinweis auf einen Reparaturstau― geltend zu machen (im Ergebnis gl.A. BFH-Urteile vom 10. Oktober 2000 IX R 15/96, BFHE 193, 318, BStBl II 2001, 787, und vom 20. Februar 2001 IX R 49/98, BFH/NV 2001, 1022).
Diese Auffassung vertritt auch das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom 10. November 1998 IV C 3 -S 2253- 2/98 (BStBl I 1998, 1418) zum Wegfall der Nutzungswertbesteuerung für eigengenutzte Wohnungen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG a.F. Nach Auffassung des erkennenden Senats wird in diesem Schreiben dann aber weniger konsequent der (ausschließliche) einkunftsbezogene Veranlassungszusammenhang vor dem Stichtag abgeschlossener Erhaltungsmaßnahmen dann unterbrochen, wenn die Zahlungen erst nach dem Stichtag erfolgen. Ob allein der Umstand eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, dass in einem solchen Fall ―anders als beim Wegfall der Nutzungswertbesteuerung im betrieblichen Bereich― nach dem Stichtag auch die Einkünfte entfallen, zu denen der Veranlassungszusammenhang begründet wurde, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Auch das BMF hat sich einer Stellungnahme zu dieser Frage enthalten. Das Schreiben in BStBl I 1998, 1418 ist jedoch ausdrücklich nur zu § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG a.F. ergangen.
b) Sind die Erhaltungsmaßnahmen im Streitfall danach betrieblich veranlasst, so gilt dies auch für die damit zusammenhängenden Aufwendungen, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Zahlung, der nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG allein für den Abzug der Aufwendungen von Bedeutung ist. Im Rahmen der Einnahmenüberschussrechnung mindern die Aufwendungen daher den Gewinn der Kläger im Wirtschaftsjahr 1998/99, auch wenn sie erst nach Ablauf des Streitjahrs geleistet worden sind (§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG).
Entgegen der Auffassung des FA waren die Aufwendungen im Zeitpunkt der Leistung nicht privat veranlasst. Denn nach der zu 2.a dargelegten Auslegung der stichtagsbezogenen Regelung des § 52 Abs. 15 EStG a.F. ist ein privater Veranlassungszusammenhang für Erhaltungsmaßnahmen vor dem Stichtag gerade ausgeschlossen. Der einmal durch die Kläger geschaffene wirtschaftliche Zusammenhang der Reparaturmaßnahmen mit dem Betrieb wandelt sich ohne Zutun der Kläger nicht allein durch den Übergang der Wohnung des Land- und Forstwirts von der Nutzungswertbesteuerung zur sog. Privatgutlösung in einen privaten Veranlassungszusammenhang. Wenn das FA in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass eine betriebliche Verbindlichkeit mit dem Wegfall der Nutzungswertbesteuerung zu einer Privatschuld werde, so verkennt es, dass Verbindlichkeiten ebenso wie Forderungen für die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung anders als für den Betriebsvermögensvergleich ohne Bedeutung sind (s. nur Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 4 EStG Anm. 571, m.w.N.). Allerdings hat sich auch das FG diese Sicht zu Eigen gemacht und dargelegt, dass durch die Maßnahmen der Kläger eine betriebliche Verbindlichkeit begründet worden sei, die bis zur Zahlung fortbestanden habe. Der erkennende Senat sieht in dieser Begründung lediglich eine Bestätigung seiner Auffassung zur Fortwirkung des einmal begründeten betrieblichen Veranlassungszusammenhangs. Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass die verschiedenen Gewinnermittlungsarten keine unterschiedliche Behandlung des Abzugs wohnungsbedingter Aufwendungen nach Wegfall der Nutzungswertbesteuerung rechtfertigen. Dies gebietet schon der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit (s. nur Senatsurteile vom 23. November 1961 IV 98/60 S, BFHE 74, 535, BStBl III 1962, 199, und vom 4. August 1983 IV R 242/80, juris), wenn nicht auch eine am Gleichheitssatz orientierte verfassungskonforme Auslegung der Stichtagsregelung des § 52 Abs. 15 Satz 2 EStG a.F.
Das FG hat danach zutreffend darauf hingewiesen, dass die unstreitig noch vor dem Stichtag begründete betriebliche Verbindlichkeit diese Eigenschaft in der Regel bis zu ihrem Erlöschen behält; auf Grund des steuerrechtlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen finanziertem Wirtschaftsgut und Kreditaufnahme ist davon nur insofern eine Ausnahme anerkannt, als eine Betriebsschuld in das Privatvermögen überführt wird, wenn der Steuerpflichtige mit dem Darlehen zwar ein betrieblichen Zwecken dienendes Wirtschaftsgut erwirbt, dieses aber zu einem späteren Zeitpunkt dem Betrieb entnimmt, oder wenn die Darlehensmittel ―entgegen der ursprünglichen Absicht― für private Zwecke verwendet werden (s. nur Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824, zu II.3.b der Entscheidungsgründe). Eine solche Ausnahme läge im Streitfall auch dann nicht vor, wenn die Kläger ihren Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hätten.
Fundstellen
Haufe-Index 930815 |
BFH/NV 2003, 848 |
BStBl II 2003, 837 |
BFHE 2003, 491 |
BFHE 201, 491 |
BB 2003, 1110 |
DB 2003, 1095 |
DStRE 2003, 709 |
HFR 2003, 655 |