Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkte Steuerpflicht nicht ständig im Inland ansässiger ausländischer Konsulatsbeamter
Leitsatz (NV)
Im Inland nicht ständig ansässige ausländische Konsulatsangehörige unterliegen der beschränkten Steuerpflicht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Finanzverwaltung eine ständige Ansässigkeit nur dann annimmt, wenn der Leiter der konsularischen Mission an das Auswärtige Amt eine entsprechende Mitteilung macht.
Normenkette
EStG 1987 § 1 Abs. 1-2, § 3 Nr. 29, § 26 Abs. 1 S. 1; WÜK Art. 49 Abs. 1, Art. 71 Abs. 1; DBA PRT Art. 4 Abs. 1 S. 2, Art. 28 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA) lehnte die Zusammenveranlagung mit ihrem damaligen Ehemann ab, weil dieser als ausländischer Konsulatsbeamter nur beschränkt steuerpflichtig sei.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 440 wiedergegeben.
Ihre Revision begründet die Klägerin mit Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Bescheid des FA über Einkommensteuer ... dahin zu ändern, daß die Einkommensteuer auf ... DM und die römisch-katholische Kirchensteuer auf ... DM festgesetzt wird, hilfsweise, die Sache zur weiteren Verhandlung an das FG Hamburg, insbesondere im Hinblick auf die Ansässigkeit des Ehemannes in 19.., zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Ehegatten werden u. a. nur dann zur Einkommensteuer zusammen veranlagt, wenn beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind (§ 26 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -- EStG 1987 --). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die inländische Besteuerung ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG 1987 der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt; nur ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik löst die unbeschränkte Steuerpflicht aus. Diese Voraussetzung wurde für das Streitjahr sowohl von der Klägerin als auch von ihrem geschiedenen Ehemann erfüllt. Beide hatten ihren Wohnsitz im Inland.
2. a) Allerdings bestimmt Art. 49 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen -- WÜK -- (BGBl II 1969, 1585, und BGBl II 1971, 1285), daß Konsularbeamte und Bedienstete des Verwaltungs- und technischen Personals sowie die mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit sind. Durch diese Vorschrift wird dem Konsularbeamten der Status des Exterritorialen eingeräumt; er unterliegt folglich insoweit -- mit seinen ausländischen Einkünften -- nicht der Rechtsordnung (Steuerhoheit) des Aufnahmestaates, sondern ist von dieser befreit (vgl. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 18. Dezember 1968 III 199/64, BFHE 95, 132, BStBl II 1969, 355; vgl. auch bereits Reichsfinanzhof, Urteil vom 28. Mai 1927 VI A 621/26, Steuer und Wirtschaft -- StuW -- 1927, Nr. 400).
b) Die Regelungen in Art. 49 WÜK führen zur nur beschränkten Steuerpflicht des ausländischen Konsulatsangehörigen. Durch sie wird die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1 EStG 1987 modifiziert, nicht aber die (persönliche oder sachliche) Steuerbefreiung des an sich im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen angeordnet. Zwar ist in Art. 49 WÜK von "Befreiung" und nicht von unbeschränkter oder beschränkter Steuerpflicht die Rede. Dies beruht aber darauf, daß das WÜK als völkerrechtliches Abkommen einen vorrangig außersteuerlichen Regelungsinhalt hat und insoweit nicht an spezifisch steuerliche Terminologien anknüpft. Regelungsziel des WÜK ist es, den Status des Auslandsbeamten als "exterritorial" festzulegen. Wie der BFH in dem Urteil in BFHE 95, 132, BStBl II 1969, 355 entschieden hat, bedeutet Exterritorialität im völkerrechtlichen Sinne Befreiung staatsfremder Personen oder Sachen von der inländischen Rechtsordnung. Die Exterritorialität erstreckt sich nach den Bestimmungen des WÜK ausdrücklich auch auf die Steuerhoheit, so daß Personen, die exterritorial sind, in dem Staat, in dem sie diesen Status besitzen, grundsätzlich von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personensteuern oder Abgaben befreit sind. Dem entspricht es, daß -- spiegelbildlich zu dem Sachverhalt im Streitfall -- Angehörige deutscher Konsulate mit deutscher Staatsangehörigkeit, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nach § 1 Abs. 2 EStG 1987 der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht unterfallen. Der Umstand, daß nach Art. 49 Abs. 1 WÜK inländische Einkünfte des Konsulatsbeamten nicht steuerbefreit sind, bedingt nichts anderes. Dadurch bestätigt sich nur, daß das Welteinkommen des ausländischen Konsulatsangehörigen gerade nicht der inländischen Besteuerung unterfällt (vgl. § 2 Abs. 1 EStG 1987), sondern daß dieser wie ein beschränkt Steuerpflichtiger zu behandeln und kraft völkerrechtlicher Fiktion im Inland nicht "ständig ansässig" ist (vgl. Art. 71 Abs. 1 WÜK). Auch daß nach § 3 Nr. 29 EStG 1987 das Gehalt und die Bezüge des Konsularbeamten ausdrücklich steuerbefreit sind, selbst wenn dieser seinen ständigen Aufenthalt im Inland hat, steht dem nicht entgegen. § 3 Nr. 29 EStG 1987 bestimmt nicht die unbeschränkte Steuerpflicht des Konsulatsbeamten. Die Vorschrift setzt bei diesem lediglich steuerpflichtige Einkünfte voraus.
c) Dieses Verständnis des Senats wird für den Streitfall durch das hier anzuwendende Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 15. Juli 1980 -- DBA-Portugal -- (BGBl II 1982, 130) bestätigt, das hinter die völkerrechtlichen Regeln zurücktritt (vgl. auch Art. 28 Abs. 1 DBA-Portugal), der Vorschrift in § 1 EStG 1987 aber sondergesetzlich vorgeht. Nach dessen Art. 28 Abs. 2 gelten -- im Ergebnis im Einklang mit Art. 4 Abs. 1 Satz 2 DBA-Portugal -- Mitglieder einer konsularischen Vertretung eines Vertragsstaats im anderen Vertragsstaat für die Zwecke dieses Abkommens als im Entsendestaat ansässig, wenn sie nach dem Völkerrecht im Empfangsstaat mit den Einkünften aus Quellen außerhalb dieses Staates gelegenen Vermögen nicht steuerpflichtig sind und im Entsendestaat zu den Steuern vom Gesamteinkommen und vom Vermögen wie in diesem Staat ansässige Personen herangezogen werden. Diese Fiktion der ständigen Ansässigkeit wirkt sich zwar -- nicht anders als die Regelung in Art. 4 Abs. 1 DBA-Portugal -- nur abkommensrechtlich aus und stellt eine notwen dige Anwendungsvoraussetzung für die Verteilungsnormen des Abkommens dar. Sie hat nicht zur Folge, daß die betreffende Person deshalb im Inland als beschränkt Steuerpflichtige zu behandeln wäre. Insoweit bleibt es bei der Anwendung der all gemeinen Besteuerungsvorschriften, denen sie unterworfen sind (Vogel, Doppelbesteuerung, 3. Aufl., Art. 4 Rz. 12 f., siehe auch Art. 27 Rz. 33). Dennoch macht die Regelung deutlich, daß auch die Abkommensbeteiligten von der grundsätzlich unbeschränkten Steuerpflicht der Konsulatsangehörigen im jeweiligen entsendenden Vertragsstaat ausgegangen sind.
d) Der Senat hält damit an der bisherigen Rechtsprechung des BFH fest und verweist hierauf. Er folgt zugleich der ständigen Verwaltungspraxis (vgl. H 6 Nr. 29 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR 1993 --; Finanzministerium Niedersachsen, Erlaß vom 26. Januar 1995 S 1310-7-33, Finanz- Rundschau -- FR -- 1995, 241; Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Erlaß vom 8. November 1994 III C 2 -S 1310- 1/92, Internationales Steuerrecht -- IStR -- 1995, 85) und dem überwiegenden Teil des Schrifttums (vgl. z. B. Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Systematik II 172; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 1 Rz. 39 und § 3 "Diplomatenbezüge"; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21. Aufl., § 1 EStG Rdnrn. 37, 154, 175, 177; Portner in Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, § 1 Rdnr. 65; von Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. A 829; Streck, StuW 1973, 119; ders., FR 1975, 261; Kluge, Das deutsche Internationale Steuerrecht, 3. Aufl., S. 50; Schwarz, Internationale Wirtschafts-Briefe Fach 3 Deutschland Gruppe 6, S. 393), nicht aber der Gegenmeinung (vgl. z. B. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 2 AO 1977 Tz. 5; Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 2 AO 1977 Rdnr. 107 f.; Schaumburg, IStR, S. 64 f.; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 3 EStG Nr. 29 Rdnr. 3 ff.; Jütte, IStR 1995, 85, 86; Lang, StuW 1975, 285; FG Bremen, Urteil vom 8. September 1960 I 67/60, EFG 1961, 146; FG Düsseldorf, Senate in Köln, Urteil vom 18. Oktober 1973 VIII 177/73 L, EFG 1974, 64; vgl. ferner zur parallelen Rechtslage bei der Vermögensteuer Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungs- und Vermögensteuer gesetz, 9. Aufl., § 2 VStG Rz. 22; Rössler/Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 17. Aufl., § 2 VStG Rdnr. 11 f.).
3. Von diesen Grundsätzen ausgehend war der Ehemann der Klägerin im Streitjahr nach den den Senat bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) Feststellungen der Vorinstanz im Inland nicht "ständig ansässig" i. S. von Art. 71 Abs. 1 WÜK. Die Verwaltungspraxis nimmt eine derartige ständige Ansässigkeit des ausländischen entsandten Bediensteten nur dann an, wenn der Leiter der konsularischen Mission an das Auswärtige Amt eine entsprechende Mitteilung macht (vgl. Finanzministerium Niedersachsen, Erlaß in FR 1995, 241; Senatsverwaltung für Finanzen Berlin, Erlaß in IStR 1995, 85; koordinierter Ländererlaß Finanzministerium Nordrhein-Westfalen vom 5. Juli 1973 S 1310 -3- VB 2, abgedruckt in Korn/Debatin, a. a. O., Anhang B I 30 c). Diese Praxis ist nicht zu beanstanden. Sie berücksichtigt einerseits die Interessen des Entsendestaates, die durch die ständige Anwesenheit des Konsulatsbeamten im Empfangsstaat und die damit verbundenen Einschränkungen des Exterritorialitätsstatus berührt sein können. Sie beläßt andererseits dem Konsulatsbeamten das Wahlrecht, sich für die un beschränkte Steuerpflicht zu entscheiden, indem er seinen Missionschef zu einer entsprechenden Mitteilung veranlaßt. Sieht er hiervon jedoch ab, spricht alles dafür, daß er nur vorübergehend im Inland verbleiben und seinen Status als Exterritorialer beibehalten will.
Im Streitfall liegt eine solche Mitteilung des Missionschefs des portugiesischen Konsulats für den Ehemann der Klägerin nicht vor. Auf weitere tatrichterliche Sachverhaltsfeststellungen zu seinen Absichten, gleichwohl nicht nach Portugal zurückkehren zu wollen, kam es angesichts dessen nicht an. Die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG 1987 sind nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 421911 |
BFH/NV 1997, 664 |