Leitsatz (amtlich)
Unterhaltsbeiträge, die ein Steuerpflichtiger seinem geschiedenen Ehegatten gemäß § 60 EheG leistet, fallen unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG und können daher nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Ehe des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) wurde im Januar 1966 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Zuvor hatte sich der Kläger in einem als Scheidungsvereinbarung bezeichneten Vertrag verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau monatlich 250 DM zu bezahlen. Dieser Betrag sollte entsprechend dem Lebenshaltungskostenindex den jeweiligen Verhältnissen angepaßt werden. Im Streitjahr 1967 bezahlte der Kläger an seine geschiedene Ehefrau 3 000 DM. Seinen Antrag, diesen Betrag als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ab.
Die unmittelbar zum FG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Ob die frühere Ehefrau des Klägers diesem gegenüber unterhaltsberechtigt sei, sei allein nach dem Schuldausspruch des Scheidungsurteils zu entscheiden. Eine Scheidung aus beiderseitigem Verschulden habe unterhaltsrechtlich den Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 60 des Ehegesetzes (EheG) zur Folge. Richtig sei zwar, daß es sich bei dem Anspruch aus § 60 EheG bürgerlich-rechtlich um keinen vollwertigen Unterhaltsanspruch, sondern nur um einen nach Billigkeitsgrundsätzen festzusetzenden Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag handele. Dies ändere jedoch nichts an der steuerrechtlichen Beurteilung dieses Anspruchs. Entscheidend sei, daß objektiv ein Unterhaltsverhältnis zu bejahen sei. Ob tatsächlich Bedürftigkeit bestehe, sei steuerrechtlich unerheblich. Dem stehe nicht entgegen, daß im Streitfall die unmittelbare Leistungsgrundlage ein zur Vorbereitung der Konventionalscheidung gem. § 72 EheG abgeschlossener Vertrag sei. Diese Vereinbarung trete an die Stelle einer etwaigen Gerichtsentscheidung, die andernfalls nach § 60 EheG ergangen wäre. Bei den Leistungen des Klägers handele es sich um Unterhaltsleistungen, da sie in erster Linie als Mietbeitrag, hilfsweise als Beitrag für die allgemeinen Lebensbedürfnisse, bestimmt gewesen seien. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, daß die Leistungsverpflichtung des Klägers auf einem besonderen, außerhalb des gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses bestehenden Verpflichtungsgrund beruhe, bestünden im Streitfall nicht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 12 Nr. 2 EStG. Es sei ernsthaft zweifelhaft, ob er die Zahlungen an seine mitschuldig geschiedene Ehefrau als an eine "gesetzlich unterhaltsberechtigte Person" leiste. Der Notbedarfsanspruch des § 60 EheG könne nicht einem echten gesetzlichen Unterhaltsanspruch gleichgesetzt werden. Zur Begründung seiner Auffassung beruft sich der Kläger auf das Schrifttum zu § 60 EheG (Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, Anm. 2 zu § 60 EheG; Palandt-Lauterbach, Anm. 3 zu § 60 EheG; Erman-Ronke, Anm. zu § 60 EheG; Hoffmann-Stephan, Anm. 4 zu § 60 EheG). Unter Hinweis auf Loepelmann-Eisenberg (Die Steuerfolgen der Ehescheidung S. 13 ff.) führt der Kläger aus, daß auch aus § 63 Abs. 1 EheG folge, daß das bürgerliche Recht den zur Leistung eines Notbedarfs verpflichteten Ehemann nicht zu den gesetzlich unterhaltsverpflichteten Ehegatten rechne. Um der Einheit der Rechtsordnung willen sollten Unterhaltsregelungen zwischen beiderseits schuldig geschiedenen Ehegatten aus dem Anwendungsbereich des § 12 Nr. 2 EStG ausscheiden. Im übrigen bestreite seine geschiedene Ehefrau ihren Unterhalt im wesentlichen selbst. Er leiste nur einen bescheidenen "Beitrag" zu deren Unterhalt, insbesondere um den alsbaldigen Auszug seiner geschiedenen Ehefrau aus dem gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zu erreichen. Im übrigen sei zu beachten, daß er den Unterhaltsbeitrag an seine geschiedene Ehefrau nicht freiwillig erbringe. Die Zahlungen beruhten auf dem vor der Scheidung geschlossenen Vertrag.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Zahlungen an seine geschiedene Ehefrau als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Diese Regelung wird jedoch durch § 12 Nr. 2 EStG insoweit eingeschränkt, als Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person nicht abziehbar sind, selbst wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 6. November 1970 VI R 94/69, BFHE 100, 456, BStBl II 1971, 99, und vom 13. Juli 1973 VI R 222/71, BStBl II 1973, 776) gilt daher das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG auch für Renten und dauernde Lasten an unterhaltsberechtigte Personen.
Wann eine gesetzliche Unterhaltspflicht eintritt, bestimmt grundsätzlich das bürgerliche Recht. Im Falle einer Ehescheidung sind die sich aus dem Ehegesetz ergebenden Rechtsfolgen des Scheidungsurteils maßgebend (Urteile des BFH vom 31. Oktober 1969 VI R 60/68, BFHE 97, 303, BStBl II 1970, 115, und vom 14. November 1969 VI R 50/68, BFHE 98, 240, BStBl II 1970, 376). Im Streitfall wurde die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden, ohne daß das überwiegende Verschulden eines Ehegatten festgestellt wurde. Nach § 60 EheG kann in diesem Fall dem Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, ein Beitrag zu seinem Unterhalt zugebilligt werden, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten und der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten des Bedürftigen der Billigkeit entspricht. Unterhaltsbeiträge gem. § 60 EheG sind nach der Rechtsprechung des Senats als Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen i. S. von § 12 Nr. 2 EStG anzusehen (Urteile vom 20. Februar 1959 VI 273/56 U, BFHE 68, 449, BStBl III 1959, 172, und vom 8. September 1961 VI 227/60 U, BFHE 73, 739, BStBl II 1961, 535). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Der Anspruch nach § 60 EheG geht zwar bürgerlichrechtlich seinem Umfang nach nur auf einen Beitrag und nicht auf den vollen angemessenen Unterhalt und die Zubilligung ist von Billigkeitserwägungen abhängig. Er wird deshalb im bürgerlichen Recht von der wohl herrschenden Meinung nicht als gesetzlicher Unterhaltsanspruch, sondern als ein Anspruch sui generis angesehen. Es wird aber auch bürgerlich-rechtlich die Auffassung vertreten, er sei ein Unterhaltsanspruch (z. B. von Gernhuber, Familienrecht, 2. Aufl., § 30, IV, 2; Furler, Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten S. 17; Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB, § 60 Anm. 4).
Zur Frage der bürgerlich-rechtlichen Einordnung des Anspruchs auf Unterhaltsbeitrag braucht der Senat jedoch nicht Stellung zu nehmen; denn der Anspruch ist steuerrechtlich seinem Wesen nach als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch i. S. des § 12 Nr. 2 EStG anzusehen. Daß sich bei der Frage, ob einem bedürftigen Ehegatten ein Unterhaltsbeitrag nach § 60 EheG zu gewähren ist, die Billigkeitserwägungen auf die Bedürfnisse, Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des anderen Ehegatten, dessen Kinder und dessen zweiten Ehegatten sowie auf die der unterhaltspflichtigen Verwandten des bedürftigen Ehegatten zu erstrecken habe, fällt bei der steuerrechtlichen Qualifizierung des Anspruchs nicht ins Gewicht. Entscheidend ist vielmehr, daß das Ehegesetz - bei Vorliegen der vielfältigen subjektiven Merkmale - einen Rechtsanspruch auf den Unterhaltsbeitrag gewährt und daß Anknüpfungspunkt für diesen gesetzlichen Anspruch das durch die Ehe begründete und über deren Scheidung hinaus bestehende objektive abstrakte Unterhaltsverhältnis ist. Leistungen eines Ehegatten an seinen geschiedenen früheren Ehegatten, die ihre Grundlage nicht in einem besonderen außerhalb des gesetzlichen Unterhaltsverhältnisses bestehenden Verpflichtungsgrund, sondern allein in dem auf der früheren ehelichen Verbindung beruhenden Unterhaltsverhältnis haben, sind - auch im Hinblick auf die einheitliche Behandlung von Unterhaltsleistungen eines Ehegatten an den geschiedenen Ehegatten - nicht als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Für diese Auffassung ist nicht zuletzt der Gedanke der Typisierung wesentlich. Es ist nicht Aufgabe von Finanzverwaltungsbehörden und FG, nachzuprüfen, ob die zum Teil vielfältigen subjektiven Voraussetzungen für die Bejahung eines auf den familienrechtlichen Beziehungen beruhenden Unterhaltsanspruchs bürgerlich-rechtlich im Einzelfall vorliegen. Das Besteuerungsverfahren muß als Massenverfahren möglichst an objektive Tatbestandsmerkmale anknüpfen, wie sie hier das zwischen den Beteiligten bestehende, im Familienrecht ruhende Unterhaltsverhältnis bietet. Damit allein wird auch ein unzumutbares Eindringen in persönliche Verhältnisse der Steuerpflichtigen vermieden. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 24. Februar 1961 VI 84/60 U (BFHE 72, 515, BStBl III 1961, 188) dargelegt hat, führt diese Auslegung des § 12 Nr. 2 EStG - wegen der Wechselwirkung zwischen den §§ 10, 12 Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 1 EStG - auch nicht etwa zu Ergebnissen, die einseitig den Fiskus begünstigen.
Schließlich ist unerheblich, daß im Streitfall unmittelbare Leistungsgrundlage ein vor der Scheidung abgeschlossener Scheidungsvertrag ist. Entscheidend ist, daß der in dieser Vereinbarung festgelegte Unterhaltsbeitrag auf der potentiell bestehenden gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung des Klägers beruht (Urteil VI R 94/69).
Fundstellen
Haufe-Index 70569 |
BStBl II 1973, 778 |
BFHE 1973, 570 |
NJW 1974, 79 |